EuGH gestaltet Urlaubsrecht

Foto: Fotolia/pureshot
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Urlaub ist für viele Menschen die schönste Zeit des Jahres – für Arbeitsrechtler ein Teil ihres Tätigkeitsgebiets. Bei der Beratung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern müssen sie Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Blick haben. Dessen Rechtsprechung führte zuletzt im November 2018 zu Änderungen im deutschen Urlaubsrecht. Von Karsten Kujath, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Assoziierter Partner bei GvW Graf von Westphalen Rechtsanwälte, Frankfurt am Main

Seit Jahren prägt der EuGH das Urlaubsrecht mit EU-weiter Wirkung. Beispielsweise entschied das Gericht Ende 2011, dass ein Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch grundsätzlich nicht verliert, wenn er den Urlaub wegen seiner Erkrankung nicht rechtzeitig nehmen konnte. Am 6. November 2018 stärkte der EuGH nun erneut den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub beziehungsweise auf Urlaubsabgeltung, wenn das Arbeitsverhältnis geendet hat. Ein solcher Anspruch verfällt nun nicht mehr automatisch, nur weil der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig Urlaub beantragt hat. Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht, kurz BAG, am 19. Februar 2019 erwartungsgemäß angeschlossen.

Der Fall: Ein privater Arbeitgeber bat seinen befristet beschäftigten Mitarbeiter, seinen restlichen Urlaub zu nehmen, legte dabei aber keine konkreten Urlaubszeiten fest. Der Arbeitnehmer folgte dem nicht. Nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen verlangte er Urlaubsabgeltung für die nicht genommenen Urlaubstage. Nach der bisherigen Rechtsprechung hätte der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch am Ende des Urlaubsjahres beziehungsweise eines Übertragungszeitraums verloren, weil er nicht rechtzeitig Urlaub beantragt hatte. Das BAG legte dem EuGH Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vor. Die Luxemburger Richter entschieden:

  1. Ein Arbeitgeber muss seinen Arbeitnehmer nicht dazu zwingen, Urlaub zu nehmen. Er muss also nicht einseitig Urlaubszeiten festlegen.
  2. Der Anspruch auf bezahlten Urlaub kann jedoch nicht durch bloßen Zeitablauf erlöschen. Der Urlaubsanspruch kann nur verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in die Lage versetzt hat, den Jahresurlaub vollständig aufzubrauchen. Erforderlichenfalls muss er den Mitarbeiter förmlich und in verständlicher Weise dazu auffordern, den restlichen Urlaub zu nehmen. Er muss ihn klar und rechtzeitig darüber informieren, dass der Urlaub ansonsten am Ende des Kalenderjahres beziehungsweise eines Übertragungszeitraums verfallen wird.

Für die Praxis daher folgender Hinweis: Arbeitgeber sollten darauf achten, dass die Arbeitnehmer ihren Jahresurlaub nehmen. Soweit das nicht erfolgt, laufen sie ab sofort Gefahr, Resturlaub nachgewähren oder bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Urlaubsabgeltung zahlen zu müssen. Diesem wirtschaftlichen und rechtlichen Risiko können Arbeitgeber begegnen, indem sie die betrieblichen Abläufe zum Urlaub an die neue Rechtsprechung anpassen. Denkbar sind beispielsweise eine Ergänzung der Arbeitsverträge, ein durchdachtes Urlaubsmanagement sowie klare und konkrete Hinweise an die Mitarbeiter auf das mögliche Erlöschen von Urlaubsansprüchen. Unternehmen erwarten hierzu eine praxisnahe Beratung.