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Green Impact: Grüne Technik, die wirkt

Das Thema GreenTech tritt in eine neue Phase. Ingenieure stehen vor der Herausforderung, umsetzbare Lösungen zu finden, die Außergewöhnliches leisten und nebenbei keine weiteren Schäden verursachen. Im Zusammenspiel mit Data-Spezialisten und Ökologen werden Ingenieure damit zu Garanten einer lebenswerten Zukunft – und dürfen dabei auf Unternehmen setzen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben. Von André Boße

Der blaue Planet leuchtet beachtlich grün. Zumindest tut er das auf einer besonderen Weltkarte, die das Crowther Lab auf seiner Website veröffentlicht hat. Tom Crowther ist Leiter dieser Denkfabrik, die an die ETH Zürich angedockt ist. Seit vielen Jahren denkt der 33 Jahre alte Ökologie-Professor darüber nach, wie es gelingen kann, die von Menschen verursachte Erderwärmung abzumildern – und zwar auf natürliche Art. „Inspiriert von der Natur. Angetrieben von der Wissenschaft“, lautet das Motto der Forschungsinstitution, in der unter anderem Agrar- oder Forstingenieure tätig sind. Im Juli 2019 ging das Crowther Lab mit einer Idee an die Öffentlichkeit, die für enorme Aufmerksamkeit sorgte: „Wie Bäume das Klima retten“ lautete die Überschrift der Zusammenfassung einer Studie, publiziert im Wissenschaftsmagazin „Science“. Der Ansatz: Fast eine Milliarde Hektar auf der Erdoberfläche bieten sich dafür an, sie neu oder wieder zu bewalden. Gelingt diese Aufforstung, würden die dort wachsenden Bäume zwei Drittel aller von Menschen verursachten Ausstöße an CO2 binden. Eigentlich ganz einfach. Denn Bäume zu pflanzen – das ist wirklich ein Kinderspiel.

Gute Ideen benötigen Ingenieure für die Umsetzung

Nun, ganz so simpel ist es natürlich nicht. Nicht jeder Baum an jedem Ort bindet gleich viel Treibhausgase. Zudem ist es illusorisch, dort aufzuforsten, wo Menschen leben, die Landwirtschaft betreiben oder in industriellen Betrieben arbeiten.

Crowther Lab

Auf der Website des Crowther Lab, einem Spin-off der ETH Zürich, findet sich die biografische Weltkarte der Erde, auf der sich einsehen lässt, wo und wie sinnvoll eine Aufforstung möglich ist. Die Homepage bietet darüber hinaus eine Reihe von Publikationen und Studien, die sich Lösungen widmen, die Erderwärmung mithilfe von Maßnahmen abzumildern, die Ökologie und Technik zusammendenken.

www.crowtherlab.com

All dies haben die Züricher Forscher bedacht. Auf der leuchtenden Karte auf ihrer Website weisen Crowther und sein Team Zonen aus, in denen die Aufforstung aufgrund diverser Faktoren besonders sinnvoll ist – diese Gebiete sind in ein besonders kräftiges Grün gefärbt. Grundlage für die Bewertung sind verschiedene Kategorien, die anhand von Daten erstellt werden: Wie warm oder kalt ist es in den Gebieten, wie oft friert es oder fällt Schnee, wie ist der Grad der Verdunstung? Und weiterführend: Wie ist es um die Fruchtbarkeit des Bodens bestellt, welche Rolle spielen Pilzkulturen, wie viel Stickstoff ist in den Mineralen gebunden? Alle diese Informationen spielen eine wichtige Rolle, um herauszufinden, wo das klimaregulierende Potenzial einer neuen Bewaldung besonders groß ist. Schnell zeigt sich dabei, dass die sinnvolle Wiederaufforstung der Erde alles andere als ein Kinderspiel ist. Dahinter steckt ein komplexer Ansatz, bei dem verschiedene Disziplinen kooperieren müssen: Ingenieure und Datenspezialisten, Ökologen und Biologen.

