Dr. Anja Hartmann war Top-Beraterin bei McKinsey, heute ist sie als selbstständige Beraterin für zahlreiche DAX30-Unternehmen tätig. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie sich die Digitalisierung auf die Consulting-Branche auswirkt. Die Fragen stellte Elisa Maifeld.
Frau Dr. Hartmann, wagen wir einen Blick in die digitale Zukunft: Vor welchen Herausforderungen und Chancen stehen die Unternehmen?
Auch im digitalen Zeitalter geht es im Kern weiter darum, dass und wie Menschen miteinander kommunizieren und interagieren. Unternehmen, die ihre Zielgruppe genau kennen, werden auch die Möglichkeiten der Digitalisierung erfolgreich nutzen. Die größte Herausforderung ist es, dass wir alle – Unternehmen wie Individuen – nicht aus den Augen verlieren dürfen, dass am Anfang und am Ende aller digitalen Prozesse immer (noch) Menschen stehen.
Besonders spannend finde ich, wie durch die digitale Transformation ganze Branchen und Unternehmen auseinanderfallen und sich anschließend komplett neu sortieren. Unternehmen werden in Branchen wettbewerbsfähig, in denen sie bisher keine Rolle gespielt haben – und umgekehrt: Etablierte Spieler sehen sich mit neuen Wettbewerbern konfrontiert, die sie klassischerweise nie auf dem Wettbewerbsradar hatten. Die Aktivitäten von Google im Energie- oder Auto-Umfeld sind dafür ein bekanntes Beispiel, aber auch traditionellere Unternehmen entdecken, dass ihnen ihre Daten oder ihr Wissen digitale Einstiege in ganz andere Branchen erlauben.
Welche Rolle kann die neue Generation von Wirtschaftsexperten einnehmen?
Unternehmen werden auch in Zukunft immer nach Expertise außerhalb ihrer Unternehmensgrenzen suchen – zur Ergänzung ihrer eigenen Kompetenzen und Perspektiven, aus Mangel an hauseigenen Ressourcen, oder auch einfach zur Inspiration. Erfolgreiche Berater brauchen demnach einerseits spezifische technische, fachliche oder branchentypische Kompetenzen – wer berät, sollte bestimmte Industrien und Geschäftsmodelle im Detail kennen.
Veranstaltungstipp der Redaktion
Das Ada Lovelace Festival ist eine Plattform für Young Professionals aus der Informatik- und Technologiebranche, um sich über die neuesten Trends, Forschungsergebnisse und Erfolgsgeschichten von Frauen in der IT auszutauschen. Connecting Women in Computing & Technology 19.-20. Oktober 2017 in Berlin
Andererseits entsteht der Mehrwert von Beratung aus der Fähigkeit, über Branchen- und Unternehmensgrenzen hinweg Muster zu erkennen, Ansätze in geeigneter Weise zu übertragen und dadurch kreative Lösungen zu entwickeln. Hierzu braucht es überfachliche Kompetenzen, die auf ganz verschiedene Weise erworben werden können – soziales Engagement, persönliche Lieblingsprojekte oder künstlerische Tätigkeiten können genauso einen Beitrag leisten wie die eigentlichen Studien- oder Ausbildungsinhalte.
Weltweit werden zunehmend konzerneigene Inhouse-Consulting- Abteilungen mit Aufgaben der Unternehmensberatung betraut. Wie wirkt sich das aus?
Inhouse-Consultants spielen in vielen Unternehmen eine wichtige Rolle und sind oft ein Katalysator für die Karriere- und Persönlichkeitsentwicklung gerade junger, engagierter Mitarbeiter. Das ist auch eine Chance für externe Berater, da in der Zusammenarbeit Probleme oft sehr effizient und effektiv angegangen werden können: Der Inhouse-Consultant bringt die Kenntnis der internen Abläufe mit und versteht gleichzeitig die Methoden des externen Beraters; der externe Berater bringt Wissen aus dem Markt mit und kann über die Methodenschnittstelle schnell und wirksam im Unternehmen agieren. Ganz abgesehen davon ist der Einstieg über die Inhouse-Beratung für viele ehemalige externe Berater ein hervorragender Schritt in eine Unternehmenskarriere.