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Foto: Fotolia/sudok1
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Ob Einstieg bei den großen Vier der Branche oder in einer mittelständischen Gesellschaft: Als Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater besitzt man sehr gute berufliche Karten, weil die Unternehmen nicht nur die konventionellen Prüfungen nachfragen, sondern auch großen Beratungsbedarf haben. Von André Boße

Der Weg zum Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater

Folgende Wege in den Beruf sind laut den Personalverantwortlichen der befragten Unternehmen besonders erfolgversprechend:

  • Grundlage: Bachelor in den Fachdisziplinen BWL, VWL, Controlling oder Wirtschaftsrecht.
  • Vertiefung: während des Masters in den Fächern Rechnungslegung/Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Wirtschaftsrecht.
  • Zusatzqualifikationen: Praxiserfahrungen in Unternehmen im In- und Ausland, zweite Fremdsprache neben dem obligatorischen Englisch, sehr sicherer Umgang mit Office-Software.
  • Quereinsteiger: Gefragt sind Juristen (Schwerpunkt: Steuer- und Gesellschaftsrecht) und Informatiker oder Mathematiker (Schwerpunkt: Wirtschafts- und Versicherungsmathematik).

Wie ermittelt man den Wert eines Pinguins? Und kann man ein Zebra abschreiben? Ein Team von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte erhielt vor einiger Zeit den Auftrag, einen Zoo zu prüfen. Also mussten sich die Profis mit einigen ungewöhnlichen Aspekten beschäftigen, die auch für einen perfekt ausgebildeten Wirtschaftsprüfer absolutes Neuland bedeuteten. Nun ist die Prüfung eines Zoos ein sehr besonderer Auftrag. Doch auf Überraschungen und Ungewöhnlichkeiten sollten sich Wirtschaftsprüfer und Steuerberater heute immer einstellen. „Jeder Mandant und jede Branche ist unterschiedlich“, sagt Alexandra Hövel aus dem Team Personalmarketing von Deloitte Deutschland. Sich auf diverse Menschen und Themen einzustellen – das gehört für sie daher zu den wichtigsten Karrierefaktoren im Bereich der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung.

Geschäfte gehen gut
Bei Absolventen der Wirtschaftswissenschaften wird diese Branche zunehmend beliebter. Egal, ob der Einstieg bei einer der vier großen Gesellschaften, den sogenannten „Big 4“ Deloitte, PricewaterhouseCoopers, Ernst & Young und KPMG, oder bei einer der vielen mittelständischen Gesellschaften: Die Geschäfte der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gehen gut, weil der Beratungs- und Prüfungsbedarf der Unternehmen in einer komplexer werdenden Wirtschaftswelt weiter steigt, wie Alexandra Hövel sagt: „Global operierende und kapitalmarktorientierte deutsche Mittelständler suchen verstärkt Unterstützung bei großen internationalen Prüfungsgesellschaften.“

Doch nicht nur die Auftragsbücher sind voll, auch die Arbeitsweise ändert sich. „Das Bild vom Wirtschaftsprüfer und Steuerberater im stillen Kämmerlein entspricht nicht dem heutigen Arbeitsalltag“, sagt Sarah Düvel, Personalentwicklerin bei BDO, in Deutschland die größte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft jenseits der Big 4. Geprägt wird der Job heute von der interdisziplinären Zusammenarbeit in häufig internationalen Projekten. Von wegen trockenes Themengebiet: Es ist an der Zeit, sich von dem Klischee der wenig aufregenden Branche zu verabschieden. „Berufseinsteiger stehen mit Mandanten aus ganz unterschiedlichen Branchen in Kontakt, lernen verschiedene Wirtschaftsbereiche und Unternehmenskulturen kennen und erhalten somit tiefe Einblicke in die Strukturen von Unternehmen“, verdeutlicht Sarah Düvel.

