Das letzte Wort hat: Dr. Dirk Gratzel, Projekt Green Zero

Foto: Fotolia/fotofabrika
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Klimaneutral leben – das ist das Ziel von Dr. Dirk Gratzel. Der Jurist und ehemalige Personaler startete 2016 ein Projekt mit Ingenieuren der Technischen Universität Berlin, mit dem er die ökologische Bilanz seines Lebens zum Ausgleich bringen will. Sein Ziel: auf eine grüne Null zu kommen. Das Interview führte Sabine Olschner

Wie kamen Sie auf die Idee, Ihr Leben klimaneutral umzugestalten?
Unter anderem anhand der Berichterstattung wissen wir alle, dass sich das Ökosystem Erde verschlechtert und der Mensch eine wesentliche Ursache dafür ist. Mit meinen fünf Kindern rede ich viel darüber, wie ein gutes Leben aussieht. Ich stelle fest, dass sie viel weniger Wert auf Materielles legen, als es meine Generation in jungen Jahren getan hat. Zudem verbringe ich als passionierter Jäger viel Zeit in der Natur und bemerke die Veränderungen. Das alles hat dazu geführt, dass ich mich immer unwohler gefühlt habe mit meinem Lebensstil. Ende 2016 beschloss ich, bis zu meinem Tode die ökologische Bilanz meines Lebens zum Ausgleich zu bringen.

Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?
Ich hatte geglaubt, dass ich mit ein wenig Recherche jemandem finde, der mir eine Anleitung dazu an die Hand gibt. Ich musste allerdings feststellen, dass es dazu keinerlei Ideen und Konzepte gibt, nicht mal von Umweltverbänden oder vom Umweltministerium. Also habe ich die weltweit führenden Wissenschaftler für Ökobilanzierungen angeschrieben und kam in Kontakt mit Matthias Finkbeiner vom Lehrstuhl für Sustainable Engineering an der Technischen Universität Berlin. Wir haben 2017 ein dreistufiges Projekt ins Leben gerufen, mit dem ich wiedergutmachen will, was ich in den vergangenen rund 50 Jahren angerichtet habe.

Wie sieht dieses Projekt konkret aus?
Stufe eins war die Erarbeitung meiner Lebensökobilanz: Wo stand ich im Hinblick auf verschiedene Wirkungskategorien? Dazu wurde berechnet, wie viel Co2-Emissionen ich in meinem bisherigen Leben verursacht, wie viel Brennstoff ich verbraucht, wie viel ich zur Überdüngung unserer Böden, zur Smogbildung und zur Verkleinerung der Ozonschicht beigetragen habe. In Stufe zwei ging es um die ökologische Verbesserung meiner Lebensführung. Dazu habe ich mit dem WWF und dem NABU einen Katalog mit über 50 Maßnahmen erarbeitet, mit denen ich meine Emissionen um 60 bis 80 Prozent verringern konnte. Stufe drei, in der ich mich aktuell befinde, ist das aktive Wiedergutmachen der von mir verursachten ökologischen Schäden.

Dr. Dirk Gratzel, Foto: Privat
Dr. Dirk Gratzel, Foto: Privat

www.projekt-greenzero.de

Wie funktioniert diese Wiedergutmachung?
Ich habe letztes Jahr eine knapp zwölf Hektar große ehemalige Bergwerksfläche gekauft, die ich renaturiere. Versiegelungen werden zurückgebaut, ich lege eine Streuobstwiese an und schaffe karge Areale, die frei von Nährstoffen sind. Das zieht seltene Tiere und Pflanzen an, die anderswo wegen der Überdüngung leiden. Die Bäume und Pflanzen binden in den nächsten 25 bis 30 Jahren so viel Kohlendioxid, wie ich in meinem Leben emittiert haben werde. Auch die Überdüngung und der Verlust von Artenvielfalt, den ich mit verursacht habe, werden dadurch ausgeglichen.

Was können all jene tun, die auch umweltbewusster leben wollen?
Ich ermuntere jeden, sich zunächst mit seiner häuslichen Wohnsituation, seinem Mobilitätsverhalten und seiner Ernährung auseinanderzusetzen. Das sind schon entscheidende Punkte, deren Veränderung nicht nur der Umwelt hilft, sondern auch einen Gewinn an Lebensqualität bringt. Nachhaltiges Leben hat nichts mit Verzicht zu tun – ganz im Gegenteil: Man lernt jeden Tag Neues dazu.  

Cover Projekt Green ZeroBuchtipp

Dirk Gratzel: Projekt Green Zero. Ludwig Buchverlag 2020. 18 Euro,