Popmanager Norbert Oberhaus

Norbert Oberhaus, Foto: Martina Goyert
Norbert Oberhaus, Foto: Martina Goyert

Der Popmanager. Popkultur und BWL, das sind zwei verschiedene Welten. Im Pop geht es ums Bauchgefühl und lange Nächte, bei den Wirtschaftswissenschaftlern um Zahlen und Businesspläne. Der Kulturmanager Norbert Oberhaus versteht sich auf beides. Als Kulturnetzwerker und BWL-Absolvent hat er in Köln eine besondere Karriere hingelegt. Es gab Stolpersteine und Ungewissheiten, am Ende siegten stets zwei Dinge: Leidenschaft und Verantwortungsgefühl. karriereführer-AutorAndré Boße sprach mit ihm.

Zur Person

Norbert Oberhaus, 56 Jahre, absolvierte nach Hauptschule und mittlerer Reife eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Im Anschluss holte er das Abitur nach und studierte in Köln BWL. Nachdem er sich mit der cologne on pop GmbH als Kulturmanager selbstständig gemacht hatte, gründete er 2003 das Festival und Branchentreffen c/o pop.

Herr Oberhaus, wie verlief Ihr Weg vom BWL-Studium ins Kulturmanagement?

Ich bin ein typisches Kind des zweiten Bildungsweges: Nach Hauptschule und mittlerer Reife folgte zunächst eine Aus-bildung zum Industriekaufmann. Dann Fachabitur und Uni, wobei ich bei der Wahl des Studiums eigentlich mehr Lust auf Politikwissenschaft hatte. Die späten 1980er-Jahre waren die Zeit der Friedens-bewegung, ich war dort aktiv und wollte etwas bewegen. Ich hatte aber eben auch schon meine Ausbildung in der Tasche, da war BWL einfach naheliegend. Ich dachte mir: Das machst du dann mal eben, und danach kannst du immer noch Politik studieren.

Kann man denn BWL mal eben so studieren?

Natürlich nicht, ein Fehler meinerseits. (lacht) Ich musste mich ganz schön rein-hängen, hatte aber den Ehrgeiz, das auch gut hinzubekommen. Wobei diese Zeit in kultureller Hinsicht für mich schon sehr gewöhnungsbedürftig war. Ich hatte gerade Zivildienst gemacht, kam aus der Friedensbewegung – das war mein Milieu. Mit typischen BWL-Studenten hatte ich dagegen vorher nie etwas zu tun gehabt.

Hatten Sie denn je die Absicht, nach dem Studium in ein größeres Unternehmen zu gehen?

Eigentlich nicht, nein. Dafür war ich in der alternativen Kulturszene zu sehr verwurzelt. Neben dem Studium habe ich als Kellner im Kölner „Stadtgarten“ gearbeitet, einer von Studenten gegründeten Location für Konzerte. Zudem war ich für die alternative Zeitschrift „Stadtrevue“ tätig. Im Zuge meiner Diplomarbeit habe ich dann die beiden Welten vereint: Ich entwarf ein Marketingkonzept für die Stadtrevue auf Basis einer Leserumfrage. Das war für die Leute bei der Zeitschrift ein ungewöhnlicher Ansatz.

Warum?

Die Idee dieses Magazins lautete eher: Wir schreiben – und die Leser lesen das dann. Fertig. Dinge wie eine Leser-Blatt-Bindung, Abo-Aktionen oder Initiativen wie Konzert-Präsentationen oder Ticket-Verlosungen spielten in diesem Milieu damals noch keine Rolle. Ich traf also auf Skepsis, als ich in diesem alternativen Szene-Unternehmen meine Marketingkonzepte nach BWL-Lehrbuch durchziehen wollte. Es kam manches Mal zu heftigen Diskussionen, motiviert hat mich eine Professorin, die diese Arbeit sehr intensiv begleitete. Sie war Partnerin bei der Boston Consulting Group, kam also aus einer ganz anderen Ecke – fand meine Ansätze aber sehr spannend.

Und wie kam die Arbeit letztlich bei der Stadtzeitung an?

So gut, dass man mich dort noch zwei Jahre im Bereich Marketing arbeiten ließ. (lacht) Mit der Zeit bekam ich immer mehr Kontakte in die Musikszene, ich arbeitete mit Veranstaltern zusammen, organisierte eigene Konzerte und Partys – vor allem im „Stadtgarten“, wo wir ab Anfang der 1990er-Jahre das Clubpro-gramm aufbauten. Plötzlich war ich also Kulturmanager im Musikbereich, und weil es gut lief, habe ich mich in den 90er-Jahren mit meinem Büro selbst-ständig gemacht.

Was war das Geheimrezept dieser Gründungsphase?

Einerseits hatte ich mein BWL-Wissen, damit war man in der Musikbranche eine Art Exot. Ich war von Kreativen und Künstlern umgeben, an Ideen und Konzepten mangelte es nie. Ich war aber mehr oder weniger der Einzige, der auch die Zahlen im Kopf hatte. Mein betriebs-wirtschaftliches Wissen hat mir bei einigen Entscheidungen sehr geholfen – und tut es bis heute. Genauso wichtig waren und sind aber die Netzwerke. Ob als Zivi, Kellner oder später als Veranstalter, ich habe immer meine Kontakte gepflegt. Und wie das so in Köln ist: Man kennt sich – und wenn man sich kennt, dann unterstützt man sich auch.

Als Sie mit Ihrem Büro anfingen, boomte Köln als Musikstadt.