Die Wirtschaft steht vor der Aufgabe, Lösungen zu finden, um die ersten durch den Klimawandel verursachten und nicht mehr zu vermeidenden Schäden zu beheben.

Die Idee des Crowther Lab steht beispielhaft für Großprojekte, wie es sie in Zukunft einige geben wird: Gefragt sind Techniken mit möglichst großem „Green Impact“, die also positiven Einfluss auf Ökosysteme ausüben. Damit stehen wir vor einer neuen Phase von GreenTech: Bisher ging es bislang hauptsächlich darum, ökologisches Denken in Unternehmen und der Gesellschaft zu etablieren und an ersten Stellschrauben zu drehen – sei es bei der Energieeffizienz oder der Müllvermeidung. Nun steht die globale Wirtschaft vor der Aufgabe, Lösungen zu finden, um die ersten durch den Klimawandel verursachten und nicht mehr zu vermeidenden Schäden zu beheben sowie die Erderwärmung ab jetzt effektiv abzumildern. Wie man es dreht und wendet: Weder kommen dabei die Ingenieure ohne Data-Spezialisten und Ökologen aus, noch können diese auf das Know-how der Ingenieure verzichten. Die Disziplinen sind aufeinander angewiesen. Es beginnt ein neues Zeitalter der Kooperationen zwischen den Disziplinen. Und natürlich auch zwischen den Staaten.

Daten führen zu neuen Techniken

Die Herausforderung wird sein, anhand von vernetzten Daten gewonnene Informationen sowie die Kenntnisse der Ökosystem-Experten mit technischen Lösungsansätzen zu kombinieren. Mehr denn je werden Ingenieure dabei zu Akteuren, die mehr im Sinn haben, als im Unternehmen ihre Pflicht zu erfüllen. Der Einfluss von Ingenieuren auf das ökologische und soziale Wohlergehen der Welt wächst. Und zwar unabhängig davon, ob sie in der Forschung tätig sind oder in technischen Unternehmen. Gerade in diesen nimmt die soziale und ökologische Verantwortung zu – was die Unternehmen auch erkennen und die Weichen entsprechend stellen. Ein Beispiel dafür sind die Verpflichtungen zum Umweltschutz, die sich die Telekom mit ihrer „Environment Guideline“ selbst auferlegt hat. Klar, solche Richtlinien sind schnell geschrieben. Doch weil der Konzern nicht nur die Verantwortung für sein eigenes Geschäft übernimmt, sondern auch für das seiner Lieferanten, und weil er diese mit einem „Supplier Code of Conduct“ auf grüne Linie bringt, darf man durchaus erwarten, dass auf gut formulierte „Guidelines“ tatsächliche Handlungen folgen. Zumal die Telekom darüber hinaus konzernübergreifend ein Umwelt-Management-System implementiert hat und dieses von externen Auditoren zertifizieren lässt. Mit der Folge, dass für die Techniker und Ingenieure im Betrieb das ökologisch verantwortliche Vorausdenken genauso zur Voraussetzung für eine erfolgreiche Karriere wird wie ökonomisches Handeln.

Forscher von der Universität Birmingham haben herausgefunden, dass die immer wärmer werdende Welt in einen neuen Teufelskreis eintritt.