Nicht nur Prüfer, auch Berater
Diese Eindrücke sind spannend, aber Wirtschaftsprüfer und Steuerberater müssen heute auch etwas aus diesem Wissen machen. Wer sich mit eingeengtem Blick in die Arbeit stürzt, wird nicht glücklich werden. „Die Mandanten erwarten, dass ihr Prüfer und Berater nicht nur Experte in seiner Fachdisziplin ist, sondern mit Hilfe der Kollegen im In- und Ausland eine umfassende Beratung anbietet“, sagt Dr. Michael Rödl, Personalleiter der Gesellschaft Rödl & Partner aus Nürnberg. Daher stehen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater heute im ständigen Dialog mit dem Top-Management der Unternehmen, für die sie arbeiten. Denn nur dann sind sie in der Lage, die Mandanten bei allen relevanten Fragestellungen zu unterstützen.

Damit wandelt sich das Aufgabenfeld der Prüfer und Berater: „Unter Wahrung der Unabhängigkeit sind sie vertrauensvolle Ansprechpartner, Ratgeber und Coachs“, definiert Michael Rödl das Spektrum. Aus den Menschen für die Zahlen werden also wertvolle Wegbegleiter, was nicht ohne eine Vielzahl von Fähigkeiten funktioniert, die in dieser Branche immer wichtiger werden. „Der Wirtschaftsprüfer ist heute nicht nur Belegprüfer, sondern muss sich mit den komplexen Prozessen des Unternehmens beschäftigen“, sagt Rödl. „Schließlich kann er mit Hinweisen zur Verbesserung der internen Prozesse das Unternehmen in seiner Entwicklung unterstützen.“ Zum Beispiel sei es vor allem für Wirtschaftsprüfer wichtig, die internen Kontroll- und IT-Systeme des Mandanten zu verstehen – was dazu führt, dass die Gesellschaften verstärkt an Informatikern interessiert sind und die klassisch ausgebildeten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit diesen neuen Kollegen im Team arbeiten.

Teamarbeiter gefragt
Generell steige die Nachfrage nach multifunktionalen und industriespezifischen Dienstleistungen, wie Alexandra Hövel von Deloitte erläutert. „Immer häufiger erarbeiten Teams aus verschiedenen Fachbereichen Lösungen und Konzepte. So wird beispielsweise die Expertise von Mitarbeitern aus den Bereichen Beratung, Versicherung und Steuern kombiniert.“ Wirtschaftsprüfer und Steuerberater müssen also in der Lage sein, sich in andere Disziplinen hineinzudenken, von den Rechtswissenschaften bis hin zur Informatik. Dieser Trend macht das Berufsbild komplexer. Und es geht noch weiter: Da die Kommunikation und Verarbeitung der Informationen heute durchweg digital funktioniert, können Wirtschaftsprüfer und Steuerberater heute effizienter denn je arbeiten. „Zum einen entlastet diese Entwicklung, zum anderen jedoch ist sie für immer kürzere Bearbeitungszeiten und höhere Geschwindigkeiten verantwortlich, wobei die Qualitätsanforderungen der Mandanten unverändert hoch bleiben“, erläutert Stephan Michels, Geschäftsführender Gesellschafter der mittelständischen Gesellschaft Dornbach aus Koblenz.

Die Folge ist auch bei den kleineren Gesellschaften ein starker Trend zur Spezialisierung – „vor allem, wenn man berücksichtigt, dass insbesondere im Steuerrecht die Halbwertzeiten von Kenntnissen immer kürzer werden“, so Michels. Einsteigern werde viel geboten, „aber es werden auch hohe Ansprüche gestellt“. Bei den Bewerbern achtet Stephan Michels auf eine breite, bevorzugt betriebswirtschaftliche Ausbildung. „Man kann ein Unternehmen nur prüfen und beraten, wenn man seine Geschäftsmodelle versteht.“ Dabei sei exzellentes Fachwissen natürlich die Grundlage. „Dieses Wissen muss allerdings in einem zweiten Schritt in- und extern vermittelt und schließlich durchgesetzt werden.“

