Interview mit Dr. Diethard Bühler

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Als Jurist ist Diethard Bühler eher eine Ausnahme in der Consultingbranche. Trotzdem konnte der 49-Jährige seine juristischen Kenntnisse auch schon gewinnbringend einsetzen. Seit Mai 2007 ist Bühler Managing Director bei der Strategieberatung Arthur D. Little. Im karriereführer consulting sprach er über Spezialisierung, Arbeitgeberwechsel und die Faszination der Branche. Das Interview führte Sabine Olschner.

Zur Person

Dr. Diethard Bühler, 49 Jahre, ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Arthur D. Little GmbH für Zentraleuropa. Die Schwerpunkte seiner Beratertätigkeit liegen in der Entwicklung und Umsetzung von Geschäftsbereichsstrategien, Organisationsentwicklung (insbesondere im Produktmanagement) sowie Restrukturierungsprogrammen. Zu seinen Klienten gehören Unternehmen der sogenannten TIME-Branchen (Telekommunikation, IT, Medien, Electronics), sowohl in Europa als auch in den USA. Diethard Bühler war zwölf Jahre bei A.T. Kearney tätig sowie zwei Jahre bei Bain & Company (als Head of Technology and Telecommunications in Deutschland) und zuletzt gut zwei Jahre bei CSMG Adventis, einer auf den IT- und Telekommunikations-Sektor spezialisierten Strategie-Beratung. Zuvor arbeitete er als Rechtsanwalt in der Kanzlei Berenberg-Gossler & Partner (heute:TaylorWessing) in Hamburg. Diethard Bühler studierte Rechtswissenschaften in Hamburg und Lausanne und absolvierte ein MBA-Studium an der University of San Francisco. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Herr Dr. Bühler, Sie sind promovierter Jurist. Treffen Sie in der Consultingbranche auf viele Juristenkollegen? In der Branche sind Juristen generell selten, und auch im Top-Management habe ich kaum Juristen kennengelernt. Ich glaube, die Studienrichtung Jura kann für eine Arbeit im Consulting sogar fast hinderlich sein, weil sie eine andere Zielrichtung hat als eine betriebswirtschaftliche Ausbildung: Eine juristische Ausbildung geht immer dahin, dass man keine Fehler machen, sondern Sicherheit schaffen will. Der Jurist versucht, das Risiko zu vermeiden, der Betriebswirt hingegen kalkuliert das Risiko. Letzteres ist das, was wir Berater unseren Klienten bieten: Was kostet mich das Risiko und die Lösung des Problems? Wie wichtig ist denn die Studienrichtung für eine Arbeit in der Consultingbranche? Die Studienrichtung an sich ist nur von begrenzter Bedeutung. Natürlich müssen alle Berater bei uns über betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse verfügen. Ich selbst habe beispielsweise Betriebswirtschaft im Grundstudium studiert und später einen MBA gemacht. Aber: Solch eine Ausbildung ist nicht unbedingt notwendig. Wir im Unternehmen sind offen für alle Fachrichtungen. Die Klassiker fürs Consulting sind natürlich Betriebswirtschaft oder Ingenieurwissenschaften – und so ist es auch bei uns. Können Sie Ihre juristischen Kenntnisse in der Beratung einsetzen? Insbesondere am Anfang meiner Arbeit in der Consultingbranche habe ich mich sehr intensiv mit der Juristerei beschäftigt. Ich habe damals bei der Treuhandanstalt gearbeitet, wo mir meine Rechtskenntnisse sehr nützlich waren. Später habe ich hin und wieder Kanzleien beraten, auch da hilft es, selbst Jurist zu sein. In meiner aktuellen Funktion als Geschäftsführer ist es sehr nützlich, sich mit arbeits- und steuerrechtlichen Fragestellungen auszukennen. Sie haben lange Zeit Unternehmen aus der Telekommunikation, Information, Medien und Elektronik beraten. Müssen sich Consultants auf eine Branche spezialisieren – oder ist eher der Allrounder gefragt? Eine Spezialisierung erscheint mir zu eng. Ich glaube vielmehr, jeder sollte Schwerpunkte bilden. Diese müssen aber nicht unbedingt in einer Branche liegen. Es kann genauso gut ein fachlicher Schwerpunkt sein, wie etwa die Beschäftigung mit organisatorischen, strategischen oder operativen Themen. Es gibt aber auch Berater, die ein sehr breit gefächertes Wissen haben und damit ebenso erfolgreich sind. Andere Consultants kümmern sich um einen speziellen Kunden, meist ist dies ein großes Unternehmen, das viele verschiedene Geschäftsfelder hat. Im Consulting gibt es also viele Wege zum Erfolg, und es ist nicht notwendig, sich zu stark zu spezialisieren. Kunden sind meist ohnehin nicht mit einer einzelnen Kompetenz zufrieden, sondern verlangen vielmehr einen Mix von Kompetenzen. Letztlich ist die Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln, Neues zu erlernen und sich umzustellen wichtiger als eine wie auch immer geartete Spezialisierung. Was kann man schon als Einsteiger tun, um innerhalb des Unternehmens aufzusteigen? Jeder, der bei uns anfängt, ist aus unserer Sicht ein potenzieller Partner. Ihm fehlt am Anfang nur die Erfahrung und das methodische Wissen – aber das Potenzial haben wir in dem Bewerber erkannt, sonst hätten wir ihm kein Angebot gemacht. Wir stellen niemanden ein, den wir nach ein oder zwei Jahren loswerden wollen. Im Gegenteil, wir tun sehr viel dafür, seine Ausbildung und Karriere entsprechend seiner Fähigkeiten zu fördern und ihn aktiv bei seinem Weiterkommen zu unterstützen. Das Ziel eines jeden Beraters sollte es sein, Partner zu werden. Aus meiner Sicht noch wichtiger als der hierarchische Aufstieg ist es jedoch, spannende Projekte beim Klienten zu bearbeiten. Was verändert sich an der Arbeit, wenn man in Ihre Position aufgestiegen ist? Als Managing Director verändert sich jede Menge: Man muss ein ganzes Unternehmen mitsamt allen Partnern führen. Meine wichtigste Aufgabe ist es, die Partnerkollegen zu motivieren, so dass wir zusammen in die gleiche Richtung gehen. Darüber hinaus bin ich dafür verantwortlich, dass unsere Administration kostenbewusst und qualitativ hervorragend arbeitet. All dies spielt im Alltag eines Partners eine eher untergeordnete Rolle. Gehört die Beratung von Klienten überhaupt noch zu Ihren Aufgaben? Selbstverständlich. Man kann nicht jahrelang mit der Beratung aussetzen, wenn man später zur Klientenarbeit zurückgehen will. Klientenbeziehungen haben sehr stark mit Vertrauen zu tun, und das muss über Jahre wachsen und anschließend gepflegt und erhalten werden. Sie haben öfter ihren Arbeitgeber gewechselt – ist das ein üblicher Weg nach oben? Ich habe bei meinem ersten Arbeitgeber mit der Ernennung zum Vice President den Partner-Level erreicht, habe also den Aufstieg schon im ersten Unternehmen vollzogen. Danach bin ich eher quer gewechselt als Partner in verschiedene Beratungsunternehmen. Für meinen Aufstieg war der Wechsel also nicht wichtig. Ich habe allerdings weitere Erfahrung und neue Perspektiven gewonnen, was mir bei meiner heutigen Aufgabe sehr hilft. Wer das Beratungsunternehmen wechseln will, sollte bedenken, dass ein Wechsel immer die Vertrauensbeziehung zum Kunden stört. Andererseits sollte man sich bei seinem Arbeitgeber natürlich wohlfühlen, denn nur dann kann man auch gut sein. Sie sind seit knapp 18 Jahren in der Branche tätig. Was fasziniert Sie am Consulting? Die Fähigkeiten, die gefordert sind und in denen man nie gut genug ist; der ständige Reiz, durch soziale Aktionen und fachliches Wissen das Vertrauen des Klienten zu erwerben; ständig wechselnde Teams in einem relativ hierarchiefreien Umfeld; und nicht zuletzt der ständige Adrenalinstoß, wenn man sich auf eine Präsentation vorbereitet oder einen Beratungsvorschlag abschließt, um dem Klienten das Bestmögliche zu geben. Die Mischung aus vielen verschiedenen Faktoren macht diesen Beruf außerordentlich spannend.

