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Datenschutz, Patente, Produkthaftung – wie sich das Wirtschaftsrecht verändert

Im weiten Feld des Wirtschaftsrechts tut sich was. Megatrends wie die Digitalisierung und die Globalisierung führen dazu, dass bisher weniger bekannte Rechtsbereiche hohe Nachfrage erfahren. Ob Datenschutz-, Patent- oder Produkthaftungsrecht: Die Zeit verlangt nach neuen Experten. Gefragt sind Juristen mit Begeisterung für IT und Technik. Von André Boße

Datenschutzrecht: Das Thema der Zukunft

Mitte der 1980er-Jahre erhitzte das Thema Datenschutz kurz die deutschen Gemüter. Die Bundesrepublik hatte eine Volkszählung angeordnet – und die Bürger gingen auf die Straße. Man befürchtete den Missbrauch der privaten Daten, der Protest war stürmisch, sogar das Bundesverfassungsgericht beschäftigte sich mit dem Thema, gezählt wurde 1987 dennoch.

Man könnte denken, dass Deutschland mit diesen Demonstrationen seinen Sinn für das Datenschutzrecht geschärft hätte – doch das Gegenteil war der Fall. „Nach dem Hype um das Volkszählungsurteil 1984 war der Datenschutz erst einmal in der Exotenecke verschwunden“, sagt Martin Schweinoch, Partner und Fachanwalt für IT-Recht in der Wirtschaftskanzlei SKW Schwarz. Doch das ändert sich nun rasant: „Für die Digitalisierung ist der Datenschutz ein zentrales Thema“, so Martin Schweinoch. „Entwicklungen wie das Internet der Dinge oder die Industrie 4.0 können Unternehmen ohne datenschutzgerechte Gestaltung gar nicht umsetzen.“

Dadurch steigt der Bedarf an anwaltlicher Beratung. „Datenschutzrecht ist im Anwaltsmarkt noch vergleichsweise wenig vertreten, noch nicht einmal ein Prozent der deutschen Anwälte sind Fachanwälte für IT- Recht“, sagt Martin Schweinoch. Verständlich also, dass gut ausgebildeter Nachwuchs beste Chancen hat. Beim Karrierestart kommt es jedoch nicht alleine auf Rechtskenntnisse an. „Im Datenschutzrecht ist es wichtig, Spaß daran zu haben, die technischen Hintergründe von Themen zu verstehen.

Perspektive Inhouse-Karriere

Mit Felix Wittern und Johannes Junker haben zwei Experten des Top-Themas einige Jahre lang als Inhouse-Juristen gearbeitet. „Die Erfahrungen nützen mir in meiner heutigen Arbeit in der Kanzlei“, sagt der Produktsicherheitsexperte Johannes Junker. Er versteht die für Unternehmen typischen Abläufe, kann die Ziele besser einschätzen. Wichtig sei jedoch, als Inhouse-Jurist seine Karriereziele nicht aus den Augen zu verlieren. Sonst könne es passieren, dass man als interner „Jurist für alles“ den Anschluss an die Trends in den Kanzleien verpasst.

Ein gewisses Grundverständnis moderner Techniken, insbesondere der Datenverarbeitung in Netzen, ist zwingend erforderlich“, sagt Dr. Felix Wittern, Partner in der Kanzlei Fieldfisher und dort Experte für Datenschutzrecht. Für ihre Mandanten suchen die Datenschutzrechtler Antworten auf drei Fragen, die sich im Zuge der Digitalisierung der Geschäfte ergeben: Wie kann erstens der internationale Datentransfer organisiert werden? Zweitens: Wie kann Compliance gewährleistet werden? Drittens: Welche datenschutzrechtlichen Probleme ergeben sich durch die Einführung neuer Produkte?

