„Das Internet der Dinge betrifft alle Branchen“

Foto: Fotolia/zapp2photo
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Was ist eigentlich dieses „Internet of Things“, von dem alle sprechen? Und was bedeutet es für die Ingenieure von morgen? Sabine Olschner sprach mit Prof. Dr. Markus Weinberger, Dozent für den Bachelor-Studiengang „Internet der Dinge“ an der Hochschule Aalen.

Zur Person

Markus Weinberger, Foto: privat
Markus Weinberger, Foto: privat

Markus Weinberger, 44 Jahre, studierte Maschinenbau an der TU München und in Trondheim, Norwegen, bevor er in unterschiedlichen Funktionen bei Bosch arbeitete. 2012 wurde er Direktor des Internet of Things (IoT) Lab an der Universität St. Gallen, einer Kooperation der Robert Bosch GmbH mit der Universität St. Gallen und der ETH Zürich. Er und sein Team erforschten und entwickelten IoT-Anwendungen in den Bereichen „Smart Home“ und „Connected Car“. Seit 2016 hat er an der Hochschule Aalen die Professur „Internet der Dinge“ inne.

Prof. Weinberger, bitte beschreiben Sie uns zunächst einmal, was „Internet der Dinge“ bedeutet.
Es geht darum, Dinge zu vernetzen. Das ist nichts grundsätzlich Neues. Verkehrsflugzeuge sind zum Beispiel schon seit 40 Jahren in irgendeiner Form etwa mit dem Hersteller der Triebwerke vernetzt und übertragen ihm Daten. Was sich nun ändert: Die Technologien und die technischen Komponenten, die man braucht, um Dinge zu vernetzen, werden immer kleiner und billiger und brauchen weniger Strom. Als Folge können in Zukunft nicht nur sehr große Dinge mit hohen Sicherheitsanforderungen, wie ein Flugzeug, vernetzt werden, sondern praktisch jeder physische Gegenstand kann Teil des Internet werden. Dadurch ergeben sich ganz neue Möglichkeiten.

Wo sehen Sie hier die größten Chancen?
Produkte und Gegenstände, die es heute schon gibt, können ganz neue Funktionen bekommen: zusätzliche digitale Services. So kann zum Beispiel eine LED-Birne, die mit zusätzlichen Sensoren ausgestattet wird, künftig etwa auch als Alarmsystem genutzt werden, indem die Information, dass jemand anwesend ist, an einen anderen Ort übertragen wird. Ein weiterer Vorteil: Wenn viele Dinge Sensoren haben, können sie damit Daten über ihre Umwelt erfassen. Das führt dazu, dass man über viele Vorgänge sehr viele Informationen bekommt. Ein Beispiel ist hier Google Traffic, das Verkehrsinformationen anhand der Handys der Autofahrer in Echtzeit abbildet.

Aber das birgt doch auch Risiken?
Natürlich. Ganz wichtig ist hier das Thema Datenschutz. Das wird noch mal viel sensibler beim Thema Smart Home, wenn also Kameras im Haus installiert werden oder man Online-Sprachservices nutzt. Diese Geräte sammeln unzählige persönliche Informationen. Auch das Thema Industrie 4.0, ein Unterthema des Internet der Dinge, birgt Risiken: Wenn Industrieanlagen vernetzt werden, haben viele Unternehmen Bedenken, dass daraus Rückschlüsse zum Beispiel auf ihre Produktivität gezogen werden können. Das andere große Sicherheitsrisiko sind Hacker, die über das Internet Kontrolle über ein Ding erlangen könnten – zum Beispiel über ein Auto, das sie fernsteuern könnten.

Wenn ein Ingenieur sich mit dem Thema „Internet der Dinge“ beschäftigen möchte: Auf welche  Branchen sollte er sich fokussieren?
Ich glaube, dass es keine Branche geben wird, in der das Internet der Dinge künftig keine Rolle spielen wird. Das wird eine ähnliche Entwicklung nehmen wie das Internet, ohne das heute ja auch kein Unternehmen mehr überleben könnte. Einige Branchen wie etwa die produzierende Industrie – und auch große Unternehmen eher als kleinere – sind weiter als andere, aber im Grunde stecken sie alle erst in den Anfängen. Klar ist: Mit dem Internet der Dinge zieht die Digitalisierung auch in Branchen ein, die bislang weniger davon berührt werden. Ein Beispiel: Ein Fensterrahmenhersteller könnte künftig in seine Rahmen Sensoren einbauen, die die Luftqualität messen oder den Öffnungszustand des Fensters erkennen. Die Daten zur Luftqualität könnte der Hersteller an Wetterdienste verkaufen. Oder das Fenster erkennt selbstständig, dass es aufgebrochen wurde und informiert den Rahmenhersteller, dass er dem Kunden ein Reparaturangebot machen sollte. Das kann zu ganz neuen Geschäftsfeldern und -möglichkeiten führen. Für Ingenieure tun sich zudem ganz neue Arbeitsfelder in Branchen auf, die sie bislang eher nicht auf dem Schirm hatten.

Wie kann das Internet der Dinge Unternehmen noch nützen?
Neben den Vorteilen für ihre Produkte können Unternehmen auch ihre Produktion durch die neuen Technologien effizienter machen. Sie können ihre Anlagen vernetzen und sie zum Beispiel mit dem Fuhrpark verbinden. Damit sind Maschinen und Transporter besser ausgelastet, und Wartung und Reparatur können besser geplant werden.

Welche Fähigkeiten muss ein Ingenieur für diese neue digitalisierte Arbeitswelt mitbringen?
Um das Internet der Dinge sinnvoll zu nutzen, braucht es Maschinenbauer, Elektrotechniker, Nachrichtentechniker, Informatiker und Designer. Nicht jeder kann alles wissen, aber wichtig ist, über die eigene Fachrichtung hinaus vernetzt zu denken und mit den anderen zu kommunizieren. Aber wir werden auch Allrounder brauchen, die den Überblick über dieses komplexe Thema haben, das uns alle in Zukunft beschäftigen wird.