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Sonne satt

Wenn es Gott war, der die Erde schuf, dann wusste er, wie man die Kraft der Sonne auf effektivste und vielfältigste Weise nutzt. Seit Millionen von Jahren spannen Algen filigrane Netze im Wasser, recken sich fächerförmige Ginkgoblätter, wulstige Wüstengewächse und zierliche Butterblumen dem Licht entgegen – mit nur einem Ziel: Es einzufangen und seine Energie zu nutzen. Der Mensch scheint gerade erst zu begreifen, wie viel Potenzial der glühende Planet hat. Von Rebecca Raspe

Sonne satt - Desertec

Zehn Kilometer östlich von Guadix in der Provinz Granada, Andalusien, ist der Boden trocken, braun und rissig von der Hitze. Kaum ein Pflänzchen wächst hier. Stattdessen bedecken silbern glänzende Parabolspiegel die staubige Erde. Konkav öffnen sie sich zum Himmel, auf kurzen Gerüststängeln in Reih’ und Glied stehend, kilometerweit, wie metallene Riesenblumen.

Die Rede ist von Andasol, dem ersten kommerziell genutzten solarthermischen Kraftwerk Europas. Der Komplex besteht aus drei Einheiten, die jeweils 180 Gigawattstunden Solarstrom pro Jahr produzieren können. Die erste ist Ende 2008 ans Netz gegangen. Sind erst einmal alle drei am Netz, können sie den Energiebedarf von über einer halben Million Menschen decken. Auf dem spiegelbepflanzten Gelände des andalusischen Solarkraftwerks rückt ein Traum ganz nah: Der, ganze Städte und Regionen mit sauberer Energie zu versorgen – ohne radioaktiven Atommüll oder klimaschädliches CO2 als Nebenprodukt. Denn die Sonne liefert jährlich 219.000 Billionen Kilowattstunden, 3000 Mal mehr, als die Weltbevölkerung heute verbraucht.

Doch um das gewaltige Potenzial nutzen zu können, muss die Energie eingefangen, gespeichert und verteilt werden. „Dafür gibt es zwei Techniken: die Photovoltaik und die Solarthermie“ erklärt Dr. Sebastian Fasbender, Pressesprecher des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW Solar). Erstere wandelt Sonnenenergie in elektrische Energie um. Die Photovoltaikanlage besteht aus einem Solarmodul, in dem Solarzellen elektrisch verschaltet sind. Mehrere Module werden zu einem Solargenerator verbunden. Der von den Zellen produzierte Gleichstrom wird dann in Wechselstrom umgewandelt.

Solarthermie hingegen wandelt Sonnenenergie in Wärmeenergie um, mit der man heizen oder Wasser erwärmen kann. Solche Anlagen bestehen aus einem Sonnenkollektor, einer Pumpe und einem Warmwasserspeicher. Im Kollektor sammeln Kupferbleche die Solarenergie. Die Pumpe sorgt dafür, dass die Wärme über mit Trägerflüssigkeit gefüllte Rohre zum Speicher abtransportiert wird. Dort wird sie dann durch einen Wärmetauscher an das Speicherwasser abgeben. Auch das Prinzip großer Kraftanlagen wie Andasol beruht auf Solarthermie. Hunderte Spiegel bündeln die Sonneneinstrahlung und konzentrieren sie dann auf Röhren mit einer wärmeleitenden Flüssigkeit. Diese erhitzt Wasser, bis es verdampft. Der Wasserdampf treibt eine Turbine an, diese wiederum einen Generator, so dass elektrischer Strom entstehen kann. „Ein großer Vorteil der solarthermischen Kraftwerke ist, dass die tagsüber gesammelte Wärmeenergie in flüssigen oder festen Medien wie Salzschmelzen oder Beton gespeichert werden kann. Nachts kann sie wieder entzogen werden, um die Turbine weiter anzutreiben“, so Sven Moormann, Pressesprecher bei Solar Millennium.

Beide Industriezweige sind in Deutschland in den letzten Jahren stark gewachsen. Während die Anzahl der Beschäftigten in der Solarbranche 2004 noch bei 27.000 lag, betrug sie 2008 bereits 70.000. Der BSW Solar schätzt, dass sie bis 2020 auf etwa 200.000 ansteigen wird. Die Solarthermie hat ihren Produktionsschwerpunkt in Bayern, die Photovoltaik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. „Diese Bundesländer gelten als „Solar Valley Mitteldeutschland“. Hier haben sich starke Cluster aus Forschung, Industrie und Dienstleistung etabliert“, erklärt Sebastian Fasbender von BSW Solar.

Sauberer Wüstenstrom
Doch deutsche Unternehmen planen zunehmend auch im Ausland. Andasol beispielweise hat Solar Millennium aus Erlangen entwickelt. Sven Moormann: „Gerade im Bereich solarthermische Kraftwerke wird intensiv geforscht und verbessert. Spanien ist wegen der südlichen Lage und der Einspeisevergütungen ein attraktiver Standort.“ Eine noch weiterreichende Zukunftsvision hat Desertec. Die Organisation aus Hamburg möchte solarthermische Kraftwerke dort bauen, wo das Potenzial am höchsten ist: in den extrem heißen Wüsten Nordafrikas. Der Strom soll dann nach ganz Europa importiert werden.

Aus technischer Sicht ist das schon heute machbar. „Eine Massenfertigung von Kollektoren könnte zügig aufgenommen werden“, erklärt Tim Hufermann, Sprecher von Desertec, „und HGÜ-Leitungen sind seit Jahren im kommerziellen Einsatz.“ HGÜs, das sind Hochspannung-GleichstromÜbertragungsnetze, die Strom über große Strecken transportieren. Auf tausend Kilometern haben sie weniger als drei Prozent Stromverlust. Desertecs Hauptziel ist deswegen klar: „Wir wollen die politischen Rahmenbedingungen für das Projekt schaffen“, erklärt Hufermann.

Damit diese Vision Wirklichkeit wird, arbeitet die „DESERTEC Industrial Initiative“, der Unternehmen wie Siemens und E.ON angehören, an einer Art „Road Map“ für die notwendigen Schritte. Sollte sie Erfolg haben, könnten schon in wenigen Jahren gewaltige Spiegelfelder aus dem gelben Wüstenboden wachsen.

Linktipps

  • www.solarwirtschaft.de Der Bundesverband für Solarwirtschaft bietet zahlreiche Daten und Fakten rund um das Thema Solarenergie und richtet sich an Unternehmer, Verbraucher und Entscheider.
  • www.intersolar.de Website der weltweit größten Fachmesse für Solartechnik.
  • www.fvee.de Der FoschungsVerbund Erneuerbare Energien (FVEE) ist eine Kooperation von Forschungsinstituten, die auf den verschiedenen Gebieten der erneuerbaren Energien arbeitet.

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