Auf das Personal kommt es an

Foto: Fotolia/Otmar Smit
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Wandel entsteht, wenn Menschen etwas anders machen. So soll es nun auch in der Finanzwirtschaft funktionieren: Um den Kunden noch besser zu verstehen und zu bedienen, setzen die Banken auf die Qualität ihres Personals. Dabei gibt es einige Aspekte, bei denen besonders Einsteiger punkten können. Von André Boße

Die Grundstimmung ist positiv. Dieser Satz sticht aus der Studie „Bank & Zukunft 2012“ heraus, die das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) vorgelegt hat. 335 Vertreter deutscher Finanzinstitute haben Stellung genommen zu den Perspektiven ihrer Branche, die noch immer von Turbulenzen heimgesucht wird. Und dennoch: Die Grundstimmung ist positiv. Die Finanzbranche hat verstanden. Sie konzentriert sich immer stärker auf den Kunden. Auf seine Bedürfnisse und Wünsche. Aber auch auf seine Vorbehalte und Unsicherheiten. Dass es die Finanzinstitute ernst meinen, zeigen die vier Leitlinien, die die Autoren vom Fraunhofer Institut IAO identifiziert haben.

1. Kunden kennen und verstehen
Die Leitfrage der Branche lautet: Wie können Banken ihre Kunden besser kennenlernen und vorhandene Informationen über diese adäquat nutzen? Der persönliche Kontakt zu den Kunden ist die eine Seite. Hier wollen die Banken noch besser werden, um die Basis für Vertrauen und Zutrauen in ihre Arbeit zu legen. Aber die Studie nennt noch ein zweites Feld, das besonders für den Nachwuchs interessant ist: In den sozialen Netzwerken tun viele Kunden bereitwillig ihre Bedürfnisse und Präferenzen kund. Für Finanzinstitute liegt hier eine echte Chance: Sie können über „Social Network Analysen“ wertvolle Informationen erhalten. Ein Drittel aller Befragten schreibt dieser Methode eine große oder sehr große Bedeutung zu, nur weniger als zehn Prozent nutzt dieses Instrument bereits. Hier gibt es also Nachholbedarf – wobei die Branche auf das Know-how der jungen Generation im Bereich der sozialen Netzwerke hofft.

2. Kunden besser einbinden
Wer heute ein Auto kauft, hat vor der Unterschrift unter dem Kaufvertrag die Möglichkeit, fast bis ins letzte Detail seine Wünsche einzubringen. Wer im Internet Waren bestellt, kann diese sowie den Verkaufsvorgang über Feedbacksysteme bewerten. Und wer in einem gut geführten Hotel übernachtet, erhält anschließend die Möglichkeit, Ideen mitzuteilen, wie das Angebot noch besser gestaltet werden kann. Kurz: In vielen Branchen werden die Kunden stark eingebunden. Ihre Ideen und Rückmeldungen sind gefragt, und es gibt Mitarbeiter, die dieses Feedback sammeln und auswerten. Die Studie zeigt, dass auch viele Finanzinstitute ihre Kunden stärker in die Wertschöpfungs- und Innovationskette einbeziehen wollen. Die Banken wollen gemeinsam mit den Kunden neue Ideen entwickeln. Dazu gehören zum Beispiel auch modulare Angebote, die von den Kunden eigenständig konfiguriert werden können. Hier gilt: Die junge Generation hat Erfahrungen mit solchen modernen Angeboten, ihre Innovationskraft ist gefragt.

