Operation am Ende der Welt

Foto: Ärzte ohne Grenzen
Foto: Ärzte ohne Grenzen

„Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières“ wurde 1971 von französischen Ärzten und Journalisten gegründet. Die private, regierungsunabhängige humanitäre Organisation leistet medizinische Nothilfe in Katastrophenoder Konfliktgebieten, unabhängig von der politischen oder religiösen Überzeugung oder der ethnischen Herkunft der Menschen. Die Organisation hat Sektionen in 19 Ländern und ist heute in mehr als 60 Ländern aktiv. Aufgezeichnet von Stefan Trees

Dr. Tankred Stöbe, Foto: Barbara Sigge
Dr. Tankred Stöbe, Foto: Barbara Sigge

Dr. Tankred Stöbe, Notfallmediziner und Internist, Präsident der deutschen Sektion von „Ärzte ohne Grenzen“
Projekt: Ärzte ohne Grenzen e.V./Médecins Sans Frontières (MSF)
Ort: Weltweit
Facebook: www.facebook.com/aerzteohnegrenzenMSF

Wie alles anfing
Schon als Medizinstudent wollte ich meine Ausbildung später für jene Menschen einsetzen, denen sonst keine Hilfe zukommt. Meine Famulaturen machte ich deshalb unter anderem in Kenia, Lesotho und Indien. Nach Studium und dreieinhalb Jahren Arbeit als Akutmediziner in Deutschland fragte ich mich: War das jetzt schon alles? Ich hatte den Wunsch, medizinisch noch einmal eine andere Richtung kennenzulernen, und bewarb mich auf den Hinweis eines Freundes bei „Ärzte ohne Grenzen“. Das war vor zehn Jahren. Mein erster Einsatz führte mich nach Myanmar. In zehn Dörfern mitten im Urwald versorgten wir die dorthin Vertriebenen medizinisch mit allem, was sie brauchten.

Warum ich das mache
Eine ärztliche Behandlung ist immer eine elementare, existenzielle Begegnung zwischen zwei Menschen – dem Helfenden und dem, der Hilfe braucht. Die Begegnung im medizinischen Schlaraffenland Deutschland ist jedoch eine andere als bei einem Einsatz mit „Ärzte ohne Grenzen“, wenn ich einem Menschen in der unglaublichen Not helfe, die durch einen Bürgerkrieg oder eine Naturkatastrophe verursacht wurde.

Die gesamte Sinnstiftung des ärztlichen Berufs habe ich in Deutschland nie so deutlich erlebt wie bei meinem ersten Einsatz in Myanmar, wo unzählige Menschen keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hatten. Die Möglichkeit, mit wenigen Mitarbeitern und ganz wenigen Medikamenten viele Menschenleben zu retten – das ist Medizin, wie ich sie mir effektiver und schöner nicht vorstellen kann. Das hat mich in meinen bislang zehn Einsätzen immer wieder fasziniert.

Die persönliche Herausforderung ist dabei groß. In Syrien haben wir beispielsweise in einem Gebiet gearbeitet, wo es täglich Bombeneinschläge in der Nähe gab. Da frage ich mich schon: Geht das spurlos an mir vorbei? Zugleich machen diese prekären äußeren Umstände die Notfallmedizin noch einmal unentbehrlicher. Und das Spannungsfeld zwischen medizinischer Not und Rahmenbedingungen, die Hilfe erschweren, fordert mich sehr heraus.

Was es bislang gebracht hat
In über 40 Jahren hat „Ärzte ohne Grenzen“ Millionen Menschen medizinische Versorgung geboten. Doch auch wenn unsere Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ heißt, sind unsere Ressourcen begrenzt. Wir müssen daher genau planen, wie und wo wir unsere Hilfe am besten einsetzen, um den größtmöglichen Unterschied zu machen.

Wie verhalten wir uns beispielsweise in einem Konflikt wie in Syrien? Dort werden Krankenhäuser gezielt angegriffen. Die Gefahr auch für humanitäre Helfer ist enorm. Zugleich sehen wir die akute medizinische Not. Auch die Behandlung chronischer Erkrankungen wie HIV/Aids oder Tuberkulose stellen eine große Herausforderung dar. So versorgen wir zum Beispiel in Simbabwe oder Myanmar schon seit Jahren Zehntausende mit lebenswichtigen Medikamenten. „Ärzte ohne Grenzen“ behandelt derzeit mehr als 60 Prozent aller an HIV/Aids Erkrankten in Myanmar. Das ist eindrucksvoll, und hier machen wir mit unserem Engagement einen deutlichen Unterschied. Dennoch wollen wir nie ein Gesundheitssystem in einem Land ersetzen, das bleibt eine nationale Aufgabe.

Wohin mich mein nächster Einsatz führt, ist noch nicht klar. Im Sommer nehme ich mir mehrere Wochen frei, dann stelle ich mich zur Verfügung. Ich werde dann dort hingehen, wo die Not am größten ist oder ich mit meinem fachlichen Können am sinnvollsten eingesetzt werden kann.

Gut ein Drittel der über 14-Jährigen in Deutschland engagiert sich ehrenamtlich. Neben ihrem Beruf leisten sie Arbeit, die ihrem Leben einen Sinn verleiht, erfüllend ist und die Akkus wieder auflädt. Wer sich engagiert und für andere Menschen einsetzt, fördert also die eigene Work-Life-Balance.Welche Möglichkeiten es dazu noch gibt und warum die intelligente Verzahnung von Work und Life so wichtig ist, diesen Fragen hat der karriereführer hochschulen zwei Ausgaben gewidmet: Work-Life-Balance und Gesundheitsmanagement: karrieref.walhalla0299.nbsp.de/karrierefuehrer-hochschulen

Buchtipp: 55 Gründe, Arzt zu werden

„… weil Ärzte Gutes tun“ – das ist nur einer von 55 Gründen, Arzt zu werden. Alle 55 hat Markus Müschenich, selbst Kinderarzt und Gesundheitswissenschaftler, in seinem Buch gesammelt. Seine Argumente sind humorvoll, sein Appell leidenschaftlich: Arzt ist immer noch ein Traumberuf!

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