Startfrauen in führungspositionenInterview mit Dr. Gudrun Fey, Grande Dame der Rhetorik

Interview mit Dr. Gudrun Fey, Grande Dame der Rhetorik

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Als Gudrun Fey anfing, Unternehmer und Führungskräfte in Rhetorik zu trainieren, galt sie als Pionierin: Die Kunst der Rede war damals noch nicht so wichtig. Heute hat sich das geändert. Wer ein Team führen möchte, muss überzeugen. Und das funktioniert nur dann, wenn man die Werkzeuge der Rhetorik einsetzt. Welche das sind und warum Gelassenheit zum Ziel führt, erklärt die Rhetorikberaterin im Interview. Interview: André Boße

Zur Person

Dr. Gudrun Fey (geboren am 30. November 1943 in Oppeln) absolvierte zunächst eine Ausbildung als Schauspielerin und studierte dann an der Uni Stuttgart Philosophie, Linguistik und BWL. Sie promovierte zum Thema Rhetorik und ist seit 1974 als Rhetorik- und Kommunikationscoach tätig. Seit 1997 betreibt sie ihr eigenes Beratungsunternehmen study & train. Sie ist Autorin diverser rhetorischer Beratungsbücher, hält Seminare ab und schult in Unternehmen Führungskräfte und Top-Manager.

Frau Fey, wer sich mit Rhetorik beschäftigt, stößt früher oder später auf den Begriff des Topos. Was hat es damit auf sich?
Es handelt sich um eine Lebensweisheit mit einer hohen Überzeugungskraft, zum Beispiel „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“ „Aller Anfang ist schwer.“ Oder: „Viele Wege führen nach Rom.“ Die ersten, die die Macht der Topoi entdeckt haben, waren die Sophisten im antiken Griechenland. Heute würde man sie als Gruppe Intellektueller bezeichnen.

Oder neudeutsch als Think Tank.
Genau. Diese Denker haben Topoi-Sammlungen angelegt, um für jedes Thema einen passenden Topos bereitzuhalten. Die Macht eines Topos beruht darauf, dass er unmittelbar einleuchtet, also plausibel ist. Wenn wir einen solchen Topos hören, dann nicken wir innerlich. Wir stimmen zu, weil er auf uns überzeugend wirkt – und zwar ohne Fakten. Das macht ihn zu einem beliebten und machtvollem rhetorischen Werkzeug.

Welche Topoi lassen sich im Berufsleben einsetzen?
Wenn es zum Beispiel darum geht, ein Team mit vielen jungen Nachwuchskräften zu besetzen, ist ein alter Topos aus der 68er-Bewegung plausibel: „Trau keinem über 30.“ Wer einem jungen und neuen Kollegen Mut machen möchte, sagt: „Aller Anfang ist schwer.“ Wer auf Teamarbeit setzt, sagt: „Alleine gut, im Team noch besser.“ Wer sein Team davon überzeugen will, dass Veränderungen notwenig ist, kann sagen: „Das einzig Beständige ist der Wandel.“ Oder, nach Gorbatschow: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Und wer ein Projekt leitet, das zunächst nur schwer ins Rollen kommt, kann Cicero zitieren, um zu verdeutlichen, dass es wichtig gewesen ist, den Start geschafft zu haben: „Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen.“

Warum wirken diese Topoi so positiv?
Um direkt mit einem weiteren Topos zu antworten: Weil sie immer „den Nagel auf den Kopf treffen“.

Aber macht man sich nicht auf der anderen Seite angreifbar? Nach dem Motto: Man liefert nur Allgemeinplätze.
Es handelt sich tatsächlich um Allgemeinplätze, um „Binsenweisheiten“ oder um „Stereotype“.Doch mit diesen Vorwürfen entkräftet man einen Topos jedoch nicht. Im Gegenteil, weil er allgemein gültig ist, überzeugt er oft sehr schnell.. Trotzdem ist ein Topos nicht unangreifbar. Es gibt meist auch einen Gegentopos. Bleiben wir bei der Teamarbeit, wenn Sie sagen: „Alleine gut, im Team noch besser“ – dann kann jemand anderes kontern, in dem er Teamarbeit gleichstellt mit :„Toll, ein anderer macht’s“. So lassen sich Topoi gegenseitig neutralisieren, wodurch ein charmantes Spiel entstehen kann, das nicht selten auch eine Humorebene mit sich bringt.

