Interview mit Michael Heinz, BASF-Vorstand

Michael Heinz, Foto: BASF SE
Michael Heinz, Foto: BASF SE

Michael Heinz ist seit 31 Jahren für die BASF tätig. Seit 2011 sitzt er im Vorstand des Chemiekonzerns. Im Interview mit André Boße erklärt er, wie es für ihn im Unternehmen nach oben ging, und warum er sich von der jüngeren Generation etwas mehr Verbindlichkeit wünscht.

Zur Person

Michael Heinz wurde 1964 in Mannheim geboren. Von 1984 bis 1987 absolvierte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann und Wirtschaftsassistenten an der FH Ludwigshafen. Im Jahr 2000 schloss er ein MBA-Studium an der Duke University, North Carolina, USA ab. Bei der BASF ist er seit 1984 tätig, dabei absolvierte er internationale Stationen in den USA, Mexiko, Ecuador und der Schweiz. Seit 2011 sitzt er im Vorstand des Konzerns und ist dort unter anderem für das Segment Performance Products zuständig.

Herr Heinz, viele Nachwuchskräfte träumen davon, es bis in den Vorstand eines Konzerns zu schaffen. Was genau ein Vorstand eigentlich macht, davon haben aber die wenigsten eine genaue Vorstellung. Wie sieht Ihr Jobprofil aus?
Ganz einfach gesagt: Als Vorstand muss man eine Vielzahl von Entscheidungen so treffen, dass das Unternehmen langfristig erfolgreich ist. Dafür muss man alle verfügbaren Informationen sammeln, bewerten und abwägen. Wir im Vorstand verstehen diese Aufgabe als Teamarbeit. Wer also meint, er könne ein Unternehmen dieser Größe im Alleingang steuern, befindet sich auf dem Holzweg.

Und der typische Arbeitsalltag?
Ist wahrscheinlich weniger spektakulär, als mancher Berufseinsteiger glaubt: E-Mails schreiben, Dokumente lesen, telefonieren und viele Besprechungen. Dafür ist meine Aufgabe inhaltlich sehr abwechslungsreich und umfasst verschiedenste Themen. Regelmäßig bin ich im In- und Ausland unterwegs, um Mitarbeiter und vor allem Kunden zu treffen. Denn persönlich Kontakt zu Kunden zu halten, ist Teil der Aufgabe.

Bei Chemie-Konzernen ist oft nicht ganz einfach zu erkennen, welche Bereiche es gibt. Sie sind für das Segment der „Performance Products“ verantwortlich. Können Sie Ihren Vorstandsbereich genauer erläutern?
BASF hat ein breites Portfolio, das von Chemikalien und Kunststoffen über Veredelungsprodukte und Pflanzenschutzmittel bis hin zu Öl und Gas reicht. Ich verantworte den Bereich der Veredelungsprodukte. Wir nennen sie Performance Products, weil sie viele Produkte des alltäglichen Lebens verbessern, beispielsweise die Stabilität oder Farbe. Zu den Performance Products gehören Inhaltsstoffe für Pharmazeutika, Körperpflege und Kosmetik sowie für Hygieneartikel und Waschmittel, aber auch Vitamine, Farbpigmente, Kraftstoffzusätze oder auch Papierchemikalien. Weil sie in so vielen Endprodukten enthalten sind, kommen die meisten Menschen mehrmals am Tag mit unseren Erzeugnissen in Berührung, ohne sie direkt wahrzunehmen.

Sie sind seit Mitte der 1980er-Jahre bei BASF an Bord. Was haben Sie damals unter Karriere verstanden?
Ich bin jedenfalls nicht mit dem Ziel angetreten, Vorstand zu werden. Aber sicherlich hatte ich von Anfang an den sportlichen Ehrgeiz, meine Aufgaben zu 125 Prozent zu erledigen. Das sollte man jedoch nicht gleichsetzen mit 25 Prozent mehr Arbeitszeit, sondern mit der Begeisterung für das, was man tut. Das hat dazu geführt, dass man mir immer wieder neue Aufgaben anvertraut hat. Ich war in Südamerika, später dann für Pflanzenschutz zuständig, danach habe ich die Integration akquirierter Unternehmen geleitet. Ich habe mich dabei immer voll auf die aktuelle Aufgabe konzentriert und weniger darüber nachgedacht, welcher Karriereschritt als nächstes folgen könnte. Im Übrigen: Ich denke, dass jeder genau dann in einem Unternehmen Karriere gemacht hat, wenn er das erreicht hat, was er gerne erreichen möchte. Das sollte man weniger an Hierarchien und Positionen, sondern an der inhaltlichen Arbeit festmachen.