3. Kunden passgenau bedienen
Viel über den Kunden zu wissen, ist die eine Seite. Dieses Wissen im Beratungsgespräch im Sinne der Kunden anzuwenden, die andere. Dabei setzen die Banken bei ihren Mitarbeitern weniger auf „Überzeugungstäter“, denen es gelingt, ein Finanzprodukt so überzeugend rüberzubringen, dass möglichst viele Kundengruppen zugreifen – vom Studenten über die junge Familie bis hin zum Rentner. Denn genau dieses „Über einen Kamm scheren“ hat zum wenig guten Image der Branche beigetragen. Stattdessen setzen mehr als drei Viertel der Banken auf individuelle Lösungen, die im Rahmen von Beratungsgesprächen konfiguriert werden. Um das zu gewährleisten, benötigt die Branche Berater, die offen in die Gespräche hineingehen und die sich darauf verstehen, gut zuzuhören und die Lebenssituation der Kunden einzuschätzen. „Wie die Ergebnisse zeigen, müssen Banken in den Bereichen der Beratungsqualität, der Sicherheit und der Umsetzung von vertrauensbildenden Maßnahmen noch weiter investieren“, formuliert es Claus-Peter Praeg, einer der Autoren der Studie. Gemeint sind damit auch Investitionen in das Beraterpersonal – und auch davon profitieren die Einsteiger von heute.

4. Personalentwicklung und Recruiting
Personalthemen nehmen bei den Banken heute generell eine enorm wichtige Stellung ein: Laut der Studie ist für 80 Prozent der Finanzinstitute die Entwicklung der Mitarbeiter die wichtigste organisatorische Herausforderung, dicht gefolgt vom Recruiting. Die Banken fördern also den Wandel, indem sie ihre Mitarbeiter weiter- und fortbilden sowie bei der Suche nach neuen Mitarbeitern besonders darauf achten, dass der Nachwuchs in der Lage ist, die Bank fit für die Zukunft zu machen. „Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass der Bankmitarbeiter der Zukunft sowohl über eine starke Kommunikationsfähigkeit und eine soziale Kompetenz als auch über eine hohe fachliche Qualifikation verfügen sollte“, so Praeg. Dabei seien nicht nur die Vernetzung mit Kunden, sondern auch die interne und bereichsübergreifende Vernetzung zentrale Erfolgsfaktoren.

Neue Werte?
Bei der Antwort auf die Frage, ob die Werte, für die eine Bank stehen möchte, tatsächlich erfahrbar sind oder nur auf dem Papier existieren, kommt es entscheidend auf die Mitarbeiter an. „Die Werte unseres Unternehmens leben durch unsere Mitarbeiter: durch den Umgang mit unseren Kunden, in der Zusammenarbeit der Mitarbeiter sowie der Qualität der Führung“, sagt Marcella Kessel, Ressortleiterin Talent Management bei der ING-DiBa. Was den Umgang mit den Kunden betrifft, geht die Direktbank mit Sitz in Frankfurt in Sachen Marketing ungewöhnliche Wege: Im Slogan duzt die Bank ihre Kunden. Vor ein paar Jahren wäre das noch völlig undenkbar gewesen. „Das Du steht für eine Haltung. Für die Nähe zum Kunden, die uns wichtig ist“, sagt Kessel. „Es geht nicht darum, Kunden krampfhaft zu duzen, sondern ihnen auf Augenhöhe persönlich zu begegnen.“ Im direkten Kontakt wählen die Berater selbstverständlich weiterhin das förmliche Sie. „Weil“, so Kessel, „die Kunden das nach unserer Erfahrung von einer Bank erwarten.“ Wichtiger als die Anrede sei aber die inhaltliche Ausrichtung der Beratungsgespräche: „Wir möchten, dass uns die Kunden als Bank erfahren, die sie kompetent und ohne Verkaufsdruck bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützt.“

Im Recruiting setzt die Bank auf exzellentes fachliches Know-how, Internationalität und soziale Kompetenzen: „Wir suchen stärker als früher Talente mit sehr guten Abschlüssen, erster internationaler Erfahrung, fließenden Englischkenntnissen und Interesse an internationalem Austausch“, sagt Kessel. Wichtig seien zudem die Kompetenz, mit anderen an einem Strang zu ziehen, sowie die Bereitschaft, selbst Verantwortung zu übernehmen. „Bei der Auswahl achten wir stärker auf die Fähigkeit, erfolgreich mit komplexen Situationen umzugehen und lösungsorientiert zu arbeiten.“

