Du kannst, weil Du darfst, was Du willst

Foto: Steffen Kirchner
Foto: Steffen Kirchner

Immanuel Kant hat gesagt: „Du kannst, weil Du willst, was Du musst.“ In vielen Unternehmen stimmt das auch noch. Pflichterfüllung und Einordnung garantieren eine Karriere auf Schienen – die jedoch irgendwann in einem Sackbahnhof endet. Aber die Zukunft sieht anders aus. Von Steffen Kirchner

Steffen Kirchner, Referent, Autor und Mentalcoach zu den Themen Leistungsfreude, Mitarbeiterführung und Motivation.

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Für die „Führungskraft 2020“ gelten die alten Wirtschaftswunder-Wahrheiten nicht mehr. Sie werden nach und nach zu Karrierelügen, die junge Menschen in der Wirtschaft kennen sollten. Diese Lügen blockieren die Entwicklung von Mitarbeitern und Führungskräften, wenn diese kritiklos übernehmen, was ihnen vorgegeben und was von ihnen verlangt wird. Wer seine erste Anstellung sucht oder eine Veränderung plant, tut gut daran, sich einen Ort zu suchen, an dem die Zukunft schon begonnen hat.

Karrierelüge Nr. 1: Du musst Ziele erreichen
Natürlich sind Ziele wichtig. Aber es kommt nicht nur auf Ziele an. Das Ziel, mehr Gewinn mit Reifen zu machen, ist nicht der Sinn eines erfolgreichen Reifenherstellers. Es ist nur das Mittel, mit dem der Zweck des Unternehmens erreicht wird: mit effizienten Reifen Autos sicher zu machen. Und nur weil dieser Zweck die Mitarbeiter unglaublich motiviert, ist der Reifenhersteller so erfolgreich.

Auch für Mitarbeiter sind Ziele nur ein Mittel. Die drei wesentlichen Attraktivitäts- und Leistungsfaktoren eines Arbeitsplatzes sind Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit und Gestaltbarkeit. Gestaltungsfreiheit ist dabei besonders wichtig. Menschen wollen von Natur aus wachsen. Das können sie nicht mit kreativen Daumenschrauben. Die Gallup-Studie von 2012 zeigt die dramatisch hohe Zahl der Arbeitnehmer, die entweder Dienst nach Vorschrift machen oder schon innerlich gekündigt haben.

Wer also eine neue Herausforderung sucht, sollte ein Unternehmen wählen, mit dem er sich nicht nur über das Geld identifizieren kann. Denn an Geld gewöhnt man sich schnell. Gestalten, ändern, wachsen, revolutionieren – das hört nie auf und schafft den Nährboden dafür, mit Spitzenleistung Spitzenjobs zu bekommen.

Karrierelüge Nr. 2: Du musst ein Experte sein
Fachwissen ist zwar wichtig, muss aber auch Wirkung zeigen. Es kommt darauf an, die eigene Persönlichkeit zu entfalten. Arbeitnehmer müssen zum Agenten dieser einzigartigen Persönlichkeit werden. Nur wer zum Menschenexperten wird und dies auch ausstrahlt, wer dabei aktiv und effektiv kommuniziert, wird gestalterischen Einfluss nehmen.

Zusätzlich ist es wichtig, über den Tellerrand des eigenen Fachbereiches hinauszublicken. Nur wer aktiv eine Brücke von seiner Insel zu einer anderen schlagen kann, nimmt an der Kommunikation teil. Erfolgreiches Networking im Job braucht zwei Säulen: Kommunikationsfähigkeit und das Wissen, wie man fachlich beim anderen andocken kann. Nur dann führt Fachwissen zum Erfolg.

Karrierelüge Nr. 3: Du musst immer nur Leistung bringen
Reines Leistungsdenken kann einen Mitarbeiter weit bringen, aber nicht unbedingt an die Spitze. Auf die positiven Emotionen kommt es an, weil Leistung allein weder das eigene Feuer entzündet, noch ansteckendend auf andere wirkt. Wer als Führungskraft Mitarbeiter begeistern will, tut das nicht mit Ergebnissen, sondern für Ergebnisse. Und so bemisst sich der Wert, den man für „sein“ Unternehmen hat, nicht nach der Leistung, sondern nach dem Grad der Emotionen, die einen selbst und andere zur Leistung und zum Wachstum motivieren.

Karrierelüge Nr. 4: Eigenlob stinkt
Wer möchte heute noch nach der Devise leben, dass Bescheidenheit der sichere und risikoarme Weg zu einem kleinen, aber stabilen Glück ist? Wenn eine Kündigungswelle durchs Unternehmen schwappt, spült sie zuerst jene aus der Tür heraus, die ihre Arbeit still oder ordentlich machen. Denn egal, ob Beförderung oder Freisetzung: Wenn zwei gleich gut sind, gewinnt der mit der stärkeren Persönlichkeit.

„Positive Unbescheidenheit“ ist psychologisch davon getragen, sich selbst wertzuschätzen und einen begründeten Stolz auf seine Leistung in sich zu tragen. Hier ist der gesunde Egoismus eines „Ich bin mir wichtig“ absolut nicht fehl am Platz. Gefährlich hingegen ist ein „egozentrisches Kikeriki“, in dem allein der Gockel zählt, während alle anderen nur unbedeutendes Federvieh sind.

Altes und neues Denken Alle vier Karrierelügen sind Teil eines überholten Denkmodells. Wir sind bereits einen Schritt weiter: Auf das Zeitalter von Zielfixierung und Leistungsfetischismus folgt die Ära des Sinns, der Emotion und der Kreativität. Und auch wenn viele es nicht glauben wollen: Die Ergebnisse werden noch besser sein, als sie es jetzt schon sind. „Du kannst, weil Du darfst, was Du willst.“ So muss es heißen – und daran sollten Sie sich orientieren.

Buchtipp
Steffen Kirchner: Spielregeln für Gewinner. Mit 25 einfachen Gesetzen zur persönlichen Höchstleistung.
Goldmann 2010. ISBN 978-3442171613. 7,95 Euro