Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit

Zukunft Nachhaltigkeit, Foto: AdobeStock/j-mel
Foto: AdobeStock/j-mel

Jule Bosch ist Zukunftsforscherin, ihr Mann Lukas Y. Bosch arbeitet als Unternehmensberater, Coach und Speaker. Gemeinsam haben sie zuerst das Startup HOLYCRAB! gegründet und kürzlich ihr erstes Buch veröffentlicht: Für „ÖKOnomie“ haben sie erfolgreiche Unternehmensaktivist*innen weltweit interviewt und analysiert. In ihrem Gastartikel schildern sie, wie Unternehmen schon heute ökonomisches und ökologisches Wachstum verbinden, welche Denkweisen dem zugrunde liegen und welche Erfolgsstrategien sich Berufseinsteiger*innen davon abschauen können.

Jule Bosch, Lukas Y. Bosch, Foto: Abbi Wensyel
Jule Bosch, Lukas Y. Bosch, Foto: Abbi Wensyel

Für den Berufseinstieg ist 2021 das wohl gleichzeitig entmutigendste und vielversprechendste Jahr aller Zeiten. In vielen Unternehmen herrschen Kurzarbeit, Einstellungsstops und Insolvenzängste. Gleichzeitig hat die digitale Vernetzung einen derartigen Push bekommen, dass ein Job theoretisch von so gut wie jedem Land auf der Welt ausgeübt werden kann. Im Zuge der Corona-Krise wird die globale Wirtschaft allerdings kräftig durchgeschüttelt – mit unbekanntem Ausgang. Doch es steht eine noch viel größere Frage im Raum. Eine, deren Beantwortung in einem sehr viel größeren Maße als Corona darüber bestimmt, wie unsere Zukunft aussehen wird. Nämlich: Wie werden Unternehmen, Politik und Individuen gemeinsam die Klima- und Umweltkrise bewältigen? Und natürlich auch die Frage danach, ob sie es schaffen. Und wenn ja, ob es schnell genug passieren wird. Es scheint, als stünde hinter jedem Problem eigentlich ein weiteres, das noch größer und noch komplexer ist. Und bei dem wir noch viel weniger wissen, wie wir damit eigentlich klarkommen sollen. Das ist jetzt erstmal ein denkbar deprimierender Rahmen für die Planung des eigenen Lebenswegs. Was ist überhaupt wirklich planbar? Ganz ehrlich? So gut wie nichts! Aber das war eigentlich schon immer so. Hätten wir Jeff Bezos an seinem letzten Tag an der Uni gefragt, was er wohl in den nächsten 20 bis 30 Jahren machen würde, hätte er wahrscheinlich nie geahnt, dass er eines Tages den Handel revolutioniert haben wird. Doch keine Planbarkeit heißt noch lange nicht, dass es keinen Gestaltungsspielraum gibt. Ganz im Gegenteil.

In der Transformationsforschung geht man davon aus, dass jede Unsicherheit, jedes Chaos bedeutet, dass alte Regeln ad acta gelegt werden und neue sich etablieren. Der Berufseinstieg im Jahr 2021 fällt also in eine Zeit, in der genau diese neuen Regeln geschrieben werden. Die Berufseinsteiger*innen von heute sind die Gesellschafts- und Unternehmensgestalter*innen von morgen. Und zwar wirklich gleich morgen. Oder nächste Woche – kurz: ab dem ersten Arbeitstag. Gerade jetzt entsteht das Grundgerüst einer neuen Wirtschaftsordnung. Jede*r von uns ist ein Teil davon, kann Verantwortung übernehmen, Regeln mitschreiben und Zukunft machen.