Arthur D. Little

Gegründet 1886 von dem MIT-Professor Arthur Dehon Little in Massachusetts, gilt Arthur D. Little heute als die älteste und traditionsreichste Unternehmensberatung der Welt. Arthur D. Little verbindet Strategie-, Innovations- und Technologieberatung mit dem Ziel, nachhaltige Unternehmenserfolge für die Klienten sicherzustellen. Das Unternehmen betreut weltweit Kunden aus allen wichtigen Industrie- und Dienstleistungszweigen. Im deutschsprachigen Raum beschäftigt Arthur D. Little 270 Mitarbeiter an den Standorten Wiesbaden, Düsseldorf, München, Wien und Zürich. Weltweit arbeiten über 1000 Mitarbeiter an 20 Standorten. Zu den Kompetenzfeldern von Arthur D. Little gehören Strategie, Operations, Sustainability & Risk sowie Technologie- und Innovationsmanagement. Arthur D. Little ist Mitglied im Altran-Verbund, einem Netzwerk hochspezialisierter Technologieunternehmen, das rund 17.000 Mitarbeiter umfasst.

Interview mit Thomas Bubendorfer

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Tausende von Tagen hat er auf den Bergen der Welt verbracht: Extrembergsteiger Thomas Bubendorfer weiss, wie man sein Ziel erreicht und wie man mit Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin umgeht. Mit Sabine Olschner sprach er über Mut, Scheitern und den Umgang mit Risiken.

