Interview mit Claus Horstmann

"Spieltage sind ein Wechselbad der Gefühle"

Claus Horstmann, Foto: 1. FC Köln
Claus Horstmann, Foto: 1. FC Köln

Er war weder Fußballer noch Kölner. Damit erfüllte Claus Horstmann zwei notwendige Voraussetzungen für seinen damaligen Einstieg als Geschäftsführer des 1. FC Köln. Seinen Job machte er immer mit Erfolg – auch wenn er längst Fan geworden war. Als ehrgeizigen Menschen bezeichnet er sich nicht. Wenn man die berufliche Laufbahn ansieht, mag man es kaum glauben. Mit dem karriereführer sprach der gelernte Maschinenbau-Ingenieur über Disziplin, Spaß und Erfolg im Beruf und im Profi-Fußball. Aus karriereführer ingenieure 1.2009

Zur Person Claus Horstmann

Claus Horstmann, Foto: 1. FC Köln

Claus Horstmann wurde am 14.12.1964 in Iserlohn geboren. Nach dem Abitur verpflichtete er sich als Zeitoffizier bei der Bundeswehr. Dort studierte er Maschinenbau. Nach Abschluss des Studiengangs entschied sich der Diplom-Ingenieur für ein berufsbegleitendes Aufbaustudium der Betriebswirtschaftslehre, das er aufgrund seines Ausscheidens aus der Bundeswehr nicht abschließen konnte. Mit 29 Jahren stieg er 1994 als Technik-Manager bei Center Parcs ein und betreute den Bau der ersten deutschen Center-Parcs-Anlage. 1997 wurde er General Manager dieser Anlage, ein Jahr später Geschäftsführer von Center Parcs Deutschland. 1999 wechselte er zum 1. FC Köln, nachdem ein Headhunter ihn von Center Parcs abwerben konnte. 2013 verließ er den Bundesligaverein. Claus Horstmann ist verheiratet und hat einen Sohn.

Herr Horstmann, Sie sind sehr beliebt. Selbst bei den Berg- und Talfahrten des FC hat Ihr Ansehen bei den Fans oder in den Medien nicht gelitten. Was bedeutet Ihnen das?
Für das, was ich hier mache – und gerne mache – ist es kein Maßstab, ob man beliebt ist oder nicht. Entscheidend ist, ob man einen guten Job macht. Wir arbeiten im Team und es liegt mir vollkommen fern, mir irgendetwas auf die Fahne zu schreiben, was eigentlich dem Team gebührt.

Warum bleiben Sie lieber im Hintergrund?
Das Umfeld eines Fußballvereins ist viel öffentlichkeitswirksamer und transparenter als das eines normalen Unternehmens. Und natürlich freue ich mich, wenn ich Anerkennung bekomme für Dinge, die ich ordentlich gemacht habe. Aber für mich ist entscheidend, wie wir hier im Team arbeiten, wie wir in den Beziehungen zu unseren Partnern und Fans arbeiten, und nicht, was in der Zeitung steht.

Sie hatten vorher beruflich nichts mit Sport oder Fußball zu tun. Waren Sie denn zumindest Fußballfan?
Fan wäre übertrieben. Ich komme aus dem Sauerland, und da ist man klassisch schwarz-gelb (Borussia Dortmund) oder blau-weiß (FC Schalke 04). Meine Familie war blau-weiß, so bin ich als Kind ab und zu mit meinem Vater in die Glückauf-Laufbahn und hinterher auch ins Parkstadion gefahren. Das hat sich aber nach dem Abitur erledigt. Bis ich zum FC gewechselt bin, hatte ich mit Fußball nichts mehr zu tun.

Und jetzt?
Jetzt ist das hochemotional. Spieltage sind ein Wechselbad der Gefühle. Im ersten Jahr beim FC konnte ich noch ganz entspannt zum Spieltag fahren, das hat sich verändert, muss ich sagen.

Erfolg wird im Profifußball meist am Tabellenstand gemessen. Der kann sich innerhalb von Wochen stark verändern. Was bedeutet da Beständigkeit?
Das habe ich über meine Jahre hier gelernt: Der Erfolg eines Fußballvereins misst sich NUR am Tabellenstand. Man kann seinen Job machen, wie man will, aber das Ergebnis des Unternehmens 1. FC Köln, was da in 90 Minuten passiert, kann man nicht beeinflussen. Da fragt man sich schon mal: Ich bin zwar der Geschäftsführer, aber wie stark bestimme ich den Erfolg des Unternehmens? Es ist aber auch toll. So ein spannendes und interessantes Arbeitsumfeld gibt es nicht wieder.