Hinter die Zahlen schauen
Diesen Anspruch formulieren auch die großen Arbeitgeber. „Neugierde und Spaß an der Arbeit mit Menschen sind genauso wichtig wie die Affinität zu Zahlen. Im Arbeitsalltag hat die Beratung unserer Mandanten, der persönliche Austausch zu Sachfragen und die Lösung schwieriger Probleme im Team eine ganz besondere Bedeutung. Fachkenntnisse sind dann ,nur’ die Grundlage der Arbeit“, sagt Dr. Folke Werner, Leiter Employer Branding, Personalmarketing & Recruiting bei PricewaterhouseCoopers (PwC) Deutschland. Besonders wichtig ist der Spaß am Umgang mit Menschen im Bereich der Compliance: Da die geschäftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen immer komplexer und globaler werden, stehen die Wirtschaftsprüfer und Steuerberater immer häufiger vor der Aufgabe, genau hinzuschauen, ob der Mandant innerhalb der Regeln handelt. „Um zu klären, ob die Zahlenwerke der Unternehmen den Regeln entsprechen, müssen die Wirtschaftsprüfer hinter die Zahlen blicken“, so Folke Werner. „Dazu müssen sie die Geschäftsabläufe verstehen und die jeweilige Branche kennen. Um eventuelle Manipulationen entdecken zu können, braucht es nicht nur Fachkenntnisse, sondern auch viel Kreativität und detektivischen Spürsinn.“ Ähnlich formuliert es Sarah Düvel von BDO: „Es geht darum, ein Gespür zu entwickeln, wo Fehler auftreten könnten.“

Arbeitsreiche Zeiten in der Busy Season
Ob als Einsteiger in einem großen Prüfungs- und Beratungsunternehmen oder in einer mittelständischen Gesellschaft: Keiner der Personalexperten verhehlt, dass der Karrierestart anspruchsvoll ist. Thematisch – aber auch mit Blick auf die Arbeitszeiten. Das gilt besonders für die sogenannte Busy Season, die Zeit zwischen Oktober und April, wenn bei den Mandanten die Jahresabschlussprüfungen anstehen. „Wer sich für den Beruf des Wirtschaftsprüfers entscheidet, weiß in der Regel, dass ihn kein Nine-to-Five- Job erwartet“, sagt Alexandra Hövel von Deloitte. Jedoch wissen die Gesellschaften sehr genau, dass es nach der besonders stressigen Zeit einen Ausgleich geben muss. Daher führen die Arbeitgeber in der Regel Jahresarbeitszeitkonten mit der Möglichkeit, die Bilanz zwischen Arbeits- und Freizeit in den Sommermonaten auszugleichen. „Die Flexibilität, die unsere Mitarbeiter zeigen müssen, zeigen wir auch als Arbeitgeber“, sagt PwC-Recruiting- Chef Folke Werner stellvertretend für die Branche. Und weil es immer gut ist, wenn ein Personalverantwortlicher mit gutem Beispiel voran geht, rät Michael Rödl von Rödl & Partner jungen Kollegen, die Möglichkeiten für den inneren Ausgleich zu nutzen. „Da es sich bei unserem Beruf um eine sitzende Bürotätigkeit handelt, ist für mich persönlich Bewegung, sei es ein Waldlauf am Abend oder ein Spaziergang in der Mittagspause, sehr wichtig.“ Und wer Arbeit und Entspannung verbinden möchte, kann ja auch in den Zoo gehen und versuchen, den Wert eines Pinguins zu ermitteln.

Examen zum Wirtschaftsprüfer

Nach dem Studium (Master oder Bachelor) und ersten praktischen Erfahrungen ist das Examen für Wirtschaftsprüfer der dritte Karriereschritt. Das Examen ist anspruchsvoll und nicht ohne Vorbereitung nebenbei zu absolvieren. Derzeit sieben Hochschulen in Deutschland bieten einen speziellen Masterstudiengang für angehende Wirtschaftsprüfer an, der auf das Wirtschaftsprüferexamen vorbereitet. In diesen berufsbegleitenden Studiengängen wechseln sich Studien- und Praxisphasen ab, sodass das theoretische Wissen unmittelbar in der Praxis umgesetzt wird. Wer diesen Master absolviert, kann das Wirtschaftsprüferexamen bereits nach dem Studium ablegen. Die nötige Praxis muss er erst vor seiner Bestellung zum Wirtschaftsprüfer nachweisen. Infos zu diesem Master über das Institut der Wirtschaftsprüfer IDW.