Zur Person

Thomas Bubendorfer, 45, hat schon mit zwölf Jahren seine Liebe zum Bergklettern entdeckt. Der Extrembergsteiger hat über 70 Erstbesteigungen hinter sich, viele im Alleingang und ohne Seil. Er kletterte in Rekordzeit in den Alpen, den Anden, in Alaska und im Himalaja. Sein bisher einziger Absturz führte fast zum Ende seiner Karriere als Profikletterer, doch bereits ein Jahr später feierte er sein Comeback. In Vorträgen und Seminaren bringt er Managern und Führungskräften seine Leistungsphilosophie näher. Bücher wie „Senkrecht gegen die Zeit“ und sein neuestes „Ausgangspunkt Jetzt“ zeigen die Parallelen zwischen Bergsteigen und dem Job eines Managers. Thomas Bubendorfer ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Österreich. Weitere Infos: www.bubendorfer.com
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg? Erfolgreich ist man, wenn man genau das tut, was man sich selbst ausgesucht hat, und wenn man dieses Tun um seiner selbst Willen ausübt. Ich zum Beispiel bin Bergsteiger, weil ich gern klettere. Damit bin ich schon erfolgreich. Viele glauben, sie werden erfolgreich sein, wenn sie am Gipfel angekommen sind. Das ist meiner Ansicht nach ein Irrtum. Ich sage immer: Man kann nur jetzt erfolgreich sein und nicht künftig erfolgreich werden. Viele stecken in dieser Zukunftsfalle und vergessen über ihren Zielen die Gegenwart. Und wie definieren Sie Scheitern? Scheitern bedeutet, Dinge zu tun, die ich eigentlich gar nicht tun will, sondern die ich tun muss. Aber sobald der Mensch im Zwang steckt, kann er sein Leistungspotenzial nicht frei entfalten. Scheitern bedeutet also nicht, sein Ziel nicht zu erreichen? Nein, überhaupt nicht. Von außen betrachtet sind viele Top-Manager sehr erfolgreich: Sie stehen an der Spitze. Aber sie stecken oft in einer Zwangsjacke und funktionieren einfach gut. Doch wenn einer nur funktioniert, ist er für mich kein Gewinner, sondern ein Gescheiterter. Erfolgreiche Menschen sind frei. Leider kenne ich nicht viele freie Menschen. Welche beruflichen Ziele sollte man sich stecken? Ich halte überhaupt nichts davon, sich Ziele zu stecken. Ich finde es viel ehrenwerter, wenn jemand immer besser werden will. Auch ich arbeite ununterbrochen daran, dass ich nicht stehen bleibe. Schauen Sie sich etwa einen Künstler an: Was sollte der sich für Ziele stecken? Er kann nur an sich und seinen Talenten und Fähigkeiten arbeiten. Das Gleiche gilt für Manager. Es gibt kein Ankommen. Man ist ständig unterwegs. Ein Ankommen wäre ein Endpunkt – und davon gibt es nur einen, und das ist der Tod. Das heißt, ein Gipfel ist für Sie gar kein Ziel? Nein. Mein Ziel ist es, gut zu sein und besser zu werden. Ich habe zum Beispiel gestern erst zwei Erstbesteigungen gemacht. Beim Klettern habe ich nie daran gedacht, dass ich fertig werden könnte. Als ich oben war, habe ich nur gedacht: Schade, dass es jetzt dunkel wird, denn dort drüben gäbe es noch eine andere Möglichkeit weiterzusteigen. Am Ende der Besteigung war ich also an einem neuen Ausgangspunkt. Es gibt immer einen neuen Ausgangspunkt. Wo sehen Sie weitere Parallelen zwischen Bergsteigern und Führungskräften? Beide sollten sich ständig etwas Neues suchen: Orte und Situationen aufspüren, an denen sie noch nicht waren. Denn nur das Neue gibt den Reiz, dass wir uns weiterentwickeln. In dem Moment, in dem wir bekannte Wege gehen, wiederholen wir uns. Doch in der Wiederholung ist man nicht gespannt und aufgeregt, da ist nichts. Wir müssen stark aufpassen, dass wir nicht ins reine Funktionieren hineingeraten. Wer nur funktioniert und Dinge tun muss, reagiert nur noch und agiert nicht mehr. Das ist langweilig. Welche Eigenschaften sind ihnen noch gemein? Manager wie Bergsteiger sollten ein hohes Maß an Eigenverantwortung haben: Ich bestimme, wo die Reise hingeht. Ich lasse mich nicht durch zig E-Mails und Meetings am Tag fremdbestimmen. Ich bin die Führungskraft. Also führe ich. Und das fängt bei mir selber an. Wenn man sich selber nicht führen kann, wird man auch andere nicht führen können. Was kann man denn gegen diese „Fremdbestimmung“, die ja für viele Manager Alltag ist, tun? Als Bergsteiger, der sehr auf Effizienz konzentriert