„Verlagsmanager sind Gestalter“

Interview mit Ulrich Bensel

Foto: Fotolia/Ruggiero Scardigno
Foto: Fotolia/Ruggiero Scardigno

Als Konzernpersonalleiter der Südwestdeutschen Medien Holding, die unter anderem die Süddeutsche Zeitung verlegt, weiß Ulrich Bensel, worauf es bei Verlagsmanagern heute ankommt. Ein Gespräch über rasanten Wandel, multidimensionale Geschäfte und den Vorteil, neben den Medien auch andere Branchen zu kennen. Die Fragen stellte André Boße.

Ulrich Bensel, Foto: SWHG
Ulrich Bensel, Foto: SWHG

Zur Person

Ulrich Bensel war von Sommer 2011 bis April 2015 Konzernpersonalleiter der Südwestdeutschen Medien Holding mit Sitz in Stuttgart, zu der neben der Medienholding Süd auch der Süddeutsche Verlag gehört, der mit der Süddeutschen Zeitung die auflagenstärkste deutsche überregionale Tageszeitung verlegt. Ulrich Bensel, der in Mainz Jura studierte, arbeitete während des Studiums als freier Reporter einer Lokalzeitung, sammelte als Student zudem Erfahrungen im Einzelhandel und begann seine Karriere im Personalmanagement als Personalreferent bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Nach Stationen beim Wissenschaftsverlag Springer Science + Business Media wechselte er 2008 als Personalleiter in die Medienholding Süd.

Herr Bensel, wenn Sie die Verlagsbranche von heute mit der von vor zehn Jahren vergleichen, wo beobachten Sie besonders bahnbrechende Veränderungen?
Das Veränderungstempo in der Branche ist momentan generell enorm – und viel höher, als das früher der Fall war. Das ist ungeheuer spannend, verlangt von Verlagsmanagern aber natürlich ein besonderes Talent: Sie müssen ihre Arbeit täglich an diese Veränderungen anpassen. Flexibilität ist daher eine enorm wichtige Eigenschaft. In meinen Augen ist ein guter Verlagsmanager heute vor allem ein guter Change-Manager. Früher hat sich ein Verlagsmanager zum Beispiel auf die Weiterentwicklung einer Tageszeitung konzentrieren können; heute muss er einerseits das richtige Medium für die jeweilige Zielgruppe finden, zum anderen muss er die unterschiedlichsten Medien dabei selbst weiterentwickeln, so dass sie für den Leser beziehungsweise User interessant bleiben.

Können Sie diese rasanten Veränderungen konkret an einem Beispiel aufzeigen?
Wir haben in allen Bereichen erhebliche Veränderungen, ein eklatantes Beispiel sind unsere Verkaufsbereiche. Dort gestaltete sich das Geschäft jahrzehntelang relativ eindimensional: Für ein Produkt wurden Anzeigen verkauft. Heute geben wir dem Kunden ein großes Portfolio an unterschiedlichen medialen Formen und Wirkungsweisen an die Hand – wobei es die Aufgabe des Verlagsmanagers ist, die Vorteile der jeweiligen Form deutlich zu machen. Das Geschäft ist heute also multidimensional – wohlgemerkt nicht nur im Verkauf, sondern in allen Abteilungen eines Verlagshauses: von der Redaktion über die Produktion bis hin zum Vertrieb.

Wertet dieser Wandel das Jobprofil des Verlagsmanagers auf?
Unbedingt! Der Verlagsmanager ist heute ein Gestalter. Jemand, der in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden etwas auf die Beine stellt. Das kann zum Beispiel eine Sonderbeilage sein oder eine ganz neue Form der crossmedialen Kommunikation, die er zusammen mit dem Kunden entwickelt. Die Arbeit des Verlagsmanagers ist damit heute kreativer denn je.

Nun ist der Einstieg in eine Branche im Wandel für Nachwuchskräfte eine besondere Herausforderung. Welchen Tipp geben Sie Absolventen mit auf den Weg?
Es ist in meinen Augen sehr wichtig, bereits Erfahrungen in diversen Branchen gesammelt zu haben. Zum Beispiel als Praktikant. Und damit meine ich tatsächlich Branchen außerhalb des Medienbereichs. Wer schon in jungen Jahren die Veränderungsprozesse verschiedener Branchen kennengelernt hat, wird davon im Verlagsgeschäft profitieren. Ein Beispiel: Wer schon einmal einen Einblick in ein Softwareunternehmen hatte, wird wissen, worauf es in sich bewegenden Branchen ankommt – ein schneller Lebenszyklus und eine intensivere Kundenorientierung. Er ist dann vorbereitet auf die Situationen des Wandels, die wir derzeit in der Verlagsbranche beobachten.

Einmal Verlag, immer Verlag – ist diese Zeit vorbei?
Absolut. Unsere Personalpolitik hat sich dementsprechend verändert. Natürlich brauchen wir auch weiterhin Verlagsspezialisten mit dem passenden Studienschwerpunkt. Wir sind aber auch auf der Suche nach Persönlichkeiten, die in einer anderen Branche groß geworden sind. Das ist ein echter Paradigmenwechsel, der dazu geführt hat, dass unser Haus von den vielen neuen Impulsen dieser Quereinsteiger profitiert.

Wie gelingt es Ihnen, ein ambitioniertes Managertalent in die Verlagsbranche zu locken?
Wir leben in einer Informationsgesellschaft. Es gibt einen riesigen Bedarf an Informationen – und verstärkt auch an individuellen, personalisierten Informationen. Die Verlagsbranche wird eine herausragende Zukunft vor sich haben, wenn es ihr gelingt, den Wunsch nach individuellen Informationen mit journalistischer Qualität zu kombinieren. Derzeit haben wir auf der einen Seite Facebook, wo ich etwas über den Käsekuchen des Nachbarn erfahren kann, und auf der anderen Seite die hochwertige gedruckte Tageszeitung. Unser Ziel ist es, diese beiden Seiten zu einer individualisierten und qualitativen News-Einheit zu verknüpfen. Daran arbeiten wir jeden Tag, und ich bin sehr überzeugt davon, dass die gesamte Branche in dieser Hinsicht enorm spannende und innovative Geschäftsmodelle für den User von morgen entwickeln wird – mit der Folge, dass das Tempo der Veränderungen noch höher werden wird.

Im Fokus: Medien- und Urheberrecht

Die politische Diskussion über eine Neuformulierung des Urheberrechts ist in vollem Gange. Gegner und Befürworter eines scharfen Urheberrechts im Zeitalter der Digitalisierung stehen sich gegenüber; einfache Lösungen sind nicht absehbar. Dennoch: Alle juristischen Änderungen auf diesem Gebiet haben beachtenswerte Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle von Medien- und Verlagshäusern, die auch die digitalen Kanäle bespielen. Einsteiger im Medienbereich sollten sich früh in die aktuelle Gesetzgebung einlesen, denn nur mit diesem Vorwissen ist es möglich, die eventuellen Folgen einer modernisierten Gesetzgebung abzuschätzen. Zum Einstieg geeignet: Die neueste Auflage des Standardwerks „Urheber- und Verlagsrecht“ von Hans-Peter Hillig.

Deutscher Taschenbuch-Verlag 2012.
ISBN 978-3423055383, 13,90 Euro