Wer die Weichen der beruflichen Zukunft in diesem Sinne bewusst stellen möchte, kann sich folgende Frage stellen: Welche Wirtschaftszweige und potenziellen Arbeitgeber sind langfristig zukunftsfähig? Mit welchen Ideen lohnt es sich, mit einem eigenen Start-up unternehmerisch tätig zu werden? Im Rahmen der Interviews für unser neues Buch “ÖKOnomie – So retten führende Unternehmensaktivist*innen unsere Zukunft” haben wir unter anderem mit Jürg Knoll, Gründer des Lebensmittelunternehmens followfood, über seine Vision für die Wirtschaft gesprochen. Jürg ist überzeugt: „In 20 Jahren wird keiner mehr Produkte kaufen, die unseren Planeten und damit unsere Lebensgrundlage zerstören.“ Die Herleitung dieser Aussage ist simpel: immer mehr Kund*innen hinterfragen die durch sie konsumierten Produkte. Da Menschen nicht gerne verzichten, entsteht ein wachsendes Angebot an nachhaltige(re)n Produkten, was durch Skaleneffekte zwangsläufig dazu führt, dass diese für mehr und mehr Kund*innen immer erschwinglicher und so zum Mainstream, zum „New Normal“ werden.

Nicht zuletzt werden Mitarbeiter*innen immer stärker darauf hinwirken, Unternehmen anhand von öko-sozialen Maßstäben neu aufzustellen. Oder sie kündigen.

Laurin Hahn, Gründer von Sono Motors, berichtete uns, dass ihr mit Sonnenenergie betriebenes Auto schon für knapp 25 500 Euro zu haben sein wird. Andererseits werden politische Rahmenbedingungen diese Entwicklungen weiter vorantreiben. Nicht zuletzt werden Mitarbeiter*innen immer stärker darauf hinwirken, Unternehmen anhand von öko-sozialen Maßstäben neu aufzustellen. Oder sie kündigen.

All das bedeutet im Kern, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sich nicht (mehr) ausschließen. Nachhaltigkeit und Karriere auch nicht. Die Entscheidung darüber, ob jemand lieber Geld verdienen oder etwas Gutes bewirken will, stellt sich immer weniger – ganz im Gegenteil: Beides geht Hand in Hand. In 20 Jahren wird niemand mehr in einem Job arbeiten, der in seiner Konsequenz unsere Lebensgrundlagen zerstört. Und zwar nicht, weil man das nicht möchte, sondern weil es diese Jobs und diese Unternehmen dann einfach nicht mehr gibt. Die Frage, die sich daraus für Absolvent*innen ergibt, ist, ob ihr Karriereeinstieg in einem schon heute planetar positiv wirtschaftenden Unternehmen sein wird, das echte Probleme löst, anstatt neue zu erschaffen. Nur Unternehmen, die gerade dabei sind, sich anhand von Nachhaltigkeitsaspekten zu transformieren, können potenziellen Mitarbeiter*innen langfristige Perspektiven bieten, wohingegen solche, die die Nachhaltigkeits- Transformation verschlafen wohl eher schlechte Kandidaten für die planbare Zukunft ihrer Mitarbeiter*innen darstellen.

Wenn man so über den Berufseinstieg nachdenkt, wird klar: Das Beste für eure Karriere ist, schon heute Wissen zu erlangen, Kompetenzen aufzubauen und Netzwerke in Umfeldern zu knüpfen, die für die Zukunft mitdenken. Auch wenn wir manchmal vom Gefühl der Unsicherheit über die Zukunft überwältigt werden: Unser Einfluss ist größer, als wir denken. Wir treffen jeden Tag unzählige konkrete Entscheidungen über die Zukunft – durch die Produkte, die wir (nicht) kaufen, die Politiker*innen, die wir wählen und nicht zuletzt eben auch die Unternehmen, die wir gründen. Oder für die wir arbeiten.

Cover ÖkonomieJule und Lukas Bosch: ÖKOnomie. So retten führende Unternehmensaktivist* innen unsere Zukunft: Erfolgsstrategien aus der Praxis. Campus 2021. 34.95 Euro (inklusive E-Book!)