ist, frage ich mich ständig: Was ist wirklich nötig? Also: Was muss ich wirklich in die Berge mitnehmen, was muss ich wem kommunizieren, wie viel muss ich trainieren? Manager könnten sich immer wieder fragen: Muss ich wirklich in zehn Meetings anwesend sein? Muss ich alle 100 Mails beantworten? Muss ich wirklich 12 oder 14 Stunden täglich arbeiten? Sie werden sehen, dass sie viel Einsparungspotenzial finden werden, denn vieles ist nicht wirklich nötig. Wie motivieren Sie sich für große Aufgaben wie eine Erstbesteigung? Für große Aufgaben brauche ich mich nicht zu motivieren, da motiviert mich die Aufgabe selbst. Es fällt mir viel schwerer, mich im Täglichen zu motivieren, bei den uninteressanten Sachen, die mir nicht so eine große Freude machen. Aber auch das ist eine Herausforderung. Man muss halt einen Schritt nach dem anderen machen. Das gilt für alles, was man tut. Wie „trainiert“ man für den beruflichen Weg nach oben? Indem man nicht zu weit nach vorn schaut. Im Management leben viele nicht in der Gegenwart, sondern haben immer nur ihre Ziele vor Augen. Ich frage in meinen Seminaren die Teilnehmer: Sind Sie ein Hellseher, dass Sie wissen, wo Sie und Ihr Unternehmen in fünf Jahren stehen werden? Spielen auch Ausdauer, Kraft und Disziplin für Manager eine Rolle? Selbstverständlich. Wobei ich Disziplin nicht für so wichtig halte. Denn wer etwas gern tut, dem braucht man nicht zu sagen, dass er üben muss. Ein Musiker etwa spielt einfach gern, weil er seine Fähigkeiten ständig verbessern und dahinkommen will, wo er noch nie gewesen ist. Von außen meint man vielleicht, er sei wahnsinnig diszipliniert – aber für ihn sind fünf Stunden Üben keine Kunst, weil er es gern macht. Wie viel Mut braucht eine Führungskraft? Ich glaube, sie braucht sehr viel Mut. Ich fürchte nur, dass die meisten Führungskräfte nicht sehr mutig sind. Viele reden von Veränderungen, aber wenn man dann einmal genau hinschaut, wird gar nicht viel verändert. Wie sollten Manager und Bergsteiger mit Risiken umgehen? Man soll sie suchen und nicht meiden. Denn der Mensch ist nur im Risiko gut, wenn etwas auf dem Spiel steht und es gefährlich ist. Das Neue ist gefährlich, denn das kennen wir nicht. Im Alten zu verharren, scheint zwar manchmal sicher, aber das ist manchmal noch gefährlicher, weil man sich nur vermeintlich sicher wähnt. Wenn ich in den Bergen bin, wo noch niemand zuvor geklettert ist, mache ich keinen Fehler, ich bin hundert Prozent wachsam und konzentriert. Wenn man voll gefordert ist, macht man keinen Fehler. Dann ist man einfach gut. Als Profi muss man also mit offenen Augen voll ins Risiko hineingehen. Ein Profi weiß, wie viel Risiko und Wagemut er sich zumuten darf. Wer sich zu viel zumutet, spielt nicht in der Profiklasse, sondern liegt schnell unten. Und wenn doch mal ein Fehler passiert ist: Wie kommt man am besten heraus? Indem man nicht jammert. Die Krise ist die beste Chance zum Lernen. Im Erfolg lernt man nicht. Da braucht man sich nur vor Augen zu halten, dass einem etwas gelungen ist. Wird man es beim nächsten Mal anders machen? Wahrscheinlich nicht, denn beim letzten Mal war man ja erfolgreich, weil man offensichtlich alles richtig gemacht hat. Aber wenn Sie nicht hinaufkommen, müssen Sie überlegen, was Sie beim nächsten Mal verändern können. Hier liegt die Chance, etwas zu lernen. Ein Misserfolg tut zwar weh, aber andererseits muss man die Chance sehen, die sich bietet. Eine Krise kann gar nicht so unangenehm und schmerzlich sein, als dass sie nicht trotzdem etwas Positives hätte. Wenn man merkt, der Absturz ist unausweichlich – wie verhält man sich am besten, um Schadensbegrenzung zu betreiben? Indem man loslässt, das verkürzt den Fall. Wenn man merkt, dass einem die Dinge entgleiten, dass nichts mehr geht, dann sollte man sich möglichst bald sagen: Ich kann es nicht ändern, das lass ich jetzt los. Das gilt ja wohl nicht fürs Bergsteigen? (lacht) Natürlich nicht. Wenn man da kurz vor dem Fall steht, muss man sich in Sicherheit bringen. Wenn ich in der Wand bin und merke, es geht nicht mehr, muss ich mich geordnet zurückziehen. Aber meist gehe ich dann auch nicht mehr unendlich oft an diese Stelle