Viel mehr als Mietverträge und schmutzige Stiefel

Der Immobilienrechtler

Foto: Fotolia/ Tom-Hanisch
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Immobilien sind so vielfältig wie die Menschen, die darin leben und arbeiten. Entsprechend breit gefächert ist das Berufsbild des Immobilienrechtlers. Diejenigen, die meinen, dabei ginge es nur um Mietverträge und schmutzige Stiefel auf Baustellen, täuschen sich gründlich. Von Dr. Michael Alberts, Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, Düsseldorf

Es ist keinesfalls übertrieben zu sagen, dass Immobilien für das Leben insgesamt von grundlegender Bedeutung sind: Sie werden zum Wohnen oder zum Arbeiten gebraucht, als Logistikzentren oder als Kraftwerke und für viele andere Zwecke. Weil Immobilien derart wichtig sind, sind sie auch wertvoll. Das gilt nicht nur für Großimmobilien wie Einkaufszentren oder Bürohochhäuser, sondern letztlich für jede Immobilie. Wenn man persönlich eine Eigentumswohnung oder ein Haus kauft, ist das in aller Regel die mit Abstand größte Investition, die man als Privatperson im Leben tätigt. Daher ist auch diese Transaktion zumindest subjektiv von größter Relevanz. Die Konsequenz ist, dass sämtliche Rechtsfragen im Zusammenhang mit Immobilien ebenfalls sehr wichtig sind. Es ist daher durchaus angemessen, dass inzwischen einige Universitäten Post-Graduate-Studiengänge für Immobilienrecht (Real Estate) anbieten.

Ein Blick in die Lehrpläne solcher Studiengänge zeigt, wie vielfältig das Immobilienrecht ist. Dabei ist es durchaus passend, hier an erster Stelle das Mietrecht zu nennen. Es gibt viele Laien und sogar auch Juristen, die dem Mietrecht eine allenfalls zweitklassige Bedeutung beimessen. Diejenigen, die so denken, sind keine Immobilien-Fachleute. Mietverträge sind die wirtschaftliche Essenz und damit das Rückgrat jeder Immobilie. Sie sind die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg des Eigentümers ebenso wie die Grundlage jeder Immobilienfinanzierung. Deshalb ist auch die Prüfung der maßgeblichen Mietverträge ein Kernthema jeder Immobilien-Due-Diligence. Wer einmal gelernt hat, welch hochkomplexe Fragestellungen sich beispielsweise aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Schriftform von Mietverträgen ergeben, wird mietrechtliche Fragen und die damit verbundenen Konsequenzen nicht mehr als unwichtig abtun. An juristisch schlecht behandelten mietrechtlichen Problemen sind durchaus schon Großtransaktionen gescheitert.

Immobilienrecht ist aber noch viel mehr als nur Mietrecht. Immobilienrecht ist beispielsweise auch Gesellschaftsrecht. Dieses kann einem begegnen bei der Strukturierung von Gesellschaften, die Immobilien halten oder transferieren sollen, oder bei Gesellschaften, die sich mit Immobilienmanagement beschäftigen. Immobilienrecht besteht auch aus besonderen Bereichen wie dem Planungsrecht oder dem Vergaberecht. Hierzulande darf richtigerweise keine Immobilie ohne Baugenehmigung errichtet werden. Das kann im Detail sehr schwierig sein. Versuchen Sie beispielsweise einmal, eine Baugenehmigung für Spezialimmobilien wie ein Factory Outlet „auf der grünen Wiese“ zu bekommen. Und dass große Immobilienprojekte mitunter massive vergaberechtliche Implikationen haben, kann man unschwer aus den Berichterstattungen beispielsweise über den neuen Berliner Flughafen ablesen. Auch die Bautätigkeit selbst ist durch rechtlichen Beratungsbedarf gekennzeichnet. Beim Besuch einer Baustelle können dem Juristen dann tatsächlich manchmal ein paar gute Stiefel nützlich sein.

Eine weitere wichtige Facette von Immobilienprojekten sind deren Finanzierungen. Bei großen Projekten sind in der Regel schon die „normalen“ Darlehensverträge ein anspruchsvolles Regelwerk. Sie folgen heutzutage häufig Strukturen, wie sie von der Londoner Loan Market Association (LMA) entwickelt worden sind, oder inzwischen hierzulande zunehmend Maßstäben, die der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) entwickelt hat. Darüber hinaus werden Immobilien häufig in Fond-Strukturen eingebracht, die ihrerseits ein nennenswertes juristisches Beratungsfeld darstellen. Schließlich kommt der Immobilienrechtler auch noch mit ganz anderen Bereichen des Wirtschaftsrechts in Berührung, die man auf Anhieb überhaupt nicht mit dem Immobilienrecht in Verbindung bringen würde: Beim Betrieb insbesondere von gewerblichen Immobilien gibt es regelmäßig Berührungspunkte mit dem Wettbewerbsrecht, mitunter sogar auch mit dem Kartellrecht. Und natürlich ist es auch denkbar, dass der Eigentümer oder der Manager von Immobilien Beratungsbedarf im Arbeitsrecht hat. Im Grunde kann man sagen, dass das Immobilienrecht je nach Konstellation die gesamte Bandbreite des Wirtschaftsrechts abdeckt.

Natürlich gibt es auch M&A-Transaktionen mit Immobilienbezug, nämlich dann, wenn Immobilienprojekte durch Übertragung von Gesellschaftsrechtsanteilen veräußert werden. Und selbstverständlich hat das Immobilienrecht auch starke internationale Bezüge. Große Immobilien-Player, wie internationale Investoren, Entwickler oder die diese finanzierenden Banken, agieren weltweit. Es ist durchaus keine Seltenheit, dass beispielsweise amerikanische Pensionskassen in europäische Immobilien investieren. Dass gerade bei grenzüberschreitenden Strukturen auch das internationale Steuerrecht eine nennenswerte Rolle spielt, bedarf kaum der Erwähnung.

Kurz zusammengefasst kann man sagen: Immobilienrecht kann überaus spannend sein, und es ist viel, viel mehr als Mietverträge und schmutzige Stiefel. Trotzdem, und das ist auch schön, bleibt das Immobilienrecht immer auch etwas Konkretes und Bodenständiges. Der Immobilienrechtler kann jede Immobilie, die er juristisch begleitet, besichtigen, betreten und anfassen. Diejenigen, die sich als Juristen mit dem Thema Immobilien beschäftigen, haben in aller Regel auch Spaß daran zu sehen, wie sich die Objekte, um die sie sich kümmern, in der Praxis entwickeln und bewähren.

Masterstudiengänge Immobilien/Real Estate

  • Betriebswirtschaft (Bau und Immobilien), Hochschule Biberach
  • Real Estate (MSc), EBS Business School, Oestrich-Winkel
  • Immobilienmanagement (MSc), EIPOS GmbH, Dresden/Shanghai
  • Facility Management (MSc), Fernstudium
  • Real Estate Management (MBA), HTW Berlin
  • Real Estate Management + Construction Project Management (MSc), Bergische Universität Wuppertal/University of Aberdeen, Wuppertal
  • Real Estate Law (LL.M), Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Quelle: www.postgraduate.de