Wenn Sie auf die neue Arbeitswelt blicken, in der sich Teams flexible zusammenfinden, Konferenzen per Video stattfinden und digitale Tools sowie Künstliche Intelligenzen Einzug erhalten: Wird die Rolle der klassischen Rhetorik an Bedeutung verlieren?
Der Philosoph Hans-Georg Gadamer hat den Begriff von der Ubiquität der Rhetorik geprägt, also der Überallheit der Rhetorik. Sie können ihr also nicht entrinnen, sie ist überall – zum Beispiel dort, wo Sie auf Werbung treffen, übrigens einem Kind der Rhetorik.

Was zeichnet einen guten Rhetoriker aus?
Das wusste schon Aristoteles: Es ist die Glaubwürdigkeit. Diese darf man auf keinen Fall aufs Spiel setzen. Robert Bosch hat einmal gesagt: „Geld verloren, nichts verloren. Vertrauen verloren, alles verloren.“

Auch das ist ein Topos.
Ganz genau. Dieser Allgemeinplatz ist gerade für junge Menschen wichtig, die die Rhetorik einsetzen und glauben, mit der Anwendung der richtigen Werkzeuge unangreifbar zu sein: Denn wer beim Schwindeln erwischt wird, gefährdet seine Glaubwürdigkeit. Hinzu kommt, dass positive Formulierungen eine bessere Wirkung entfalten als negative. Das merken Sie, wenn Sie in einem Team arbeiten, in dem zu viele Meckerer und Nörgler sitzen: Die Stimmung wird schnell mies. Natürlich sind skeptische Stimmen wichtig, aber ihre kritischen Ansichten kommen besser an, wenn diese nicht nur negativ verpackt sind, sondern einen positiven Spin erhalten. Also nicht: So können wir das nicht machen. Sondern eher: Anders könnten wir es besser machen.

Buchtipp

Cover Überzeugen ohne SachargumenteJeder hat das schon erlebt: In einem Gespräch, einer Diskussion oder einer Besprechung gehen die Argumente aus. Vom Gegenüber in die Enge getrieben, bleibt am Ende meistens die Kapitulation.

In ihrem neuen Handbuch Überzeugen ohne Sachargumente, WALHALLA Executive Edition, beweist Dr. Gudrun Fey, dass in solchen Situationen andere sehr wohl für die eigene Meinung gewonnen werden können.

E-Book inklusive: Im Kaufpreis der gedruckten Ausgabe ist das E-Book enthalten. Das ermöglicht die mobile digitale Nutzung.

Gudrun Fey, Überzeugen ohne Sachargumente inkl. E-Book, Walhalla 2012, ISBN 978-3-8029-3857-3, 29 Euro

Eines Ihrer Bücher heißt „Überzeugen ohne Sachargumente“…
… ja, aber ich habe mir vorgenommen, für die neue Auflage ein Fragezeichen hinter den Titel zu setzen, denn natürlich habe ich nichts gegen Sachargumente. Was ich aufzeigen möchte, ist, dass es eben noch andere Möglichkeiten gibt, um Menschen zu überzeugen. Zum Beispiel mit Hilfe der eigenen Persönlichkeit. Das ist vor allem dann wichtig, wenn gute Argumente alleine nicht ausreichen. Zumal jedes Aufzählen von Argumenten ja immer im Verbund mit Ihrer Persönlichkeit wahrgenommen wird. Ihre persönliche Ausstrahlung schwingt immer mit, wenn Sie vor einem Team reden. Egal, wie sachlich und argumentativ Sie formulieren. Das ist auch gut so, denn als Teamleiter müssen sie zwei Zwecke erfüllen. Erstens müssen Sie die Runde zusammenhalten, das ist die Kohäsionsfunktion. Zweitens müssen Sie die Gruppe vorantreiben, das ist die Lokomotionsfunktion. Hier ist die Balance wichtig.