zurück, weil meine inneren Widerstände zu groß sind. Wenn die Widerstände auch nach mehrmaligen Versuchen nicht verschwinden, muss man es irgendwann sein lassen. Ich sage immer: Man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand, man muss mit dem Herzen durch die Wand. Wie überwindet man solche Rückschläge – und gewinnt vielleicht sogar Kraft durch sie? Indem man sich klar vor Augen hält, was man gelernt hat. Nur weil ich auf einen Berg nicht hinaufkomme, stellt das ja nicht meine Liebe zum Bergsteigen infrage. Eine Begeisterung für eine Sache kann nicht mit dem Siegen stehen und fallen. Haben Sie manchmal Angst? Selbstverständlich. Wie gehen Sie damit um? Ich bin fast froh, wenn ich Angst habe, denn ansonsten könnte ich auch nicht mutig sein. Angst lässt mich vermeintliche Sicherheiten aufspüren. Nur wenn ich Angst habe, kann ich sicher sein, dass meine Schuhe richtig gebunden sind, dass der Pickel geschliffen ist, dass ich das Wetter kenne. Meine Angst lässt mich rechtzeitig schlafen gehen. Hätte ich keine Angst, würde ich vielleicht zu spät ins Bett gehen. Die Angst stellt einem Tausend Fragen. Sie beherrschen also Ihre Angst? Ja, denn Panik wäre unprofessionell, zu viel Risiko ist tödlich. Als Profi muss ich ein gewisses Restrisiko verantworten, ganz einfach deshalb, weil immer eines bleibt. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, nicht am Berg, nicht in der Wirtschaft. Aber: Es gibt keine gefährlichen Berge, und auch Management ist nicht gefährlich. Es gibt nur Leute, die Fehler machen. Und die meisten Fehler sind hausgemacht. Denn Amateure kennen sich selber nicht so gut, wie ein Profi sich kennt. Kennen Sie Manager, die in einem Höhenrausch sind? Die meisten Manager, die ich kenne, befinden sich eher in einem zielfixierten Zwangstunnel. Sie merken nicht mehr, was um sie herum vorgeht. Sie wähnen sich auf einem Gipfel, sehen den nächsten – und dazwischen nichts. Alles was nicht direkt zum nächsten Gipfel führt, ohne den Umweg über das Tal, wollen sie gar nicht wahrnehmen. Sie wollen nicht das Tempo variieren, geben immer nur Vollgas. Auch das lernt der Bergsteiger: Du kannst Vollgas geben, aber du musst dem Körper und dem Geist auch Ruhephasen gönnen, um dann wieder in die nächste Hochleistungsphase hineinzukommen, ohne auszubrennen. Worin liegt das Geheimnis, dauerhaft oben zu bleiben? Das kommt auf die Definition an, was oben sein bedeutet. Wenn ich auf einer Position einfach nur bleiben will, muss ich gut funktionieren und möglichst wenig Risiken eingehen. Aber wenn oben sein für mich bedeutet, ein relativ freies und selbstbestimmtes Leben zu führen, muss ich gewisse Risiken eingehen. Ich muss immer wieder hinterfragen, ob das, was ich mache, mir auch wirklich Spaß macht, ob es das ist, was ich will. Und man muss auch mal mutig sein und verzichten können. Dann verdient man vielleicht weniger, aber dafür hat man ein schönes Leben. Denn ganz ehrlich: Führungskräfte haben ein hartes Leben. Wie kann man sich denn gegen die dünne Luft, die oft oben herrscht, und den permanenten Druck wappnen? Man sollte sich Gleichgesinnte suchen, andere, die genauso „ticken“ wie ich. Dann kann man sich gegenseitig unterstützen und sich hinterfragen. Das sehe ich auch als meine Aufgabe in meinen Seminaren: Ich stelle den Teilnehmern immer wieder die Frage, ob sie tatsächlich so weitermachen wollen wie bisher. Und wenn nicht, warum sie nichts daran ändern. Sie werden nicht 500 Meter tief stürzen. Ihr Risiko ist da geringer als meins. Welchen Sinn sehen Sie eigentlich darin, extrem schwierige Berge zu bezwingen? Das ist mein Leben. Der Sinn meines Lebens besteht darin, dass ich mein individuelles Potenzial ausschöpfe. Das gilt für mich und für alle: Der Sinn des Lebens ist es, immer so gut zu sein, wie man sein kann. Man muss nicht besser sein als der andere. Auch ich kann nur so gut klettern, wie ich es kann. Und nur ich weiß, wie gut ich klettern kann und ob ich noch besser klettern könnte. Das gilt auch für eine gute Führungskraft: Sie weiß, wie gut sie selber ist und wie weit sie sich selber noch entwickeln kann. Und sie muss auch wissen, dass sie nie ankommen und nie gut genug sein wird.