„Üblicherweise kommen die Mandanten zunächst mit einem speziellen Problem zu uns, welches dann oft eine strukturelle Prüfung der gesamten datenschutzrechtlichen Situation im Unternehmen nach sich zieht“, so Felix Wittern. „Mit anderen Worten: Der Auslöser ist oftmals eher klein, er öffnet dann aber die Tür für weitere wichtige Themen.“ Bei der Arbeit mit den Mandanten gehe es häufig darum, die Unternehmen für das Datenschutzrecht zu sensibilisieren. „Dafür gehen wir im Regelfall gemeinsam ihre Systeme durch, um Risiken zu prüfen und Antworten darauf zu finden, wie man technisch und rechtlich darauf reagiert“, so der Datenschutzrechtler von Fieldfisher.

Um diese Arbeit zu leisten, müssen Datenschutzrechtler in zwei Bereichen immer am Ball sein: „Wir beobachten nicht nur die technischen Entwicklungen wie Smart-TV, autonom fahrende Autos oder Industrie 4.0. Es kommt auch darauf an, sehr früh rechtliche Entwicklungen und ihre Hintergründe zu erkennen. So können wir unsere Mandanten frühzeitig über neue Entwicklungen informieren und diese in der Beratung umsetzen“, sagt Martin Schweinoch.

Das große Thema der kommenden Monate wird dabei die neue EU-Datenschutzverordnung sein, die bis April 2016 vom EU-Parlament beschlossen sein soll und das deutsche Bundesdatenschutzgesetz ablöst. „Aus dem vereinheitlichten EU-Datenschutzrecht werden sich zahlreiche neue Fragen ergeben“, vermutet der Fieldfisher-Partner Felix Wittern. Wichtige Themen für die Zukunft seien neue Bezahlsysteme, die zunehmend das Bargeld ablösen, sowie Datenschutzregeln für digitale Messgeräte, mit denen Privathaushalte ihren Energieverbrauch steuern, aber auch viele Daten preisgeben.

Patentrecht: Chancen für Technikfreunde

Wer als Jurist in der Freizeit gerne in Baumärkte geht, zu Hause immer die neueste Technik am Start hat und leidenschaftlich am Auto bastelt, bringt die wichtigste Voraussetzung für eine Karriere im Patentrecht mit. „Es kommt insbesondere auf Interesse an Technik und Erfindungen an“, sagt Dr. Bernd Allekotte, Rechtsanwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Patentrecht in der Kanzlei Grünecker. Die Palette der Techniken, um die sich das Patentrecht kümmert, ist breit. „Sie reicht von Erfindungen in der Mechanik über neue chemische Stoffe bis hin zu vorteilhaften Übertragungsverfahren in der Telekommunikation“, skizziert der Jurist.

Die besondere Herausforderung für Patentrechtsanwälte sei es, das Thema auch technisch zu durchdringen. „Das erfordert schon mal, sich viele Stunden damit auseinanderzusetzen.“ Kern der Arbeit sei es dann, auch die komplexesten Technologien so darzustellen, dass die Zivilgerichte verstehen, worum es geht. In der EU ist Deutschland schon jetzt das Land mit den meisten Patentrechtprozessen.

Datenschutz-, Patent- und Produkthaftungsrechtler sind im Wirtschaftsrecht besonders gefragt.

Der Bedarf an Experten ist bei Kanzleien mit dem Schwerpunkt Patentrecht entsprechend groß. Das für 2017 erwartete EU-Patent („Unitary Patent“) sowie das zugehörige EU- Patentgericht („Unified Patent Court“) werde die Patentszene zusätzlich durcheinanderwirbeln, glaubt Bernd Allekotte: „Bislang konnten die deutschen Gerichte immer nur für den Raum Deutschland urteilen. Das neue EU-Patentgericht hingegen hat eine Zuständigkeit für die gesamte EU, also einen ähnlich wichtigen Wirtschaftsraum wie die USA oder China.“ Das werde dazu führen, dass noch mehr Patentstreitigkeiten geführt würden als ohnehin schon. Außerdem wird der deutsche Markt internationaler werden, „da ausländische Anwälte diesen lukrativen Markt nicht allein den deutschen Juristen überlassen werden“.Verringert das die Einstiegschancen für den deutschen Nachwuchs? Keineswegs, sagt Bernd Allekotte. „Im Gegenteil, die Entwicklung führt zu erheblichen Karrierechancen im Patentrecht. Denn die Teams, die sich mit den immer komplexeren und internationalen Verfahren beschäftigen, werden wachsen.“ Weil zudem die Anzahl der Juristen, die sich wirklich für Technik begeistern, weiterhin begrenzt ist, haben Juristen mit Technikherz sehr gute Aussichten.

