Diane Manz ist Dipl.-Psychologin, systemischer Business Coach und Beraterin für Kanzleien, Unternehmen und Privatpersonen. Ihr Fokus liegt auf den Bereichen Führung, Karriereentwicklung und Selbstmanagement, insbesondere im Hinblick auf Umgang mit Stress. Mit 17 Jahren Erfahrung im Personalwesen, darunter 13 Jahre als Personalleiterin einer internationalen Großkanzlei, hat sie sich auf die Beratung von Juristinnen und Juristen spezialisiert. Die Fragen stellte Sonja Theile-Ochel
Was geschieht im Körper und im Kopf, wenn wir unter Prüfungsangst leiden – und warum fühlen sich viele dabei wie „blockiert“?
Prüfungsangst beschreibt einen Zustand intensiver, anhaltender Furcht vor Prüfungen oder während der Vorbereitung, der oft unverhältnismäßig erscheint. Sie gleicht einer starken Stressreaktion auf eine vermeintlich bedrohliche Situation. Obwohl keine reale Gefahr besteht, bewertet das Gehirn die Prüfung als Bedrohung – etwa für den Selbstwert oder die Zukunft. Der Körper schaltet in den „Kampf-oder-Flucht-Modus“. Das Gehirn schränkt den Zugriff auf kognitive Ressourcen ein, da es sich auf Schutz und Reaktion konzentriert. Es priorisiert „Überleben“ vor „Denken“. Dadurch kann das Abrufen von Gelerntem blockiert werden. Diese Erfahrung verstärkt die Angst zusätzlich.
Welche Rolle spielt Prüfungs- oder Versagensangst im juristischen Berufsleben?
Die Angst zu versagen endet oft nicht mit dem Zweiten Examen. Viele Juristinnen und Juristen tragen sie ins Berufsleben, was den Druck und das Stressempfinden erhöht. Verstärkt wird dies durch das Gefühl, mit diesen Ängsten allein zu sein, und die Überzeugung, Schwäche verbergen zu müssen. Dadurch wird eine wichtige Ressource unterdrückt: der Austausch mit anderen. Denn offene Gespräche zeigen, dass viele ähnliche Ängste haben.
Was raten Sie Studierenden, die sich trotz intensiver Vorbereitung immer wieder selbst sabotieren?
Selbstsabotage ist zunächst ein Schutzmechanismus. Kurzfristig schützt sie vor unangenehmen Gefühlen: Wer nichts tut, kann nichts falsch machen. Wer nicht lernt, muss nicht merken, dass ihm das Lernen schwerfällt. Doch langfristig verstärkt dieses Verhalten die Probleme. Ich rate, die Ursachen der Angst zu ergründen. Nur wer weiß, wovor er sich fürchtet, kann gezielt Strategien entwickeln. Bei Prüfungsangst hilft es, das eigene Leistungsniveau realistisch einzuschätzen: Liegt die Angst am mangelnden Lernen oder an der Furcht vor einem Blackout? Gerade in juristischen Examina erschwert die Abhängigkeit von prüfenden Personen die Situation, da die Noten nur bedingt kontrollierbar sind.
Eine strategische, strukturierte Vorbereitung ist entscheidend: Motivation, Lernplan, Zeitmanagement, Gedächtnistechniken und das Üben von Prüfungssituationen helfen, sich an die „Gefahrensituation“ zu gewöhnen. Förderliche Denkmuster stärken Selbstvertrauen und Gelassenheit. Der Austausch mit anderen reduziert Scham und ungesunde Vergleiche. Selbstfürsorge ist essenziell: Batterien sollten aufgeladen werden, bevor sie leer sind. Und es braucht Zeiten, in denen Jura keine Rolle spielt – für Freude und Entspannung.
Viele Studierende empfinden es als Schwäche, sich Hilfe zu holen. Wann ist es sinnvoll, professionelle Unterstützung – etwa durch Coaching oder psychologische Beratung – in Anspruch zu nehmen?
Hilfe zu suchen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Es zeigt, dass man Verantwortung übernimmt und bereit ist, etwas zu verändern. Wer merkt, dass bewährte Strategien nicht mehr helfen oder chronische Stresssymptome wie Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme oder Grübeln auftreten, sollte Unterstützung in Betracht ziehen. Auch körperliche Beschwerden können ein Warnsignal sein. Coaching hilft, Lerntechniken zu verbessern, förderliche Denkmuster zu entwickeln und den Alltag selbstfürsorglich zu gestalten. Liegen die Ursachen tiefer – etwa bei schwerer Versagensangst oder geringem Selbstwertgefühl – kann psychologische Beratung oder Therapie notwendig sein. Sich der eigenen Verletzlichkeit zu stellen, erfordert Mut und Rückgrat. Es ist ein Zeichen von Stärke, sich selbst besser kennenzulernen und die Kraft für Veränderungen aufzubringen.