Interview mit Regina Brückner

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Das Veredeln von Textilien ist ihr Geschäft. Mit 30 Jahren übernahm sie das Maschinenbauunternehmen ihres Vaters. Heute führt sie es gemeinsam mit ihrem Mann – er ist der Stratege, sie die Frau der schnellen Entscheidungen. Im Interview mit S-taff spricht Regina Brückner über Gespür für Zwischentöne und Techniker, die oft schwarzweiß denken.

Zur Person

Vordiplom Textiltechnik an der Fachhochschule Reutlingen, Magisterstudium in Neuerer deutscher Literatur, VWL und Organisationspsychologie. Nach diversen Praktika im In- und Ausland Eintritt als Trainee in die Firma Brückner Trockentechnik. Seit 1999 ist sie Geschäftsführerin, gemeinsam mit ihrem Ehemann Axel Pieper. Privat: 1969 in Stuttgart geboren, verheiratet, zwei Kinder.
Wann stand für Sie fest, dass Sie in den Familienbetrieb einsteigen würden? Schon als ich 16 war, fragte mich mein Vater, ob ich mir vorstellen könnte, die Firma einmal zu übernehmen. Blauäugig, wie ich in dem Alter war, habe ich ja gesagt, ohne dass ich mir damals vorstellen konnte, was da genau auf mich zukommt. Von meinen älteren Geschwistern hat keiner Interesse gezeigt, daher habe ich es als meine Verpflichtung gesehen, die Firma eines Tages weiterzuführen, daran gab es bei mir keinen Zweifel. Entsprechend habe ich auch zunächst mein Studium dahingehend ausgerichtet und an der Fachhochschule Reutlingen Textiltechnik studiert. Warum haben Sie nach dem Vordiplom ein Magisterstudium begonnen? Das FH-Studium war mir zu verschult. Außerdem wurde mir klar: Wenn ich einmal die Firma leiten wollte, musste ich meinen Horizont erweitern und intellektuell auch noch etwas für mich persönlich tun. Im Nachhinein denke ich, ich hätte besser Jura oder Maschinenbau studieren sollen, das hätte mir bei meiner heutigen Arbeit mehr geholfen. Aber letztendlich kommt es gar nicht auf die Studienrichtung an, wichtig ist, dass man lernt strukturiert zu denken und zu handeln. Und unternehmerisches Handeln lernt man durch Erfahrung und Erleben. Wichtig ist, bei Entscheidungen sorgfältig abzuwägen, gleichzeitig Entschlussfreudigkeit und Vertrauen in sich selbst zu haben. Helfen Ihnen Ihre Erkenntnisse aus dem Magisterstudium trotzdem bei der Arbeit? Mit Sicherheit. Vor allem, was ich in Organisationspsychologie gelernt habe, kann ich hier jeden Tag anwenden: beim Umgang miteinander und mit den Mitarbeitern, in schwierigen Gesprächssituationen, beim Lösen von Konflikten, zur Motivation – das alles gehört zum täglichen Geschäft. Darüber hinaus hat mir das Magisterstudium gezeigt, manche Fragen anders zu beurteilen. Techniker denken in der Regel geradeaus, es gibt für sie häufig nur zwei Varianten: schwarz oder weiß. Manchmal nimmt man aber nicht nur diese zwei Varianten wahr, sondern es gibt auch Zwischentöne, die man beachten muss. Jeder Mensch nimmt Aussagen von anderen mit seiner eigenen Wahrnehmung auf – und sich darüber bewusst zu werden, hilft im täglichen Umgang miteinander. Wie haben die Mitarbeiter auf die Tochter des Chefs reagiert, als Sie als Trainee bei Brückner begonnen haben? Als ich als Trainee einstieg, war mein Vater schon gestorben. Die Mitarbeiter haben deshalb viel Hoffnung in mich gesetzt, weil sie glaubten, da sei endlich wieder jemand aus der Familie, der sich für die Firma engagiert. Für mich war das eine schwierige Situation, weil ich ihre Hoffnungen noch nicht erfüllen konnte. Ich hatte ja noch gar keine Erfahrung und keine Entscheidungsbefugnisse. Wie alle Trainees konnte ich anfangs einfach nur zuschauen und zuhören. Das war für mich eine sehr lehrreiche Zeit, weil ich überall dabei sein durfte. Dabei habe ich erkannt: Wenn man es will, kann man alles lernen. Ich kann heute ebenso technische Zeichnungen lesen wie mich über kaufmännische Themen unterhalten. Im Rückblick: Wäre es besser gewesen, vor dem Einstieg in den Familienbetrieb zunächst einmal in anderen Unternehmen zu arbeiten? Das wäre sicherlich sinnvoll gewesen, und ich hätte es auch gern gemacht. Aber ich habe gespürt, dass unser Unternehmen damals eine schwierige Zeit vor sich haben würde – was sich tatsächlich bewahrheitet hat: Zwei Jahre nach meinem Einstieg haben wir einen Betrugsfall im zweistelligen Millionenbereich aufgedeckt. Wenn ich damals noch nicht so lange im Unternehmen gewesen wäre, hätte ich von der Firma nicht soviel verstanden und hätte nicht so schnell einspringen können. Für mich war es also der richtige Weg, direkt nach dem Studium hier begonnen zu haben. Grundsätzlich kann es jedoch nicht schaden, auch in anderen Unternehmen gearbeitet zu haben, weil ansonsten die Gefahr besteht, schneller betriebsblind zu werden. Sie haben dann schon mit 30 Jahren die Geschäftsleitung übernommen. Wie wurden Sie als junge Frau in der männerdominierten Technikwelt akzeptiert? Anfangs haben alle gedacht: Frau, jung, hat keine Ahnung. Das hatte durchaus seine Vorteile, weil ich von vielen unterschätzt wurde. Wenn man dann mit Charme bei Verhandlungen hart bleibt, sind viele Geschäftspartner erst einmal überrascht. Aber zum Glück ist es ja nicht mehr nur eine Männerwelt. Wir bei Brückner zum Beispiel achten darauf, auch Mitarbeiterinnen zu beschäftigen – auch im technischen Bereich. Denn wir haben bemerkt, dass sich das Klima deutlich verbessert, wenn in den Abteilungen nicht nur Männer arbeiten. Sie haben zwei Kinder und einen zeitintensiven Job – wie schaffen Sie es, Beruf und Familie zu vereinbaren? Als Geschäftsführerin habe ich den Vorteil, dass ich mir manches anders einrichten kann. Unsere erste Tochter habe ich bis zu ihrem ersten Lebensjahr jeden Tag in die Firma mitgenommen, denn neben meinem Büro ist ein eigenes Kinderzimmer. Inzwischen habe ich jemanden, der in der Firma auf unseren jüngeren Sohn aufpasst, und die Ältere geht in den Kindergarten. Ihr Mann arbeitet ebenfalls in der Geschäftsleitung von Brückner – wie funktioniert diese enge familiäre Zusammenarbeit? Jeder hat seine Aufgabenbereiche, und wir sind vom Typ her sehr unterschiedlich. Mein Mann ist eher der Stratege, der langfristig überlegt, in welchen Bereichen was zu tun ist. Ich bin hingegen diejenige, die schnelle Entscheidungen durchführt. Hier ergänzen wir uns sehr gut. Welche Ratschläge können Sie Absolventen geben, die wie Sie eine Unternehmensnachfolge in einem mittelständischen Unternehmen anstreben? Man muss sich über seine eigene Rolle klar werden, wie man von anderen wahrgenommen wird und wahrgenommen werden will. Ich habe am Anfang ein Coaching gemacht, um mir einige Dinge bewusst zu machen. Dabei wurde mir klar, dass ich den Erwartungen, die andere in mich hatten, gar nicht gerecht werden konnte. Daher ist es nicht nur zu Beginn wichtig, ganz viel zuzuhören und ein Gespür für die Aussagen zwischen den Zeilen zu bekommen. Als junger Mensch macht man wahrscheinlich eine ganze Reihe von Fehlern, das gehört dazu. Aber man muss lernen, damit umzugehen.

