Diversity: „Es verbirgt sich viel mehr dahinter“

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Viele Branchen und Unternehmen leiden unter dem Fachkräftemangel. Vor diesem Hintergrund ist es wirtschaftspolitisch unvernünftig, auf einzelne Gesellschaftsgruppierungen zu verzichten, erklärt die Juristin Dr. Heike Kroll, Geschäftsführerin und Leiterin des Frauennetzwerks beim Verband Die Führungskräfte e.V. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Dr. Heike Kroll, Foto: DFK

Dr. Heike Kroll ist Geschäftsführerin und Leiterin des Frauennetzwerks beim Verband Die Führungskräfte e.V.  Weitere Informationen:
www.diefuehrungskraefte.de

Frau Dr. Kroll, was beinhaltet der Begriff Diversity für Sie?
Ganz viel. Es ist schade, dass er oft nur auf das Thema Frauen in Führungspositionen beschränkt wird. Denn es verbirgt sich viel mehr dahinter: altersgemischte Teams, Mitarbeiter mit und ohne Migrationshintergrund oder zum Beispiel Mitarbeiter mit Behinderung.

Warum ist das Thema für die Gesellschaft und die Unternehmen so wichtig?
Wir können den Fachkräftemangel bei uns nicht einfach ignorieren. Nehmen wir als Beispiel das Geschlechterthema: Wenn man das eine Geschlecht außen vor lässt und für gewisse Positionen und Berufe gar nicht erst in Betracht zieht, ist das wirtschaftspolitisch unvernünftig. Man darf auf dieses Potenzial nicht verzichten – man kann heute auf keine Gruppe mehr verzichten. Als Arbeitsrechtlerin bekomme ich zum Beispiel mit, wie schnell sich Unternehmen von älteren Mitarbeitern – wir sprechen hier schon von 50plus, also nicht wirklich alten Menschen –trennen. Nicht selten liegen die Gründe dafür in dem im Vergleich zu den jüngeren Mitarbeitern zu hohen Gehältern. Doch damit verzichtet man auf unheimlich viel Knowhow. Ältere Mitarbeiter haben in der Regel sehr gute Verbindungen, große Netzwerke, viel Wissen. Wenn man diese Mitarbeiter entfernt, steht man plötzlich ohne dieses Wissen da. Zudem ist bekannt, dass gemischte Teams in der Regel viel bessere Ergebnisse produzieren, da von unterschiedlichen Seiten und aus verschiedenen Blickwinkeln Ideen einfließen.

Bessere Ergebnisse sind das eine, was gewinnt ein Unternehmen noch durch Vielfalt?
Eine insgesamt nettere Unternehmenskultur, in der die Einzelnen lernen, offener und vorurteilsfreier mit anderen umzugehen. Nichts baut Vorurteile besser ab, als mit den Menschen konfrontiert zu werden, gegenüber denen man die Vorurteile hat. Nur wenn man seine eigenen Vorurteile los ist, kann man sich für mehr Verständnis einsetzen. Was braucht es, um das Thema tatsächlich mit Leben zu füllen?

Weiche Bekenntnisse reichen auf jeden Fall nicht aus. Letztlich funktioniert Diversity nur, wenn die Initiative vom Top-Management unterstützt und gefördert wird, wenn immer wieder nachgehakt wird und gesetzte Ziele auch mit Nachdruck verfolgt werden. Das Thema braucht einen „Paten“ aus der Führungsmannschaft, der es sich zu eigen macht.

Ist die mangelnde Kommunikation von oben somit einer der Hauptknackpunkte bei der Umsetzung?
Ich glaube ja. Wenn nicht eindeutig deutlich gemacht wird, dass Vielfalt erwünscht wird, ist das hinderlich. Benötigt wird eine ehrlich gemeinte Willkommenskultur für alle. Das wird häufig nicht vorgelebt, da man in manchen Positionen doch offensichtlich gerne unter seinesgleichen bleibt. Ich denke hier gerade an Aufsichtsräte und Vorstände. In den Führungsgremien muss Diversity gelebt werden. Das funktioniert nur, wenn auch „Andere“ aufgenommen werden, die nicht in das bisherige Schema passen.

In Bezug auf die Anwalts- und Kanzleiwelt könnte man meinen, dass die Anwaltschaft schon alleine wegen der Gesetze für alle Formen der Diskriminierung sensibilisiert ist.
Eigentlich schon. Der Anwalt arbeitet von Berufswegen mit Gesetzen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gibt es immerhin auch schon seit elf Jahren. Das Gesetz ist auch ein Wegweiser, um ein stärkeres Bewusstsein für diese Themen zu schaffen. Eigentlich müssten gerade die Anwaltskanzleien mit gutem Beispiel vorangehen und diskriminierungsfrei Einstellungen und Beförderungen vornehmen. Ob das aber tatsächlich so ist, ist die Frage.

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Im Verband Die Führungskräfte e.V. sind Sie die Leiterin des Frauennetzwerks. Wie wichtig sind Netzwerke?
Grundsätzlich sind Netzwerke sehr wichtig, früher sind sie von Frauen meines Erachtens unterschätzt worden. Heute wissen Frauen, dass es wichtig ist, zu Netzwerktreffen zu gehen und Kontakte aufzubauen – sowohl zu Männern als auch zu Frauen. Wer heutzutage der Auffassung ist, alleine durch gute Leistungen in eine TopPosition zu kommen, der irrt gewaltig. Ohne unternehmensinterne und unternehmensübergreifende Netzwerke ist der Aufstieg ganz schwierig.

Was ist ihr Tipp zur Vorgehensweise diesbezüglich für Einsteiger?
Wer früh berufliche Kontakte knüpfen will, sollte sich einem Berufsverband oder anderen Organisationen anschließen, die jungen Leuten den ersten Blick in die Berufswelt eröffnen. Für diejenigen, die erst nach dem Einstieg in das Berufsleben mit dem Netzwerken beginnen, könnte es unter Umständen zu spät sein, da sie vielleicht aus Unkenntnis das falsche Unternehmen für ihren Berufsstart gewählt haben. Auch hier lohnt sich der Besuch von Treffen mit gemischtem Publikum: Also wo man Mitarbeiter Großund mittelständischer Unternehmen aller Branchen trifft. Nur so erfährt man aus Gesprächen, welches Unternehmen gut zu einem selbst und zu den eigenen Karriereplänen passt.

Zum Verband

Der Berufsverband der Fachund Führungskräfte „Die Führungskräfte“ hat rund 25.000 Mitglieder. Diesen bietet er eine umfassende Karriereunterstützung sowie Beratungsleistungen für den beruflichen Erfolg unter anderem mit einem Frauennetzwerk. Linktipp: Der Verband betreibt auch Netzwerkar beit im Hinblick auf „Young Leaders“:
www.diefuehrungskraefte.de/netzwerk/youngleaders