Mit welchen rhetorischen Werkzeugen kann ich diese Funktionen wahrnehmen?
Es gibt drei rhetorische Überzeugungsmittel. Da ist einmal Ihr Ethos, also Ihre Glaub- und Vertrauenswürdigkeit. Das Pathos steht für Leidenschaft und Emotionen, mit deren Hilfe Sie wiederum bei Ihren Zuhörern Emotionen wecken. Wenn ich meine Teammitglieder für eine Sache begeistern möchte, dann muss ich auch selbst Begeisterung dafür ausstrahlen. Es genügt eben nicht, die Begeisterung nur zu behaupten. Sie muss unbedingt gezeigt werden, denn nur dann sind Gefühle ansteckend. Dass dies der Fall ist, zeigt sich, wenn im Kino ein trauriger Film läuft. Kaum fängt einer an zu weinen, fließen die Tränen auch bei anderen. Das hat mit unserer menschlichen Fähigkeit zur Empathie zu tun, und diese kann man rhetorisch mit Hilfe das Pathos nutzen. Tritt man jedoch unsicher auf und packt zu viele Zweifel in seinen Vortrag oder redet zu häufig im Konjunktiv, dann kann man nicht gleichzeitig begeistert wirken und Begeisterung wecken. Und das beobachte ich häufiger bei Frauen als bei Männern.

Bleibt noch das dritte rhetorische Instrument.
Das ist das Pragma oder der Logos. Hier geht es um die Sache, die Vernunft und dem Fachwissen. Wobei es, wie erwähnt, möglich ist, auf rhetorischer Ebene auch dann zu überzeugen, wenn Sie nicht entsprechende Sachargumente verfügen. Dann helfen Ihnen Topoi, denn sie verstärken Ihre Überzeugungskraft. Besonders Ingenieure oder Juristen tun sich manchmal schwer damit, ihr Wissen rhetorisch wirkungsvoll aufzubereiten. Ihnen fehlt mitunter die Eloquenz eines guten Redners. Doch auch fachliche herausragende Leute können lernen, ihre Sachverhalte griffig zu formulieren. Nur dann wird es ihnen gelingen, Teams überzeugend zu führen. Wobei es noch eine übergeordnete rhetorische Qualität gibt, die überzeugend wirkt, nämlich die Gelassenheit.

Warum ist diese so wichtig?
Ich mache in meinen Seminaren regelmäßig folgende Übung: Die Teilnehmer stellen sich gegenseitig Fragen, die jedoch nur mit einer Gegenfrage gekontert werden dürfen. Hier zeigt sich immer wieder, dass wir Menschen einen Antwortreflex besitzen: Wir werden etwas gefragt – und sind geneigt, unreflektiert und aus einer Verteidigungsposition heraus zu antworten. Das passiert häufig an der Kasse von großen Elektronikmärkten, da wird man nach der Postleitzahl gefragt und gibt diese raus, ohne zu wissen, wofür genau diese Information eingeholt wird. Wer stattdessen die Gegenfrage „Was haben Sie denn mit der Information vor?“ stellt, ist rhetorisch obenauf. Daher ist es sinnvoll, diesen Reflex abzutrainieren, in dem man sich darauf konzentriert, eine Gegenfrage zu stellen. Das ist vor allem dann gewinnbringend, wenn man rhetorisch angegriffen wird.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Sagt jemand, meine Idee sei blöd, dann ist es gut, diese nicht zu verteidigen, sondern stattdessen gelassen mit einer Frage parieren: „Was genau finden Sie denn an der Idee schwachsinnig?“ Eine andere Möglichkeit ist es, den Skeptiker persönlich abzuholen, in dem man sagt: „Dass gerade Sie meine Idee so wenig überzeugend finden, überrascht mich.“ Diese Gelassenheit in der Reaktion ist häufig besser, als sich sofort zu verteidigen. Erstens, weil man Zeit gewinnt. Und zweitens, weil man den anderen mit seiner Kritik nicht davonkommen lässt.

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