Genau, Köln war noch vor Berlin der wichtigste Ort. Es gab die Messe Pop-komm als den großen Branchentreff, dazu viele Agenturen, Redaktionen und Plattenfirmen. Die gesamte Musikbranche boomte damals noch, CDs konnten noch nicht gebrannt werden, das Internet nutzte noch kaum jemand. Also wurde wahnsinnig viel Geld verdient – und auch verbrannt.

Wann endete der Boom?

Anfang des neuen Jahrtausends: Die CD-Verkäufe brachen ein, die Popkomm funktionierte nicht mehr – und wanderte wie viele andere Akteure auch von Köln nach Berlin.

Warum gingen Sie nicht nach Berlin?

Nee, das wollte ich nicht, dafür bin ich einfach zu sehr kölscher Lokalpatriot. Hier lebt meine Familie, hier habe ich mein Netzwerk – warum sollte ich weg?

Diese Firmengründung war aus BWL-Sicht problematisch, weil es keinen Businessplan gab, nur ein einseitiges Word-Dokument mit acht Zeilen.

Stattdessen haben Sie mit dem Festival c/o pop ein Gegenprogramm zur Popkomm auf die Beine gestellt.

Als die Popkomm ging, war mir klar: Ich habe eine neue Aufgabe, hier gibt es eine Lücke zu füllen. Zusammen mit einem Kollegen habe ich alle möglichen Leute in der Stadt an einen Tisch geholt, wir haben also das Netzwerk genutzt, um die Kompetenzen zu bündeln.

Sie gründeten eine GmbH – mit Ihnen als Verantwortlichem für die Zahlen.

Diese Firmengründung war aus BWL-Sicht problematisch, weil es keinen Businessplan gab, nur ein einseitiges Word-Dokument mit acht Zeilen. (lacht)

Heutzutage ist das ja ganz normal bei Create-ups. Haben Sie bewusst darauf verzichtet?

Unsere große Motivation war, dass etwas getan werden muss. Wäre damals ich als Betriebswirt auf die Idee gekommen, dass wir dafür erst einmal einen Businessplan brauchen, wäre diese GmbH nie entstanden. Denn betriebswirtschaftlich betrachtet stand die Firma von Beginn an auf sehr wackeligen Beinen.

Wie lief die Premiere der c/o pop?

17 Tage Programm, viel Lob von der Presse, wir hatten großen Spaß – am Ende stand aber ein Verlust von 250.000 Euro.

Was hat der BWLer in Ihnen danach gedacht?

War ja eigentlich klar. (lacht) Die anderen hatten mir allerdings vertraut, ich war ja der Geschäftsführer, der Mann für die Zahlen. Also hieß es im zweiten Jahr: die Finanzierungslücke muss geschlossen werden, auch mit privaten Bürgschaften, und dann die Ärmel hochkrempeln. Statt 17 Tage gab es danach nur noch vier, zudem haben wir unser Konzept, Pop an ungewöhnlichen Orten in der Stadt zu zeigen, konsequent umgesetzt. Und tatsächlich hatten wir Erfolg, wobei es wirtschaftlich eng blieb. Ich muss gestehen, es gab Tage, an denen habe ich mich morgens gefragt: Fährst du nun rechts in Richtung Büro oder links in Richtung Amtsgericht, um Insolvenz anzumelden? Den Ausschlag gab eigentlich immer die Leidenschaft für das, was wir hier machen: Wir stellen etwas auf die Beine, machen Kultur für die eigene Stadt. Das hat mich motiviert, genauso wie natürlich auch das Gefühl, dass ich mein Team nicht im Stich lassen darf. Die Mitarbeiter hatten andere Jobs aufgegeben – nun wollte ich sie nicht enttäuschen. Außerdem hatte ich schon den Anspruch, mein privates Vermögen, das ich in die Firma gesteckt hatte, Schritt für Schritt wieder reinzuholen.

Und das ist gelungen?

Es war und ist ein langer Weg mit immer wieder neuen Rückschlägen. Aber wir wissen mittlerweile, was die c/o pop leisten kann und was sich rechnet. Kurz: Wir sind zufrieden.

Was zeichnet Ihre Mitarbeiter aus?

Sie könnten allesamt in anderen Unternehmen mehr verdienen. Aber es ist nicht alleine das Geld, was zählt. Ich glaube schon, dass wir dem Team eine sehr besondere Wertekultur bieten. Im Kulturbereich sind Dinge möglich, die es in anderen Wirtschaftszweigen nicht gibt. Viele leben bei uns ihre Leidenschaft aus, arbeiten zu Themen, die andere als Hobby haben. Das ist natürlich ein Pluspunkt.

Neben BWL-Know-how, welche Eigenschaften muss ein Kulturmanager mitbringen?

Letztlich geht es immer darum, die Balance zwischen dem kulturellen Abenteurer und dem BWLer zu finden. Einem erfolgreichen Kulturmanagement gelingt es, diese beiden Pole immer wieder neu auszugleichen. Erfolg hat man weder als reiner Rechner noch als kompromissloser Kreativer. Die Mischung macht’s. An der arbeite ich seit vielen Jahren – und es macht immer noch unglaublich viel Spaß.

c/o pop

Die Abkürzung steht für „Cologne on pop“, das Festival versteht sich als Branchentreff für Fachbesucher und Veranstaltung für Club- und Konzertgänger. Die Premiere fand 2004 an insgesamt 17 Tagen statt, seitdem lädt die c/o pop jährlich für ein verlängertes Wochenende nach Köln. Das c/o pop Festival 2018 läuft vom 29. August bis 2. September. www.c-o-pop.de/festival