Kollaboration und Vernetzung, Agilität und Flexibilität, mehr Souveränität und mehr Gestaltungsspielräume: Die Argumente, warum die Digitalisierung zu mehr Gleichberechtigung führen kann, sind vielfältig. Ein Blick auf BIM und die Baubranche zeigt, wie es gelingen kann. Von Christoph Berger
Frauen könnten die großen Gewinnerinnen des kommenden digitalen Zeitalters sein, weil sie häufig über eine höhere Sozialkompetenz verfügen als Männer. Soziale Fähigkeiten wie Empathie oder Führungskompetenzen werden künftig auf dem Arbeitsmarkt entscheidend sein, da sie auf absehbare Zeit nicht durch künstliche Intelligenz ersetzt werden können. Zu diesem Schluss kommen Alina Sorgner, Christiane Krieger-Boden und Eckhardt Bode, die am Institut für Weltwirtschaft (IfW) im Bereich Internationale Arbeitsteilung forschen, in einer 2017 veröffentlichten Studie für die G20-Engagement- Group Women 20.
Entscheidend bei dieser Feststellung ist allerdings der verwendete Konjunktiv. Denn nicht nur die Wissenschaftler des IfW kommen zu dem Schluss, dass die G20 jetzt die richtigen Weichenstellungen vornehmen müssen, damit Frauen die Chancen, die ihnen die Digitalisierung bietet, auch nutzen können. „Andernfalls droht sogar der umgekehrte Effekt, dass Geschlechterungleichheiten durch die Digitalisierung noch weiter zunehmen“, sagte Sorgner.
Auch Christiane Schildmann, Leiterin der Forschungsstelle „Arbeit der Zukunft“ in der Hans- Böckler-Stiftung, sagt zu einem im Jahr 2017 veröffentlichten Arbeitspapier mit dem Titel „Genderaspekte der Digitalisierung der Arbeitswelt“, dass trotz der riesigen Potenziale, der Automatismus genau in die andere Richtung gehe. Sie kommt zu dem Schluss, dass wenn wir die Digitalisierung nicht gestalten, Frauen die Verliererinnen werden könnten. Denn: „Dabei geht es nicht nur um mobiles Arbeiten, sondern um geschlechtergerechte Arbeitsplatzbewertung, um eine Weiterbildungsrevolution und Spielregeln für die Arbeit auf digitalen Plattformen.“
Wie wichtig das Thema Weiterbildung beispielsweise ist, zeigen die Forscherinnen der Hans-Böckler-Stiftung auch anhand eines Exkurses in die Welt des Bauens. So weisen sie darauf hin, dass sich durch den Einsatz der BIM-Methode ganze Berufsbilder ändern und auch die Bewertung von Tätigkeiten angepasst werden müssten – neue Qualifikationen seien gefordert und insbesondere einfachere Aufgaben würden wegfallen. Daher ihr Fazit: „Für Frauen (und Männer) in diesen Arbeitsbereichen, für Architektinnen, Ingenieurinnen, Bautechnikerinnen oder Bauleiterinnen, ist es wichtig, durch Schulungen und Weiterbildung in diese Entwicklungsprozesse von Anfang an einbezogen zu werden.“
Doch prinzipiell, so hat Schildmann mit ihren Kollegen festgestellt, müsse zur Erreichung der Geschlechtergerechtigkeit der digitale Wandel auch als ein sozialer Prozess betrachtet und gestaltet werden, der politischer Unterstützung bedürfe: Dazu zählen nicht nur die Qualifizierungsnotwendigkeiten, sondern zum Beispiel auch die Verbesserung der Work-Life Balance durch flexibles Arbeiten und Veränderungen der Tätigkeiten mit Personenbezug. Bei sämtlichen Maßnahmen müsse allerdings darauf geachtet werden, dass nicht wieder neue Barrieren bei der Gleichberechtigung entstünden.