Zum Unternehmen Brückner Group GmbH

Snowboards, Surfbretter, Tennisschläger, Kleidung – Brückner ist weltweit einer der führenden Anbieter von Anlagen für die textile Trockenveredlung. Mit Brückner-Maschinen werden Textilien wie Kleidung, Bettwäsche oder Gardinen nach dem Färben und Bedrucken veredelt, imprägniert und getrocknet. Auch technische Textilien wie etwa Glasfasern bekommen bei Brückner den letzten Schliff. An zwei deutschen Standorten erwirtschaften 330 Mitarbeiter einen Umsatz von rund 70 Millionen Euro. Hinzu kommen 90 Vertretungen und Servicestationen weltweit. Derzeit sucht das Unternehmen vor allem Maschinenbau-Absoventen. Stammsitz ist Leonberg.

Interview mit Dr. h.c. Ludwig Georg Braun

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Ludwig Georg Braun ist seit 1972 Vorstandsmitglied des Pharma- und Medizinartikelherstellers B. Braun Melsungen. Im karriereführer spricht der Bankkaufmann, der sowohl Ehrendoktor als auch Ehrenprofessor ist, warum Querdenken manchmal von Vorteil ist und was man für eine erfolgreiche Karriere braucht. Die Fragen stellte Christiane Martin.