Welche Bedeutung hat Karriere für Sie?
Die Frage ist, was man unter Karriere versteht. Wenn ich im Tourismus geblieben wäre, würde ich heute vielleicht eine Position bekleiden, bei der man sagen würde: „Der hat’s geschafft“. Wenn Sie den Weg in den Fußball gehen und mit 34 Geschäftsführer sind und das mit 44 auch noch sind – haben Sie dann Karriere gemacht? Nee, dann sind Sie immer noch das Gleiche.

2007 haben Sie sich trotz anderweitiger Angebote aus der Wirtschaft dazu entschieden, beim 1. FC Köln zu bleiben. Was war ausschlaggebend für diese Entscheidung?
2007 hatte ich eine kleine Identitätskrise, besonders mit den Auf- und Abstiegen. Ich dachte: „Mensch, du bist jetzt über 40. Verstehst du das jetzt unter Karriere oder musst du nicht doch noch mal zeigen, dass du mehr kannst?“ Als ich dann vor der Entscheidung stand und drei konkrete Angebote hatte, gab es so viele Argumente für den Verbleib beim FC. Vor allem die Emotionen und das Herz, das mit dranhängt. Ich habe versucht, das so rational wie möglich anzugehen. Aber letzten Endes war es eine emotionale Entscheidung.

Was haben denn Fußball und Karriere gemeinsam?
Was die Charaktereigenschaften angeht, die man mitbringen muss, wird ein Profifußballer sicher vergleichbare brauchen: ganz vorne weg Disziplin. Man muss natürlich ein gewisses Können mitbringen – ob am Ball oder im fachlichen Bereich – aber das Thema Disziplin ist bei beiden entscheidend.

Was haben Sie aus Ihrer Zeit als Zeitsoldat mitgenommen?
Ich habe eine hervorragende Ausbildung gehabt, ob universitär oder an den Offizierschulen. Man hat uns Entscheidungsvorgänge eingebläut, von denen ich heute noch profitiere. Entscheidend war, als ich mit 29 ins kalte Wasser gesprungen bin und bei Center Parcs angefangen habe, dass ich wusste, was Menschenführung bedeutet: Verantwortung für seine Mitarbeiter zu übernehmen, zu wissen, wie wichtig es ist, dass das Team funktioniert. Wie wichtig der eine für den anderen ist, das haben wir dort gelernt.

Warum haben Sie nach dem Maschinenbau- Studium auf BWL umgesattelt?
Ich habe mich für Maschinenbau entschieden, weil ich eine mathematische und naturwissenschaftliche Begabung hatte. Während ich studierte, habe ich gemerkt, dass der spätere Beruf mich eigentlich nicht interessiert.

Sie haben als Technik-Manager beim Aufbau der ersten deutschen Center- Parcs-Anlage gearbeitet. Fehlt Ihnen der technische Aspekt bei Ihrer Arbeit manchmal?
Nein, ich vermisse das nicht. Aber wenn ich mit Beispielen aus meinem Maschinenbaustudium hier im Tagesgeschäft landen kann, freue ich mich (lacht).

Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann wieder im Engineering-Bereich zu arbeiten?
Ich glaube, der Schuh ist anders. Wenn ein Unternehmen eine interessante Stelle im Engineering-Bereich zu besetzen hätte, würde es sich nie für jemanden entscheiden, der aus dem Fußball kommt.

Sie sind von einer Recruiting-Agentur für den FC angeworben worden. Wie ist man auf Sie gekommen?
Der damalige FC-Präsident Caspers hatte sich nach dem Abstieg zur Aufgabe gesetzt, den Verein neu zu strukturieren. Mit Hilfe von McKinsey und Headhuntern hat man geguckt, wen man holt. Man wollte weg von der klassischen Managerposition. Sie wollten einen Kaufmann und einen Fachmann für den Freizeitbereich haben. Der Kaufmann sollte, neben fachlichen Dingen, zwei Eigenschaften mitbringen: kein Kölner, kein Fußballer.

Haben Sie einen Karrieretipp für unsere Leserinnen und Leser?
Ich glaube, man muss immer die Offenheit haben für andere Felder und sich auf Dinge einlassen. Wichtig ist vor allem, dass man Spaß dabei hat und nicht mit 40 schon ein Magengeschwür.

Wundert es Sie eigentlich, dass wir Sie gar nicht zum Podolski-Transfer befragt haben?
Das ist doch erledigt (lacht)! Da gibt’s ja nichts Neues mehr. Der Junge kommt im Sommer und fertig, aus.