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CO₂-Fänger René Haas im Interview

Es ist mühsam, energie- und kostenintensiv, aber möglich: Mit dem von immer mehr Unternehmen eingesetzten Direct-Air-Capture-Verfahren (kurz: DAC) lässt sich CO₂ aus der Atmosphäre abscheiden. Das junge Berliner Unternehmen NeoCarbon hat diese Technik weitergedacht: Statt riesige Anlagen zu bauen, nutzt es die Infrastruktur von Kühltürmen in Fabriken, Shoppingmalls oder Bürogebäuden. Hier werden Luftströme und Abwärme freigesetzt, beides nutzt NeoCarbon, um CO₂ zu gewinnen. Im Interview erzählt Co-Gründer und CEO René Haas, welche Rolle das Direct-Air-Capture-Verfahren im Kampf gegen den Klimawandel spielt, was es mit einem „Bias to action“ auf sich hat und warum er jungen Ingenieur*innen rät, ins Risiko zu gehen. Die Fragen stellte André Boße

Zur Person

René Haas studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Dresden und Berlin sowie in Spanien und China. 2014 startete er seine Karriere bei Siemens im Projekt Management Support. Seit 2016 sammelte er Erfahrungen in der IT-Beratung sowie in Tech-Start-ups. Schwerpunkte waren hier Themen wie Teamrestrukturierung, strategisches Geschäftspartner-Management, Investor Relations und Internationalisierung. 2021 war er Mitgründer des Start-ups NeoCarbon.

Herr Haas, wäre der Kampf gegen die Klimakrise ohne die Methode des Direct Air Capture bereits verloren?
Ich denke, DAC ist eine vielversprechende Technologie und laut aktueller Klima- Reports unabdingbar, um realistisch unter einer Erderwärmung zwischen 1,5 und 2 Grad zu bleiben. Dennoch würde ich den Kampf gegen die Klimakrise nicht verlorengeben, da es sich lohnt, jedes Zehntelgrad an Erwärmung aufzuhalten. Selbst wenn wir das 1,5-Grad-Ziel verfehlen, sollten wir als nächstes das Ziel definieren, so nah wie möglich an die 1,5 Grad heranzukommen. Wir sollten generell den Kopf nicht in den Sand stecken, aber klar ist auch: Der Kampf wäre signifikant härter ohne Direct Air Capture.

Was ist die größte Herausforderung, um mit diesem Verfahren CO₂ aus der Luft zu ziehen?
CO₂ nimmt zwar einen riesigen Einfluss auf das globale Klima, aber nur eines von 2500 Molekülen in der Atmosphäre ist ein CO₂-Molekül. Die Hauptherausforderung liegt also darin, diese wenigen Moleküle herauszufiltern. Dafür ist sehr viel Energie notwendig, die wiederum aus erneuerbaren Quellen stammen sollte, damit nicht neue Emissionen entstehen. Ein weiteres Problem ist, dass die Menge an CO₂, die wir in die Atmosphäre einbringen, seit den 1960er-Jahren global explodiert und weiterhin sehr hoch ist. Die Menschheit hat in den vergangenen zwei, drei Jahren zwischen 36 und 38 Gigatonnen CO₂ emittiert, das ist eine unvorstellbar große Menge. Und auch weiterhin basieren große Teile unseres modernen Wirtschaftssystems auf günstiger fossiler Energie.

Was entgegnen Sie kritischen Stimmen, die sagen, Ihre Innovationen bedeuteten eine Einladung an die Menschheit, in Sachen CO₂-Ausstoß weiterzumachen wie bisher?
Wenn man sich anschaut, wie technisch anspruchsvoll es ist, das CO₂ aus der Luft zu ziehen, sollte es diese Stimmen eigentlich gar nicht geben. Ich würde mir daher wünschen, dass die Menschheit viel schneller dekarbonisiert, als sie es gegenwärtig tut. In den vergangenen Dekaden ist diese Dekarbonisierung leider nicht schnell genug geschehen, daher sehe ich heute diese extreme Notwendigkeit, DAC in großen Skalen zu entwickeln. Das soll jedoch nicht als Ausrede verstanden werden.

Sondern eben als Notwendigkeit, um das Ziel noch erreichen zu können.
Genau.

Was braucht ein Unternehmen wie Ihres, um Direct Air Capture erfolgreich durchzuführen?
Wir konnten ein sehr starkes Team zusammenstellen und umgeben uns mit den richtigen Business Advisors. Die Herausforderung, der wir uns stellen, ist so komplex, dass man sie nur im Team mit fähigen Menschen lösen kann. Bei unserer Arbeit gestehen wir uns allerdings immer wieder ein, Fehler zu machen. Und zwar, um möglichst schnell vorwärtszukommen. Das ist wichtig, weil unser Technologieansatz komplett neuartig ist. Wir nutzen die bereits bestehende Infrastruktur von Kühltürmen. Unser Ansatz ist, ihre Abwärme zu nutzen, was Energie und damit Geld spart. Damit dies gelingt, benötigen wir ein sehr tiefgreifendes Verständnis für DAC-Systeme.

Ein Unternehmen zu gründen, ist eine permanente Herausforderung, und man sollte während des gesamten Prozesses auch sehr gut auf sich selbst achten – was einem nicht immer gelingen wird.

