Tradition trifft Wandel

Foto: Fotolia/rangizz
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Verlage wollen auch in Zukunft drucken, TV-Firmen Filme produzieren. Aber eben nicht nur: Die Medienbranche macht sich fit für die Zukunft, indem sie ihre Kernkompetenzen ins digitale Zeitalter transferiert. Dabei sollen ihnen Manager helfen, die wirtschaftliches Know-how mit einem Sinn für Inhalte und Kreativität verknüpfen. Von André Boße

„Irgendwas mit Medien.“ Ein Klassiker. Man bekommt diese Antwort noch immer sehr häufig, wenn man frischgebackene Abiturienten nach ihrem Berufsziel fragt. Ist ja auch verlockend. Erstens, weil so ziemlich alle Menschen Medien nutzen: Eine Studie von ARD und ZDF zählt auf, dass der Deutsche im Jahr 2012 durchschnittlich pro Tag 242 Minuten fernsieht, 83 Minuten im Internet verbringt und 191 Minuten lang Radio hört. Macht pro Tag 8,6 Medienstunden. Zweitens, weil die Branche nicht nur für Kreativität steht, sondern auch für Stars und schillernde Karrieren. Zuletzt gab es aber auch Gegenwind. Insbesondere das Internet stellt Medienkonzerne auf die Probe: Die Online-Nutzer sind es gewohnt, Inhalte kostenlos angeboten zu bekommen. Stellt sich für die Unternehmen die Frage: Wie lässt sich mit Online- Inhalten Geld verdienen? Und wie kann es gelingen, neue Medien mit konventionellen Inhalten zu koppeln?

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Inhalte und Verbreitungsformen
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, benötigt die Medienbranche mehr denn je ökonomisches Know-how. „Gefragt sind Experten, die Inhalte und die verschiedenen Verbreitungsformen wie Abo, App und Online-Paper zusammen denken können“, sagt Klaus-Dieter Altmeppen, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Der Journalistik- Professor hat festgestellt, dass manche Medienhäuser gar nicht wissen, welches Potenzial in ihren Angeboten steckt. „Viele Unternehmen schauen zu sehr auf das Tagesgeschäft und erkennen daher den mehrfachen Wert ihrer Produkte nicht.“ Die beste Strategie, um die Potenziale zu nutzen? „Mut und Ausdauer“, sagt Altmeppen. Zwei Eigenschaften, die auch Einsteiger in das Medienmanagement mitbringen sollten. „Denn was die Branche für Nachwuchskräfte so spannend macht, sind einerseits die langfristigen Perspektiven und andererseits die Notwendigkeit, stete Veränderungsrhythmen zu durchlaufen“.

Wenn Nico Rose, Leiter Employer Branding beim Bertelsmann-Konzern, ein Stichwort nennen soll, das diese Veränderungsrhythmen prägt, muss der promovierte BWL-Absolvent der EBS Business School bei Wiesbaden nicht lange überlegen: „Digitalisierung.“ Seit dem Jahrtausendwechsel sei erlebbar, wie zunehmend mehr Inhalte von der analogen in die digitale Welt verlagert werden. „Die entsprechenden Erlösmodelle hierzu hat die Branche erst zum Teil gefunden – hier gibt es noch viel zu tun“, sagt Rose, zu dessen Arbeitgeber Bertelsmann unter anderem die RTL-Group und die Buchverlagsgruppe Random House gehören. Dabei hofft der Konzern auf neue Impulse von Nachwuchs- Wirtschaftswissenschaftlern: „Wer zusätzlich zu soliden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen Kreativität, Unternehmergeist sowie ein Händchen für digitale Geschäftsmodelle mitbringt, hat in der Branche gute Chancen.“

Starke Marken in neuen Kanälen
Strategisch setzen die meisten Medienunternehmen darauf, neue Medienkanäle zu nutzen, ohne die alten Stärken zu vergessen. „Wir möchten unsere Kernkompetenzen in die digitale Welt übertragen“, sagt Arne Wolter, Leiter des Bereichs digitale und internationale Vermarktung beim Hamburger Medienhaus Gruner + Jahr, das Zeitschriften wie Stern, Neon, Brigitte und Geo verlegt. Allesamt starke Marken, die individuell entscheiden dürfen, ob und welche digitalen Kanäle sie bespielen. Als Medienmanager am Puls der Zeit muss man in der Lage sein, sich in die Wünsche und Ansprüche der Leser und User hineinzuversetzen. „Medien werden für Menschen gemacht“, sagt Wolter, „und deren Mediennutzung hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt. Daraus ergeben sich neue Bedürfnisse, und es gilt, diese zu erkennen und – abhängig von der jeweiligen Medienmarke – mit den passenden Angeboten zu bedienen.