Produkthaftungsrecht: In die Produktion eingebunden

Wenn Dr. Johannes Junker, Experte für Produktsicherheitsrecht in der Kanzlei Kümmerlein, verdeutlichen soll, warum sein Schwerpunkt in Zukunft immer wichtiger wird, verweist der Jurist auf die autonom fahrenden Autos. „Wenn eines Tages nicht mehr der Mensch fährt und lenkt, sondern die Verantwortung an das Auto abgibt, kann man sich vorstellen, welche rechtlichen Fragen sich ergeben, wenn ein Unfall passiert.“ Bislang holen Unternehmen die Experten für Produktsicherheit und Produkthaftung oft erst dann an Bord, wenn es bereits brennt – als „Feuerwehrmann“, wie Johannes Junker sagt. „Viel besser ist es natürlich, wenn der Jurist schon in der Entwicklungsphase des Produkts dabei ist.“

Man spricht Englisch

Das Wirtschaftsrecht wird technischer und internationaler. Damit gewinnen die Fremdsprachenkenntnisse weiter an Bedeutung. Ohne sehr gute Englischkenntnisse geht nichts, wobei in diesem Zusammenhang das technische Englisch immer wichtiger wird: Fachbegriffe müssen genauso sitzen wie Maßeinheiten und andere technische Besonderheiten der englischen Sprache.

Langsam, aber sicher verstehen das auch die Unternehmen: „Sie beginnen zu erkennen, dass es einen Mehrwert darstellt, wenn sie früh juristisch beraten werden. Insbesondere können so Folgeprobleme von falschen Entscheidungen vermieden werden, was dem Mandanten viel Geld sparen kann.“ Zu den wichtigen Kompetenzen eines Experten für Produktsicherheit und -haftung zählt, in den großen Unter- nehmen Querverbindungen zwischen den Ingenieuren auf der einen und den Inhouse-Juristen auf der anderen Seite aufzubauen. „Häufig haben beide Lager bislang kaum etwas miteinander zu tun“, sagt Johannes Junker.

Um das zu ändern und selbst eng mit den Produktentwicklern zu kooperieren, benötigt der Jurist technische Grundkenntnisse. „BWL für Juristen gibt es schon“, sagt Junker. „Es wäre sinnvoll, über ähnliche Weiterbildungen für Technik nachzudenken.“ Was seinen Schwerpunkt außerdem besonders mache, sei die Vielfalt der Rechtsquellen, die er heranzieht. „Der Zivilrechtler hat sein BGB, der allgemeine Öffentlichrechtler schaut ins Verwaltungsverfahrens- und ins Polizeigesetz. Ich habe neben den Gesetzen auch mit den technischen Normen zu tun, also zum Beispiel den berühmten DIN-Vorgaben.“

Für Ingenieure erscheinen diese Normen wie Gesetze, „mit juristischem Handwerkszeug findet man durchaus Wege, diese Vorgaben auch über deren Wortlaut hinaus auszulegen. Zum Beispiel, wenn eindeutig ist, dass sich die DIN-Norm technisch längst überholt hat.“ So verschafft der anwaltliche Berater seinem Mandanten im Idealfall zusätzliche Freiheiten für Innovation. Er wird zum „Enabler“, zum Ermöglicher. Und das ist noch attraktiver, als nur die Rolle des Feuerwehrmannes zu spielen.

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