Von der technischen Idee bis zur Gründung des Unternehmens: Wo lag auf dieser Wegstrecke die größte Herausforderung?
Man begegnet als Co-Founder mit seinem Team sehr viel Negativität, da gerade am Anfang externe Leute die Idee leicht zerreden können. Wichtig ist es, nie den Glauben in die eigenen Fähigkeiten zu verlieren und weiterzumachen. Wobei man das Feedback schon ernst nehmen sollte. Man muss sich nur bewusst entscheiden, wie man damit umgehen will. Ein Unternehmen zu gründen, ist eine permanente Herausforderung, und man sollte während des gesamten Prozesses auch sehr gut auf sich selbst achten – was einem nicht immer gelingen wird.

Vor der Gründung lag eine Zeit, in der Sie sich sehr viel Wissen angeeignet haben. Wo lag hier das Geheimnis, wie recherchiert man richtig?
Wir haben immer sehr früh versucht, unsere Ideen mit Hilfe des Wissens von Experten zu validieren und immer direkt mit den global bestmöglichen Ansprechpartnern zu reden. Man wird hier naturgemäß sehr häufig abgewiesen, das sollte einen aber nicht weiter stören. Das Fundament, um in diese Gespräche mit Experten zu gehen, war das Lesen von Studien und Papers.

Welches Mindset benötigt man, um übers Wissen und Denken ins Handeln zu kommen, sprich in die Gründung, Forschung und Entwicklung?
Mein Mitgründer und ich besitzen etwas, was unser erster Investor gerne als „Bias to action“ bezeichnet: Egal was ansteht – wir legen einfach los. Unsere ersten kleine Anlagen haben wir mit ein paar Tausend Euro gebaut, fast alle Komponenten kamen aus dem Baumarkt. Das ist nicht gerade Deep-Tech, aber wir haben damit sehr schnell gelernt. Auf die Gründung selbst habe ich mich allerdings intensiv und lange vorbereitet, da ich als Angestellter einige Jahre direkt mit einem erfolgreichen Gründer zusammengearbeitet habe. Von ihm habe ich viel gelernt.

Sie haben als Start-up-Unternehmen sehr viel Kapital generiert, zuletzt 3,2 Millionen Euro. Welchen Bezug haben Sie zu einer solchen Summe?
Ich habe keinen persönlichen Bezug zu diesen Beträgen, da es nicht mein Geld ist. Es symbolisiert für mich das Vertrauen des Investors, dass wir eine Technologie entwickeln können, die das Potenzial hat, die Welt zu verändern. Das Geld eingesammelt zu haben, ist allerdings nur ein kleiner Schritt. Der viel größere Schritt ist es, die Technologie zu entwickeln und diese über ein solides Businessmodell in der physischen Welt zu skalieren. Unsere Anlagen „im Feld“ zu sehen – dazu habe ich einen sehr starken persönlichen Bezug. Das eingesammelte Kapital ermöglicht dies, und ich bin sehr dankbar, von unseren Investoren dieses Vertrauen bekommen zu haben.

Ihr Unternehmen besitzt einen eindeutigen Purpose. Wie wichtig ist dieser für die junge Generation?
Purpose ist extrem wichtig, wir haben unglaublich tolle Bewerber, sowohl von ihrer Persönlichkeit als auch von ihrem technischen Verständnis her. Auch wir selbst als Gründer könnten wohl nie wieder in einem Unternehmen tätig sein, in dem ein solch starker Purpose nicht gegeben ist. Abseits davon ist es allerdings wichtig, sehr stark auf die Mitarbeiter zu achten. Es ist meiner Meinung nach nicht okay, ihnen einen Purpose zu geben und sie dann sich selbst zu überlassen. Das Thema mentale Gesundheit ist extrem wichtig, wobei die Kultur eines Unternehmens sehr stark von der Verantwortung der Gründer geprägt ist.

Wenn man sich für etwas mehr Risiko entscheidet, merkt man häufig, dass dieses Risiko gar nicht so groß ist.

Wo sehen Sie Ihre Technik in fünf Jahren?
In fünf Jahren wollen wir mehrere große DAC-Anlagen im Einsatz haben, um damit global jährlich eine Millionen Tonnen CO₂ aus der Luft zu ziehen. Hierfür brauchen wir erstens die richtigen Skalierungspartner, die uns helfen, die Technologie weltweit auszurollen, und zweitens eine genügend große Finanzierungsstruktur.

Ihr Tipp an angehende Ingenieur*innen, die Lust haben, die Welt zu verbessern: Was sollten sie unbedingt tun – und was unbedingt vermeiden?
Sie sollten sich ausprobieren und kalkuliert Risiken eingehen. Idealerweise lernt man von jemandem, der die Erfahrung, die man selbst machen möchte, bereits gemacht hat. Sprich, man sollte den richtigen Mentor finden. Vermeiden sollte man im Umkehrschluss, einen zu sicheren Weg zu gehen. Denn wenn man sich für etwas mehr Risiko entscheidet, merkt man häufig, dass dieses Risiko gar nicht so groß ist. Erst recht nicht, wenn man jung ist.

Zum Unternehmen

NeoCarbon steht für den Ansatz, aus einem technischen Problem eine Lösung abzuleiten. Immer wieder wurden die Gründer René Haas und Silvain Toromanoff mit der Tatsache konfrontiert, dass das Abscheiden von CO₂ aus der Luft sehr viel Energie und damit Geld kostet. Was also, so der Gedanke der Gründer, wenn wir das Verfahren dort durchführen, wo ungenutzte Energie anfällt? Die Innovation von NeoCarbon besteht darin, für die Prozesse die Abwärme und den Luftstrom von Kühltürmen von Fabriken, Shoppingmalls oder Bürogebäuden zu nutzen. Die Investoren glauben an die Idee: Bei einer Finanzierungsrunde sammelte das Start-up 3,2 Millionen Euro ein, wie NeoCarbon Anfang 2024 vermeldete.

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