Perspektivbereich Immobilien
Sich Fähigkeiten anzueignen, ist das eine. Einsteiger wünschen sich jedoch auch Bankbereiche mit Zukunft. Ein Teilbereich, der Absolventen aktuell besonders gute Perspektiven bietet, ist das Asset Management in der Immobilienwirtschaft. Durch das andauernde Krisengefühl haben sich Immobilien zu den beliebtesten Anlagemodellen entwickelt. Jedoch teilt sich der Markt bei den offenen Fonds in zwei Lager auf: Da sind auf der einen Seite die offenen Fonds, die in Schieflage geraten sind und derzeit abgewickelt werden. Auf der anderen Seite bieten gut aufgestellte und solide zusammengesetzte offene Fonds weiterhin gute Chancen für den Nachwuchs. Größter Anbieter von offenen Immobilienfonds in Deutschland ist nach eigenen Angaben der Deka Bank Konzern. „Im Geschäftsfeld Asset Management Immobilien ist die komplette Immobilienkompetenz des Konzerns gebündelt“, beschreibt Torsten Knapmeyer, Geschäftsführer der Deka Immobilien. „Hier ist nicht nur das Fondsmanagement angegliedert, sondern auch der An- und Verkauf sowie die Vermietung und Verwaltung der Immobilien, sodass Einsteiger die gesamte Prozesskette erleben können.“ Wer erfolgreich im Asset Management arbeiten möchte, muss ein Gefühl für Langfristigkeit und Risiko besitzen. Die Fonds bestehen in der Regel aus Objekten in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Nutzungsarten. Diese Diversität verringert das Risiko: Droht einer Immobilie im Land A ein Wertverfall durch geringere Mieteinnahmen, kann eine Immobilie in Land B den Verlust abmildern. „Um ein solches Immobilienportfolio aufzubauen, ist es unerlässlich, die unterschiedlichen Märkte zu kennen und deren weitere Entwicklung abzuschätzen“, sagt Knapmeyer.

Wie in der gesamten Finanzbranche gilt auch hier: Gesucht werden Persönlichkeiten, die sich erstens bestens auskennen und zweitens auf dieser Basis die richtigen professionellen Schlüsse ziehen – und zwar mit Blick auf den Kunden, den man genauso gut einzuschätzen vermag wie den Markt.

Auf einen Blick: Bereiche mit besonders guten Perspektiven

  • Compliance, also die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien: Immer neue Regeln und Vorschriften für den Finanzmarkt sorgen dafür, dass die Compliance – meistens angesiedelt im Risikomanagement – an Bedeutung gewinnt. Gute Chancen haben Einsteiger mit juristischem Know-how.
  • Prozess- und Projektmanagement: Beste Chancen für BWL-Absolventen mit diesem Schwerpunkt und sehr gutem Masterabschluss.
  • IT und Sicherheit: Die Anforderungen an die Banken in Bezug auf IT-Sicherheit werden immer größer. Entsprechend gefragt sind IT-Compliance-Spezialisten, die ihr Security-Handwerk verstehen und wissen, worauf es bei den Banken ankommt.
  • Offline-/Online-Banking: Das Bankgeschäft der Zukunft findet überall und zu jeder Zeit statt. Gute Chancen für strategische Denker, die das Verhältnis zwischen Online- und Offline-Banking neu überdenken.

Dossier Finanzmärkte

Interesse an einem Job in der Finanzwelt, aber noch nicht voll im Thema? Das Dossier „Finanzmärkte“ der Bundeszentrale für politische Bildung bietet einen Überblick über die aktuellen Themen und Fragestellungen, geht noch einmal den Auslösern der Krise auf den Grund und hält auf dem Laufenden, mit welchen Regularien zu rechnen ist.
www.bpb.de/politik/wirtschaft/finanzmaerkte