Girls for Global Goals

Foto: AdobeStock/ Seventyfour
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Das Ingenieurwesen ist nach wie vor hauptsächlich in Männerhand. Nur 18 Prozent der erwerbstätigen Ingenieure sind laut Angaben des VDI weiblich, der Anteil der Ingenieurstudentinnen liegt aktuell bei 23 Prozent. Warum Frauen im Ingenieurwesen so wichtig sind, erklären Dr.-Ing. Katja Maria Engel, Ingenieurin der Werkstoff wissenschaften und Wissenschaftsjournalistin, und Prof. Dr.-Ing. Anna Kerstin Usbeck, Prodekanin für das Ressort Forschung an der Fakultät Technik und Informatik der HAW Hamburg.

Vielleicht war Cäcilie Berta Benz eine der ersten Ingenieurinnen. Denn als die junge Frau sich im August 1888 auf den dreirädrigen Motorwagen setzt und die erste längere Versuchsfahrt über 106 Kilometer von Mannheim nach Pforzheim wagt, treten während der Fahrt technische Schwierigkeiten auf. Insbesondere eine mangelhafte Klotzbremse sorgt für einen erhöhten Adrenalinspiegel, bei rasend schnellen Bergabfahrten. Noch unterwegs analysiert sie das technische Problem und löst es, indem sie die Bremsbeläge erfindet und diese kurzerhand selber einbaut. Auch heute, 130 Jahre später, rasen wir auf etwas zu: den Klimawandel mit katastrophalen Folgen für einen großen Teil der Menschheit. Um sie abzumildern, brauchen wir allen technischen Verstand. Alle gesellschaftlichen Kräfte müssen zusammenarbeiten, um praktikable Lösungen zu finden und zu entwickeln. Allerdings sind Ingenieurinnen hier unterrepräsentiert. So beklagt Kerstin Stendahl, stellvertretende Sekretärin des Weltklimarates, den zu geringen Anteil von 23 Prozent Frauen, die öffentlich an Klimastudien mitarbeiten, denn: „Es hat sich gezeigt, dass, wenn man Männer und Frauen gleichberechtigt einbezieht, die Produkte in der Regel viel solider und besser sind.“

Ringvorlesung Nachhaltigkeit:

Zu den Themen der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN soll an der HAW, Fakultät „Technik und Informatik“, eine Ringvorlesung stattfinden, der Termin steht noch nicht fest. Weitere Infos: www.tech17.de

Nochmal: Girls for Global Goals

Die Vorbereitungen für einen „Tag der Girls for Global Goals“ im Herbst 2020 mit Vorträgen und einer Podiumsdiskussion laufen bereits. Wer auf dem Laufenden gehalten werden möchte, kann sich auf der Internetseite www.girls-for-global-goals.com in eine Liste eintragen.

Fakultät Technik und Informatik der HAW Hamburg

www.haw-hamburg.de/ti.html

Wie gut Frauen sind, zeigt auch ein Beispiel an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Zwei der vier Preise für die besten Abschlussarbeiten des Departments „Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau“ gingen dieses Jahr an Ingenieurinnen. Und das, obwohl sie weniger als 15 Prozent der Studierenden ausmachen. In den vergangenen Jahren hat die Fakultät „Technik und Informatik“ die Zahl der Professorinnen konsequent ausgebaut, wenn auch immer noch auf sehr niedrigem Niveau. In Zusammenarbeit mit dem Hamburger Programm „ProExzellenzia“, das sich speziell für exzellente Forscherinnen aus dem MINT-Bereich engagiert, wurden insgesamt 15 Promotionen von Frauen gefördert.

Lösungen für drängende Probleme

Um bundesweit mehr Frauen für die Arbeit an nachhaltigen Technologien zu finden, zu begeistern und zu vernetzen, rief die Autorin dieses Beitrags, Prof. Anna Usbeck, „Girls for Global Goals“ ins Leben. Grundlage sind die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die weltweit die Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, aber auch sozialer und ökologischer Ebene dienen sollen – und zwar für alle Staaten auf der Welt. Auch die Gleichstellung der Geschlechter gehört zu diesen Zielen. Die erste Veranstaltung der „Girls for Global Goals“ fand im November 2019 an der HAW Hamburg statt. In Theorie und Praxis sollte die Tagung den Ingenieurinnen und Studentinnen eine Plattform bieten, um über Lösungen für die drängenden Probleme der Welt zu diskutieren. Der Austausch zwischen berufserfahrenen Frauen und jungen Berufsanfängerinnen sollte auf beiden Seiten zu kreativen und umsetzbaren Ideen führen.

Die Ingenieurwissenschaften sind nicht mehr in sich geschlossen, sondern die Produkte sind in Systeme eingebettet. Zum Beispiel geht es heutzutage um Mobilität und Verkehrsplanung, statt das einzelne Auto zu betrachten. Daher ist zukünftig mehr Interdisziplinarität bei der Entwicklung von Systemen gefordert. Frauen können das gut. Und es ist für viele Frauen oft interessanter, als zum Beispiel „nur“ zu konstruieren. Denn mit der Digitalisierung werden zunehmend smarte Produkte wie mechatronische und selbstregelnde Systeme entwickelt, die vernetzt arbeiten. Auch bei der Entwicklung von Algorithmen für die künstliche Intelligenz müssen sinnvolle Fragestellungen und ethische Grenzen mitgedacht werden. Auch die HAW Hamburg plant, sich an den Sustainable Development Goals auszurichten. Zukünftige Ingenieurinnen, die für eine nachhaltige Zukunft arbeiten wollen, finden hier ein solides Grundwissen zu den benötigten Technologien. Denn auch Wasserwirtschaft, Stromversorgung, Mobilität und Produktion brauchen nachhaltige Lösungen.

Themen der Tagung Girls for Global Goals

Im Startvortrag auf der Tagung „Girls for Global Goals“ im vorigen November stellte Prof. Dr. h.c. Christa Randzio-Plath den Kampf um nachhaltige Entwicklungspolitik vor. Sie fragte, wie Ungleichheit überwunden und Geschlechtergleichheit durchgesetzt werden kann. Technische Aspekte standen im Vortrag von Prof. Anika Sievers im Mittelpunkt: „Wir entwickeln Produkte. Diese müssen nach Nutzungsende entsorgt werden. Aber wo landen diese?“ Sie erforscht unter dem Titel „Erst der Teller, dann der Tank!“ die Herstellung erneuerbarer Kraftstoffe aus Altspeisefetten mit dem READi™-Verfahren. „Wie fördert die Digitalisierung längst überkommene Geschlechter-Stereotype, die sich in KI-Algorithmen manifestieren?“ fragte die Genderforscherin Doris Cornils. Sie zeigte mit Auswertungen von Internetdaten, wie Frauen häufiger mit „Küche“ und „Familie“, Männer dagegen mit „Auto“ und „Technik“ verknüpft werden. Als vorbildliches Engagement stellten die Studierenden der Hochschule Emden-Leer die Ergebnisse der Nachhaltigkeits initiative von Prof. Kathrin Ottink vor. Sie verbindet ihre Lehre zum Beispiel mit dem Bau innovativer Fahrradreparatur ständer oder einem Solarbootwettbewerb, um zu zeigen, wie sich die Ressourcen schonen lassen. Und die Berliner Studentin Theresa Jansen berichtete über das „Netzwerk Blue Engineering – Ingenieurinnen und Ingenieure mit sozialer und ökologischer Verantwortung“.

www.blue-engineering.org