Sie sind von Haus aus Ökonom und Kaufmann. Wie hat sich Ihr Chemie- Know-how im Laufe der Jahre entwickelt? Müssen Sie ein so guter Chemiker wie Manager sein?
Wir haben so viele exzellente Chemiker, dass ich guten Gewissens sagen kann, dass es im Unternehmen viele Menschen gibt, die weit mehr über Chemie wissen als ich. Heute machen Vielseitigkeit und ein gutes Team den Unterschied. Es geht nicht mehr primär um chemische Prozesse, sondern auch um Verfahrenstechnik, Energiemanagement, Logistik und nicht zuletzt darum, Erfindungen in Innovationen umzuwandeln. Das geht nur mit einem ganzheitlichen Ansatz sowie mit neuen Geschäftsmodellen. Um damit erfolgreich zu sein, müssen wir immer stärker interdisziplinär arbeiten. Auch hier zählt für mich wieder die Zusammenarbeit im Team, denn niemand kann in allen Disziplinen gleichzeitig auf Ballhöhe sein.

Der Konzern ist groß und von Vielfalt geprägt. Wie wichtig ist diese Diversity für einen international agierenden Konzern?
Vielfalt ist für uns schon deshalb wichtig, damit wir auf die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Kunden und Märkte eingehen können. Ein hohes Maß an Vielfalt von fachlichen und kulturellen Kompetenzen unserer Mitarbeiter ist deshalb einer der wichtigen Schlüssel für unternehmerischen Erfolg.

Die Chemie-Branche steckt wie viele andere der großen deutschen Branchen in einem Umbruch. Vor welchen besonderen unternehmerischen Herausforderungen stehen Sie?
Wir stehen weltweit in einem sehr harten Wettbewerb. Trotzdem ist die Chemie eine der wenigen Branchen, in denen Deutschland Weltmarktführer ist. Damit das so bleibt, müssen wir darauf achten, dass die Rahmenbedingungen für unsere Industrie nicht permanent schlechter werden. Ein Punkt sind hier die hohen Energiekosten, insbesondere in Deutschland. Eine weitere Herausforderung ist die oft technologie- und innovationsskeptische Grundhaltung großer Teile der Bevölkerung in diesem Land. Wir müssen aufpassen, dass wir uns in Europa nicht bei Zukunftstechnologien Chancen verbauen. Beispiele sind hier die Nanotechnologie oder auch die Biotechnologie.

Welche Eigenschaften von Nachwuchskräften sind heute besonders wichtig?
Eine fundierte Ausbildung und Leistungsbereitschaft sind sicherlich die Basis. Zusätzliche Schlüsselqualifikationen sind meiner Ansicht nach Kreativität, Offenheit, Kommunikationsfähigkeit, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sowie die Flexibilität, international und interdisziplinär eingesetzt zu werden. Nur wer sich während seines Berufslebens aus seiner Komfortzone herausbewegt und Veränderungen offen gegenübersteht, ist für die Zukunft gewappnet.

Wie erleben Sie die junge Generation, die derzeit bei Ihnen im Konzern einsteigt? Wo sehen Sie besondere Stärken, wo Defizite?
Die heutigen Jobeinsteiger haben häufig gute Fremdsprachenkenntnisse, sind selbstbewusst und stehen mit beiden Beinen im Leben. Zu den Schwächen der jüngeren Generation gehört sicherlich ein gewisses Maß an Ungeduld. Anders gesagt: Die großen Wahlmöglichkeiten bei vielen Aspekten des Berufslebens gehen oft zu Lasten einer langfristigen Verbindlichkeit für das Unternehmen, für das man tätig ist.

Zum Unternehmen

Die BASF (Badische Anilin- und Sodafabrik) wurde vor 150 Jahren in Mannheim gegründet. Heute hat das Unternehmen weltweit 350 Standorte in 80 Ländern und beschäftigt rund 113.000 Mitarbeiter. Nach wie vor ist das Stammwerk in Ludwigshafen der wichtigste Standort für Produktion und Forschung, wo Menschen aus mehr als 90 verschiedenen Nationen tätig sind. Das Portfolio des Konzerns reicht von Chemikalien, Kunststoffen, Veredlungsprodukten und Pflanzenschutzmitteln bis hin zu Öl und Gas.