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StartRecht„Legal Design: Nicht nur eine juristisch korrekte Lösung“

„Legal Design: Nicht nur eine juristisch korrekte Lösung“

Einhergehend mit der Digitalisierung ist nicht nur Legal Tech ein Trend, dem sich die Rechtsbranche derzeit zu stellen hat. Mit dem digitalen Wandel gehen auch neue Methoden einher, Fragestellungen neu anzugehen und nachhaltigere Lösungen zu finden. Dazu gehört Legal Design. Was darunter zu verstehen ist, erklärt Astrid Kohlmeier im Interview. Von Christoph Berger

Zur Person

Astrid Kohlmeier, Foto: Frank Eidel
Astrid Kohlmeier, Foto: Frank Eidel

Astrid Kohlmeier verbindet die Themen Recht und Design bereits seit fast zwei Jahrzehnten und berät heute Kanzleien, Rechtsabteilungen und Legal Tech Firmen im Bereich Innovation mit Fokus auf die agile Methode Legal Design. Sie begann ihre Karriere in Werbeagenturen, war danach ein Jahr im juristischen Fach verlag Jehle-Rehm tätig, bevor sie Anwältin im Bereich Urheberrecht wurde. Von dort wechselte sie ins Topmanagementteam des Unternehmens Legial AG, einer Tochtergesellschaft der ERGO Versicherungsgruppe mit Spezialisierung auf Prozessfinanzierung. Sie baute die Firma über zehn Jahre in der Funktion der Marketing Direktorin mit auf. Während dieser Zeit absolvierte sie auch eine Zusatzausbildung zur Mediadesignerin und entwickelte mit „Legal Image“ eines der ersten Legal Tech-/Anwaltsportale Deutschlands. Weitere Infos unter:

http://astridkohlmeier.de

Frau Kohlmeier, die Methode Design Thinking wird beispielsweise in der IT- und Consulting-Branche genutzt, um Innovationen zu entwickeln. Verbirgt sich das auch hinter dem Begriff „Legal Design“?
Ja. Grob definiert, versteht man darunter die Übertragung der Design Thinking- Methode auf die Herausforderungen, die sich gerade im Rechtsmarkt stellen, auf den Rechtsbereich beziehungsweise die Rechtsprozesse.

Welche Herausforderungen meinen Sie?
Erstens stehen Kanzleien und Rechtsabteilungen unter einem immer stärker werdenden Veränderungs- und Kostendruck. Zweitens ist das die Digitalisierung: Es findet eine Disruption von Rechtsdienstleistungen statt. Und drittens ist da die sich rasant verändernde Erwartungshaltung der Nutzer oder Mandanten.

Wie hilft da Legal Design?
Juristen versuchen in der Regel, zügig das jeweilige Problem zu erfassen und dafür eine am Gesetz orientierte Lösung zu finden – sie suchen also den schnellsten Weg von A nach B. Allerdings ist diese Herangehensweise bei der Suche nach Lösungen sehr einseitig. Zum Vergleich: Für mich als Designerin sind Aufgabenstellungen erst einmal nur Annahmen. Design Thinking heißt dabei in erster Linie, nicht sofort für ein aufgeworfenes Problem isoliert eine Lösung zu suchen, sondern das Gesamtbild anzuschauen. Dazu gehört, alle relevanten Prozesse und vor allem Personen einzubeziehen. Somit gilt für mich am Projektstart, folgende Fragen zu beantworten: Wer sind die beteiligten Stakeholder? In welchem Kontext steht die Aufgabenstellung? In welchem Ökosystem findet das Problem statt? Welche Prozesse spielen eine Rolle? Wer hat welches Interesse und welchen Beitrag an der Prozesskette? Das ist eine tiefere Auseinandersetzung mit der jeweiligen Fragestellung, weil ich unterschiedlichste Blickwinkel einnehme, um so die beste Lösung zu finden.

Haben Sie ein Beispiel parat?
Stellen Sie sich vor, eine Rechtsabteilung wünscht die Digitalisierung von Verträgen, um Risiken besser dokumentieren zu können. Mit Design Thinking wird nicht sofort eine Lösung für dieses Problem gesucht – zum Beispiel ein Legal Tech-Tool eingekauft, sondern zunächst die Gesamtsituation analysiert: Wer ist alles an der Entstehung des Vertrages beteiligt? Wer sind die einzelnen Stakeholder? Wer hat dabei welches Interesse und welchen Beitrag an dem Vertragsschluss? So dient ein Vertrag in der Regel nicht nur dazu, Risiken zu minimieren, sondern auch dazu, ein für die Vertragsparteien positives Ergebnis zu dokumentieren, zum Beispiel den Abschluss eines Deals. Auch die dabei eingesetzten analogen und technischen Tools und Interaktionen werden mit verschiedenen Techniken untersucht, beispielsweise mit intensiven Interviews der beteiligten Stakeholder. Mit den gewonnenen Erkenntnissen lässt sich schließlich die Aufgabenstellung neu betrachten. So dient die Digitalisierung der Verträge etwa nicht nur dem ursprünglich genannten Zweck der Risikodokumentation , sondern auch anderen Zwecken, zum Beispiel einer Optimierung der vorhandenen Prozesse und der Vereinfachung von Daten.

Das klingt nach einem Kulturwandel bei der Arbeit von Kanzleien und Rechtsabteilungen?
Darauf läuft es hinaus. Zunächst muss aber die mentale Bereitschaft der Entscheider in Rechtsabteilungen und Kanzleien vorhanden sein, für Innovationen und Verbesserungen in Bezug auf die eigenen Prozesse Zeit, Raum und auch finanzielle Mittel bereitzustellen – denn die Investition in die eigene Effizienz und in Innovationen standen bisher eher nicht im Vordergrund. Und: Juristen sollten sich nicht ausschließlich auf die juristisch korrekte Lösung eines Problems fokussieren, sondern sich auch überlegen: Sind meine Texte und Verträge, die ich verfasse, verständlich und visuell so gefasst, dass sie leicht aufgenommen werden können? Wie sehen die internen Strukturen bei Mandanten aus? Wie kann ich als Jurist dazu betragen, Abläufe zu vereinfachen und nicht zusätzlich zu verkomplizieren? Oder, zusammengefasst: Der Mandant muss in den Mittelpunkt aller Maßnahmen gesetzt werden, für diesen sollte ein echter Mehrwert und nicht nur eine juristisch korrekte Lösung erbracht werden.

Das Liquid Legal Institut

Neben ihrer Tätigkeit als Beraterin hat Astrid Kohlmeier 2018 den nicht kommerziellen Verein „Liquid Legal Institute e.V.“ mitgegründet. Hinter dem Institut steckt die Idee, einen globalen Think Tank für neues Denken im Recht zu schaffen. Ein wichtiges Projekt des Liquid Legal Instituts ist z.B. die Förderung der Entwicklung einer sogenannten Common Legal Plattform. Darunter wird eine Open- Source-Plattform verstanden, auf deren Basis gemeinsam und interdisziplinär Standards entwickelt werden können, zum Beispiel für Vertrags-Klauseln aber auch technische Anforderungen, die dann übergreifend (open source) verwendet werden sollen. Weitere Infos unter:

https://liquid-legal-institute.com

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