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Als Generalistin in der Fußballwelt

Fast alle Bundesliga- Vereine unterhalten inzwischen eigene Rechtsabteilungen, um die vielfältigen Rechtsfragen inhouse und vor allem zeitnah bearbeiten zu können. Einige dieser Einheiten werden von Frauen geleitet. So auch bei Borussia Mönchengladbach. Dort steht Julia Hambüchen der Rechtsabteilung vor. Aufgezeichnet von Christoph Berger

Zur Person

Julia Hambüchen
Studium: Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln
Seit 2018 Bereichsleiterin Recht & Compliance, Head of Legal, bei der Borussia VfL 1900 Mönchengladbach GmbH

Ein solcher Aufstieg ist Fußballvereinen nicht möglich: Vom Referendariat und mit dem Abschluss des 2. Staatsexamens direkt in die 1. Bundesliga. Doch Julia Hambüchen hat diesen Schritt geschafft. Nachdem sie im November 2018 ihren Abschluss zur Volljuristin in der Tasche hatte, übernahm sie direkt die neu geschaffene Stelle der Bereichsleiterin Recht & Compliance bei der Borussia VfL 1900 Mönchengladbach GmbH. Seitdem lautet ihr offizieller Titel: „Head of Legal“.

Dass sie eine Stelle beim Traditionsverein Borussia Mönchengladbach fand, ist zum einen ein wenig Vorherbestimmung gewesen, zum anderen aber auch mit Glück verbunden. Letzteres vor allem deswegen, weil just im Moment des Abschlusses die Stelle zur Justitiarin von dem Verein ausgeschrieben worden war. Vorherbestimmt, weil Julia Hambüchen nicht nur in der Region um Mönchengladbach aufgewachsen ist und in der Stadt ihre Ausbildung zur Bankkauffrau absolvierte, sondern weil bereits ihr Vater ein Anhänger des Vereins war, der seine Tochter regelmäßig mit zum Bökelberg nahm, dem damaligen Stadion. „Ich war Neuling, hatte bis auf meine Berufsausbildung keinerlei Berufserfahrung und bin auf eine komplett neu geschaffene Position gekommen. Das war eine recht spannende Herausforderung“, erzählt Hambüchen, die zum Berufsstart bereits Mutter zweier kleiner Kinder war. Die Kinder waren auch der Grund dafür, den Einstieg nicht über eine Großkanzlei oder in der Selbstständigkeit zu suchen. „Die Borussia ist ein sehr familienorientierter und -freundlicher Arbeitgeber“ sagt sie. Da sei es kein Problem, auch mal im Home-Office zu arbeiten, wenn zu Hause „Not am Mann“ ist. Zu ihren festen Arbeitszeiten ist sie auch dort für sämtliche ihren Arbeitsbereich betreffenden Fragestellungen erreichbar. Zumal der Gestaltungsspielraum einer neu geschaffenen Unternehmensposition sie zusätzlich reizte.

Ich war Neuling, hatte bis auf meine Berufsausbildung keinerlei Berufserfahrung und bin auf eine komplett neu geschaffene Position gekommen. Das war eine recht spannende Herausforderung.

Was die rechtlichen Fragestellungen betrifft, die bei einem Fußballverein tagtäglich aufkommen, so kann die 38-Jährige vollumfänglich als Generalistin bezeichnet werden – zumal sie nicht nur für Recht und Compliance zuständig, sondern auch Jugendschutz- und Präventionsbeauftragte des Vereins ist. Ihre Zuständigkeiten beziehen sich insbesondere auf die GmbH, aber auch Rechtsfragen des Nachwuchsleistungszentrums und des Vereins bearbeitet die Juristin. „Meine Aufgaben sind sehr vielfältig. Im Grunde mache ich alles, was im rechtlichen Bereich anfällt“, erklärt sie. Sie löst Aufgaben zum Vertrags- und Arbeitsrecht, zum Marken- und Lizenzrecht oder beschäftigt sich mit Fragen zum Sportrecht. „Gerade in Transferperioden sind viele Fragen zu Spielerverträgen zu klären“, sagt sie. Und vor allem in diesem Jahr sahen sich die Juristen der Bundesligavereine und der DFL Fragen ausgesetzt, die zuvor nie bedacht werden mussten. So war bis zuletzt nicht klar, ob die eigentlich am 30. Juni endende Saison aufgrund der Corona-Krise tatsächlich zu diesem Stichtag beendet werden könnte und was beispielsweise in diesem Kontext mit zum 30.06.2020 befristeten Spielerverträgen geschehen würde. Zudem mussten Angestellte des Vereins in Kurzarbeit geschickt werden, Spieler verzichteten auf Teile ihres Gehalts, Sponsorenverträge konnten, aufgrund der Geisterspiele, nicht vollumfänglich erfüllt werden – all dies musste rechtlich abgebildet werden: „Es war eine aufregende und arbeitsreiche Zeit“, sagt Hambüchen.

Doch auch wenn Hambüchen sowohl Leiterin als auch einzige Mitarbeiterin in dem Rechtsbereich des Bundesligisten ist, auf sich allein gestellt ist sie deshalb keineswegs. In Spezialfragestellungen zieht sie die Expertise der externen Kollegen zu Rate. „Oder ich rufe Kolleginnen und Kollegen aus anderen Vereinen an und frage, ob es dort Erfahrungen zu bestimmten Sachverhalten gibt“, erzählt sie. Gerade in der jetzigen Krise habe ein solcher Austausch des Öfteren stattgefunden. Denn, anders als auf dem Rasen, wo es um Sieg oder Niederlage geht, arbeiten die Rechtsverantwortlichen der Vereine rege und freundschaftlich zusammen, sind miteinander gut vernetzt. Zweimal im Jahr trifft man sich zudem in Frankfurt beim Deutschen Fußball- Bund und tauscht sich gemeinsam über herausfordernde Themen aus. Bei all den Aufgaben wundert es nicht, dass Julia Hambüchen als größte Herausforderung für ihren Job Flexibilität nennt. Die sei absolut notwendig in dem Geschäft, da spontan immer wieder neue Fragestellungen an sie herangetragen würden. Auf die Frage hingegen, wie es sei, in einem von Männern dominierten Umfeld zu arbeiten, antwortet sie nur kurz: „Ich kenne es nicht anders.“

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