Die Vielfalt der Themen, mit denen es Ingenieure mit „Green Impact“-Fokus zu tun haben, ist enorm. Dabei geht es nicht alleine um die große Frage, wie es gelingen kann, den CO2-Ausstoß zu verringern. Viele Probleme sind sehr praktischer Natur, die Lösungen von großer Bedeutung. Forscher von der Universität Birmingham haben zum Beispiel herausgefunden, dass die immer wärmer werdende Welt in einen neuen Teufelskreis eintritt: Je heißer die Sommer werden (und zwar eben auch in bisher gemäßigten Klimazonen, zu denen auch Deutschland gehört), desto größer wird der globale Bedarf nach Kühltechnik. Wobei diese Geräte sehr viel Strom benötigen, damit das Energiesystem weiter belasten und für neue Emissionen sorgen – zumindest solange die Energiewende nicht komplett vollendet worden ist. Derzeit gibt es laut der Studie auf der Welt rund 3,6 Milliarden Kühlanlagen, bis 2050 könnte die Zahl auf 9,5 Milliarden Geräte angestiegen sein, schreiben die Forscher aus Birmingham und berufen sich dabei auf eine Prognose der Green Cooling Inititaive (GCI). Der globale Energiebedarf für Kühlung würde damit innerhalb weniger Jahre auf das Zweieinhalbfache anwachsen, von derzeit 3900 auf rund 9500 Terrawattstunden. Zum Vergleich: Die gesamte Bundesrepublik verbraucht aktuell pro Jahr rund 527 Terrawattstunden. Würde man die gesamte deutsche Autoflotte mit ihren 45 Millionen Fahrzeugen von jetzt auf gleich elektrifizieren, kämen rund 90 Terrawattstunden dazu, hat das Bundesumweltministerium kalkuliert. Bei diesen Größenordnungen zeigt sich, wie viel die Kühlanlagen in globaler Dimension an Energie fressen werden. Tendenz steigend – solange die Erderwärmung anhält.

Gefragt: Saubere Kühltechnik

Nicht alle diese Anlagen dienen jedoch dazu, uns Westeuropäern den Sommer erträglich zu machen. Überall auf der Welt hängt von der Kühlung das Überleben ab, weil sie dafür sorgt, dass Medikamente gelagert und Lebensmittel vorm Verderben geschützt werden können. Kritisch ist die Situation in besonders heißen und armen Regionen der Welt. „Noch kühlen wir verschwenderisch“, heißt es in der Studie. Um das zu ändern, bedürfe es eines „sozial-technischen Systems“, das nicht mehr fragt: Was ist technisch möglich? Sondern das sich daran orientiert, welche Technik für Umwelt und Gesellschaft überhaupt sinnvoll ist. „Wir benötigen dringend einen Zugang zu ‚Clean Cooling‘ für alle“, schließen die Forscher von der Uni Birmingham ihren Appell für „saubere Kühlung. „Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir aufhören, uns zu fragen: Wie viel Energie müssen wir generieren? Stattdessen müssen wir uns die Frage stellen: Welche Geräte benötigen wir wirklich – und wie können wir sie möglichst unschädlich ans Laufen bringen?

Initiative Klimaschutz-Unternehmen

Der Verband Klimaschutz-Unternehmen betrachtet sich als Vorreiter-Initiative von Unternehmen, die Techniken und Maßnahmen zum Klimaschutz vorleben und vorantreiben. „Uns verbinden eine gemeinsame Mission, ein wachsendes Know-how und ein kontinuierlicher Austausch“, heißt es auf der Homepage des noch recht neuen Vereins, der vom Bundesministerium für Umwelt gefördert wird. Für eine Mitgliedschaft müssen sich Unternehmen bewerben und von einem unabhängigen Expertenbeirat überprüfen lassen. Bislang haben 37 Unternehmen diese Hürde genommen.

