Mit dem Telefon die Welt verbessern

Foto: Fotolia/kantver
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Claudia Winkler hat umgesattelt – früher war sie im Vorstand eines international tätigen Mobilfunkunternehmens, jetzt baut sie ein Mobilfunk Start-up als Social Business auf: Seit Februar gibt es in Deutschland den sozialen Mobilfunkanbieter goood. Mit dem monatlichen Paketpreis unterstützen Kunden automatisch ein gemeinnütziges Projekt ihrer Wahl. In ihrem Gastartikel erklärt Claudia Winkler, warum der Sommer 2015 sie zum Umdenken gebracht hat und die Gesellschaft mehr Verantwortung übernehmen sollte.

Unsere Gesellschaft driftet zunehmend auseinander, die soziale Ungleichheit und die Polarisierung in der Gesellschaft wachsen. Das bringt höhere Verantwortung für jeden Einzelnen mit sich. Jeder von uns kann täglich selbst entscheiden, ob er die Gesellschaft mitgestalten möchte und welche Werte ihm persönlich wichtig sind. Mir wurde das im „Flüchtlingssommer“ 2015 bewusst, deshalb gründete ich damals gemeinsam mit anderen die Inklusionsinitiative „Fremde werden Freunde“, mit der wir aktiv bei der Integration von Geflüchteten helfen, und heute baue ich ein Mobilfunknetz als Social Business aus.

Aktiv mitgestalten

Insgesamt 17 Jahre lang war ich im klassischen Mobilfunk tätig, baute das Marketing der kroatischen Tochtermarke der mobilkom aus, war internationaler Marketingvorstand der Telekom Austria Group und Aufsichtsrat in acht Tochterunternehmen in Zentralund Osteuropa. Ich sage gerne: „Setz mich an einem Ort irgendwo auf der Welt aus, und ich baue dir die Vermarktung eines Mobilfunknetzes auf.“

Nach einigen Überlegungen im Sommer 2015 und der Ausbildung zu sozialer Innovation, wurde mir klar: Ich will helfen und meine Fähigkeiten sinnvoll einsetzen. Mit goood, Deutschlands erstem sozialen Mobilfunkanbieter, übernehme ich nun gemeinsam mit meinen Gründungskollegen gezielt gesellschaftliche Verantwortung.

Neue Perspektive:
Social Entrepreneurship Akademie

In München haben sich vier Hochschulen zusammengeschlossen, um die Social Entrepreneurship Akademie zu gründen – diese qualifiziert Jungunternehmer in Social Business und schafft Raum, um eigene soziale Projekte umzusetzen und die Gründung eines Unternehmens zu begleiten. Aktuell bietet die Akademie Studierenden und Young Professionals das Zertifikatsprogramm „Gesellschaftliche Innovationen“ an und fördert soziale Gründungsprojekte gezielt durch Coaching und Mentoring. Bereits 2012 wurde die Akademie im Rahmen der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ als „Ausgewählter Ort“ ausgezeichnet. www.seakademie.de

Die Idee dazu ist einfach: Wer sich für unseren Mobilfunktarif entscheidet, spendet zehn Prozent des Rechnungsbetrags an eine gemeinnützige Organisation seiner Wahl aus dem sozialen oder umweltbezogenen Bereich. Man kann also surfen, telefonieren und gleichzeitig spenden. Auch intern agieren wir nach sozialen Maßstäben: Wir rechnen damit, dass unser Geschäftsmodell in absehbarer Zeit profitabel wird, dann wollen wir 25 Prozent unseres Profits in andere Social Businesses investieren.

Außerdem setzen wir auf flache Hierarchien und haben uns holokratisch organisiert, das bedeutet: Jeder im Team entscheidet mit, und Prozesse laufen durch alle Ebenen transparent ab. Unsere Expertengruppen aus dem gewinnorientierten und nicht-gewinnorientierten Bereich sind vielfältig – unsere jüngsten Mitarbeiter sind unter 30, die ältesten über 60 Jahre alt. Jeder bringt seine Stärken ins Spiel, und so profitieren wir alle vom Wissensaustausch und erleben hautnah, dass alternative Wirtschaftsmodelle durchaus funktionieren. Täglich stellen wir uns im Team den Gegensätzen, die aus Gewinnorientierung und gleichzeitiger sozialer Verantwortung entstehen.

Wirtschaftlich denken, sozial handeln

Warum soll es ein Widerspruch sein, wirtschaftlich und sozial zu denken? Ich bin überzeugt davon, dass Unternehmen, die gesellschaftliche Wirkung in den Mittelpunkt stellen, automatisch wirtschaftlich erfolgreich sind, solange sie authentisch bleiben und mit der Motivation handeln, etwas Positives zu bewirken. Unser Rechenszenario besagt: Wenn nur ein Prozent der deutschen Mobilfunkkunden zu goood wechseln würde, könnten innerhalb der nächsten fünf Jahre 40 Millionen Euro für gemeinnützige Projekte generiert werden.

Social Businesses sind in Deutschland ein relativ junges Geschäftsfeld. Das hat Vor- und Nachteile:Wer ein Social Business gründet, betritt eher Neuland, als jemand der ein Tech-Start-up gründet – das beginnt schon bei der Definition. Was ist ein Social Business? Was ist die gesellschaftliche Wirkung, die erzielt werden kann? Innovation wird von Investoren oder Förderstellen oft als technische Innovation interpretiert, soziale Innovation kommt dabei häufig zu kurz. Aber dass es keine fixen Regeln und festgefahrenen Strukturen gibt, hat auch Vorteile: Jeder kann einsteigen und die Zukunft mitgestalten. Jeder wird gehört.

Werde ich gefragt, ob es eine gute Idee ist, in ein Social Business einzusteigen, bejahe ich das immer. Nicht nur, weil eine sinnstiftende Arbeit ganz anders motiviert als konventionell profitorientierte. Ich tue das vor allem, weil ich für Absolventen eine Chance sehe, die sich auch mir am Anfang meiner Karriere in der Mobilfunkbranche – damals auch eine sehr junge Branche – aufgetan hat: Es herrschte massiver Mangel an Leuten mit Know-how, da es ein neues Geschäftsfeld war und jeder, der mitdachte, war willkommen und konnte gestalten. Es war egal, ob Mann oder Frau, alt oder jung. Netzwerke wurden von Null aufgebaut, und man hatte unendlich erscheinende Möglichkeiten. Geht man hingegen heute in einen Telekommunikations-Konzern oder auch in eine etablierte Non-Profit-Organisation, gibt es klare Regeln: Alles ist etabliert, mitgestalten kann man da nur mehr beschränkt.

Ich empfehle allen, die gerne gestalten, Social Business. Auch nicht ganz uneigennützig: Je mehr Leute diesen Weg gehen, umso mehr können wir gemeinsam bewegen. Mein persönliches Plädoyer an die junge Generation ist daher ein Zitat:„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.” Dieser Satz von Erich Kästner ist die ultimative Aufforderung, aktiv zu werden. Wir sind die Schmiede unseres eigenen Glücks. Je mehr Menschen sich aufmachen, aktiv für unsere Gesellschaft zu arbeiten, umso mehr können wir bewegen.

Mehr Informationen unter: www.goood.de