Vorteil für die Digital Natives
Neue Herausforderungen für Medienund Verlagsmanager ergeben sich aber nicht nur mit Blick auf die Konsumenten. Auch die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern hat sich gewandelt. „Werbekunden und Agenturen erwarten heute ganzheitliche Kommunikationslösungen, die verschiedene Werbeplattformen intelligent verknüpfen“, sagt Wolter. Daher müssen Medienmanager auch Medienkenner sein: „Man sollte die Funktionsmechanismen der verschiedenen Kanäle – also Print, Online und Mobile – kennen und wissen, wie Redaktionen arbeiten.“ Der klare Vorteil von Einsteigern gegenüber den alten Hasen im Mediengeschäft: Als Digital Natives sind sie mit den Möglichkeiten der digitalen Vernetzung aufgewachsen. „Daher haben sie in der Regel andere Denkmuster und verarbeiten Informationen ganz anders als Menschen, die erst im Erwachsenenalter mit den digitalen Medien in Berührung gekommen sind“, sagt Arne Wolter. Seine Prognose: „Die Digital Natives sind die Führungskräfte von morgen. Sie werden durch ihr Denken die zukünftige Ausrichtungen von Medien- und Verlagshäusern prägen.“

Gesucht: Nachwuchs für das Filmgeschäft
Die Aussichten für ambitionierte Einsteiger sind aber nicht nur in großen Verlagen gut. Auch die Film- und Fernsehbranche hält verstärkt Ausschau nach Managertypen, die ihr wirtschaftliches Know-how in die kreativen Prozesse einbringen. „Film und Fernsehen ist heute eine bedeutende Industrie, die selbstverständlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten handelt“, sagt Wolfgang Cimera, Geschäftsführer der Kölner Film- und TV-Firma Network Movie, die vor allem für das ZDF Prime-Time- Fernsehfilme oder Serien wie Soko Köln, Kommissar Stolberg oder Lutter produziert. Längst seien Wirtschaftswissenschaftler daher keine Exoten mehr im TV- und Filmgeschäft. Bestes Beispiel ist Cimera selbst: Der Geschäftsführer hat in Köln VWL studiert. „Aber auch als Herstellungs- oder Finanzleiter haben Absolventen gute Chancen“, sagt er.

Zwar werde in diesen Bereichen genauso hart kalkuliert wie in anderen Branchen, und doch benötigen Medienmanager ein gewisses Etwas: eine echte Leidenschaft für Filme und Geschichten, Texte und Design. Und diese Begeisterung sollte auch erkennbar sein – gerade im Kontakt mit den kreativen Köpfen. „In der Regel sind die Hierarchien in der Medienbranche flach“, sagt Wolfgang Cimera. „Es ist daher wichtig, zuzuhören und überzeugend aufzutreten.“ Das gelte besonders dann, wenn man im Geschäft auf ausgeprägte Individualisten trifft – was in den Medien häufiger vorkommt als in anderen Branchen. Wer in der Lage ist, das kreative Potenzial dieser, so Cimera, „wilden Geister“ für das Unternehmen nutzbar zu machen, der macht in den Medien nicht mehr nur irgendwas – sondern genau das Richtige.

Buchtipp: „Echt wahr!“

Studenten der Hamburg Media School kommen mit ihrem Buchprojekt „Echt wahr!“ der medialen Inszenierung der Wahrheit auf die Spur. In Interviews mit Medienschaffenden wie Stefan Aust, Jürgen Stryjak oder Katarzyna Mol-Wolf nähern sich die Autoren der Frage, wie viel Inszenierung die Wirklichkeit verträgt und was Medienmacher mitbringen müssen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Nicht nur ein spannendes und unterhaltsames Buch – sondern gerade für Wirtschaftswissenschaftler ein gewinnbringender Einblick in redaktionelle und journalistische Arbeitsprozesse.

Ulf Grüner und Karen Naundorf (Hrsg.): Echt wahr! Wie Journalisten Wirklichkeit erzählen. Books On Demand 2012. ISBN 978-3844816495. 16,90 Euro