www.klimaschutz-unternehmen.de

Paradigmenwechsel im Denken der Ingenieure

Für Ingenieure ergibt sich aus dieser Forderung ein neuer Ansatz. „Green Impact“ heißt hier auch: Nicht alles, was möglich ist, muss sinnvoll sein. Orientierungspunkt ist stattdessen der tatsächliche Bedarf einer Gesellschaft nach technischen Applikationen – verbunden mit dem Ansatz, die Kosten und Lasten mitzudenken, die diese mit Blick auf die ökologische und soziale Dimension verursachen. Das gilt übrigens im besonderen Maße für Ingenieure und Entwickler, die in grünen Branchen tätig sind. Die Nichtregierungsorganisation „Facing Finance“ engagiert sich für einen verantwortungsbewussten und nachhaltigen Umgang mit Geld. Co-finanziert von der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW hat sie Ende 2018 eine Studie vorgelegt, die grüne Technologien darauf untersucht, welche Rohstoffe für die Produktion verwendet werden. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass GreenTech-Lösungen häufig eine Vielzahl von Rohstoffen benötigen, deren Abbau mit sozialen und ökologischen Problemen einhergeht. „Beim Abbau und der Weiterverarbeitung fast aller für diese Technologien benötigten Rohstoffe sind Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung ein weit verbreitetes Phänomen“, heißt es in der Studie. Die Autoren fordern daher, dass sich Hersteller grüner Technologien stärker mit ihrer Zuliefer- und Wertschöpfungskette auseinandersetzen sollten, um damit „ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entlang des gesamten Produktionsprozesses gerecht zu werden“.

Die Protonen-Batterie bietet ein großes Potenzial, um die enorme Nachfrage nach gespeicherter elektrischer Energie zu befriedigen, ohne die Umwelt weiter zu schädigen.

Protonen-Batterie: Günstig und weniger schädlich

Gefragt seien dabei die Ingenieure in den Unternehmen: Die Hersteller grüner Technologien sollten sich bei technologischen Entwicklungen stärker auf die Nutzung umweltfreundlicher Materialien konzentrieren. Als Beispiel nennt die Studie Weiterentwicklung der Batterietechnik, ein bedeutsamer Baustein bei der Einführung von Elektromobilität. Lithium und Kobalt zählen zu kritischen Rohstoffen, die bei der Gewinnung soziale und ökologische Schäden anrichten. Eine auf Kohlenstoff und Wasser basierende Protonen- Batterie dagegen habe in dieser Hinsicht eine deutlich bessere Bilanz. Eine erste wiederaufladbare Protonen-Batterie ist übrigens vor gut einem Jahr von Elektroingenieuren an der Universität Melbourne in Australien entwickelt worden. „Die Protonen-Batterie bietet ein großes Potenzial, um die enorme Nachfrage nach gespeicherter elektrischer Energie zu befriedigen, ohne die Umwelt weiter zu schädigen. Denn der für die Batterie benötigte Kohlenstoff ist nicht nur günstig, sondern auch im Überfluss vorhanden“, sagt Professor John Andrews, der das Projekt leitet.

Eine Protonen-Batterie auf Basis von Kohlenstoff und Wasser – noch so eine vermeintlich einfache Idee mit großem Potenzial. Aber wie schon bei dem Ansatz mit den Bäumen gilt auch hier: Die eigentliche Arbeit, diesen innovativen Ansatz umzusetzen, beginnt erst noch. Junge Ingenieure können sich also über mangelnde Aufträge mit großer sozialer und ökologischer Relevanz nicht beklagen.

Der globale Green New Deal

Cover der globale Green New DealRund um den Globus kippt angesichts der drohenden Klimakatastrophe die Stimmung, und der Protest der Millennials gegen eine Politik, die ihre Zukunft zerstört, wird immer lauter. Gleichzeitig sitzt die Welt angesichts alternativer Technologien auf einer 100-Billionen- Dollar-Blase aus Investitionen in fossile Brennstoffe. Zukunftsforscher Jeremy Rifkin zeigt, wie aus dieser Konstellation die Chance auf einen Green New Deal entsteht. Er warnt vor einem unmittelbar bevorstehenden ökonomischen Kollaps unserer Zivilisation und glaubt, um das Jahr 2028 wird die Weltökonomie in eine „globale Betriebsstörung“ stürzen. Gelingt ein gemeinsamer radikaler Aufbruch in letzter Minute?

Jeremy Rifkin: Der globale Green New Deal. Campus Verlag 2019. 26,95 Euro (Werbelink)

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