Zur Person

Ludwig Georg Braun wurde 1943 in Kassel geboren. Hier absolvierte er das Abitur und eine Lehre zum Bankkaufmann. Es folgten praktische betriebswirtschaftliche Studien in Großbritannien und den USA. Von 1968 bis 1971 arbeitete er in der Nähe von Rio de Janeiro in der Geschäftsleitung eines brasilianischen Unternehmens mit 1600 Mitarbeitern, der heutigen Tochtergesellschaft Laboratórios B. Braun S.A. Hier baute er das Exportgeschäft innerhalb Lateinamerikas auf. 1972 kehrte Ludwig Georg Braun nach Europa zurück und trat in die B. Braun Melsungen AG ein; seit 1977 trägt er die kaufmännische Gesamtverantwortung für das Unternehmen. Er war zunächst Vorstandssprecher, später wurde er Vorstandsvorsitzender. Neben zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten ist er auch Präsident des Deutschen Industrieund Handelskammertages (DIHK). Er trägt die Doktorehrenwürde der Universität Freiburg und den vom Land Hessen verliehenen Titel des Professors. Ludwig Georg Braun ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.
Herr Professor Braun, was halten Sie von Querdenkern? Querzudenken heißt, den Mut zu haben, auch einmal andere, neue Wege zu gehen und das, was man tut, kontinuierlich zu hinterfragen – auf der Suche nach besseren und vielleicht effizienteren Lösungen. In diesem Sinne sind Querdenker bei B. Braun gerne gesehen, weil sie im Team mit Kollegen zu guten Lösungen kommen. Und sind Sie selbst einer? Die außergewöhnliche Architektur der B.-Braun-Konzernzentrale lässt fast darauf schließen. Die moderne Werkanlage von B. Braun im nordhessischen Melsungen ist für mich Ausdruck der Verantwortung, die wir als Unternehmerfamilie für die Region übernehmen. Die Architektur symbolisiert die Unternehmenskultur auf besondere Weise: Hier wird zum Beispiel deutlich, was wir mit Werten wie Innovation und Transparenz meinen. Und innen? Wie sieht es da aus? Gibt es im Unternehmen B. Braun Projekte, bei denen „quergedacht“ wurde? Wichtig ist mir, dass wir nicht nur in einer modernen „Hülle“ arbeiten, sondern dass wir auch im Inneren moderne Arbeitskonzepte praktizieren. Mit dem Bürokonzept 2010 lösen wir die Bindung des Mitarbeiters an einen nur für ihn persönlich reservierten Schreibtisch. Unser modernes Computernetzwerk ermöglicht es, jeden Tag einen anderen Arbeitsplatz zu wählen. Dies hat einen intensiven Austausch mit allen Teamkollegen zur Folge. Jeder erfährt sehr viel über die Aufgaben der anderen, kann sich dadurch stärker einbringen und sein Wissen vermehren. Auch das steht hinter unserem Unternehmensclaim „Sharing Expertise“. Ist Querdenken Ihrer Meinung nach eine Eigenschaft, die auch Hochschulabsolventen mitbringen sollten, wenn sie bei B. Braun einsteigen wollen? Wenn man neu in ein Unternehmen einsteigt, geht es zunächst darum, die Unternehmenskultur zu entdecken und ein Teil von ihr zu werden. Wir wünschen uns selbstständige Mitarbeiter, die konstruktiv an den gemeinsamen Zielen mitarbeiten. Querdenken im Sinne eines kritischen Hinterfragens kann da nützlich sein. Was müssen sie denn noch können? B. Braun ist in über 50 Ländern der Erde tätig. Neben den fachlichen Kenntnissen setzen wir da natürlich möglichst vielfältige Sprachkenntnisse voraus und gerne auch Erfahrungen mit anderen Kulturen. Die interkulturelle Kompetenz wird immer wichtiger, da das Geschäft außerhalb Deutschlands beziehungsweise Europas stetig an Bedeutung gewinnt. In allen Funktionen ist die Bereitschaft, im Team zu arbeiten, unerlässlich. Der offene und regelmäßige Austausch mit den Kollegen fördert kreative Lösungen. Und last but not least: Die Arbeit bei B. Braun soll Spaß machen. Spüren Sie den von vielen prognostizierten Fachkräftemangel in Deutschland? Ja, den spüren auch wir. Er spiegelt sich insbesondere in den technischen Berufsbildern wider, bei den Industriemechanikern, Elektronikern, Pharmakanten, Medizintechnikern und Ingenieuren. Noch schwieriger ist es bei Fachkräften mit Berufserfahrung. Zum Teil herrscht aber auch Mangel in Managementebenen bei kaufmännischen und naturwissenschaftlichen Fachkräften sowie bei den technischen Ausbildungsberufen. Was tun Sie dagegen? Wir bilden zunehmend selbst aus und investieren entsprechend in die Ausbildung. Zurzeit planen wir den Bau einer neuen modernen Ausbildungswerkstatt. Und wir werben mit dem, was B. Braun zu einem sehr interessanten Arbeitgeber macht: mit unserer modernen Arbeitswelt, mit den attraktiven Traineeprogrammen, den Karrieremöglichkeiten und Entwicklungsperspektiven innerhalb unserer internationalen Organisation, mit unserem breit gefächerten Weiterbildungsangebot und unseren Sozialleistungen. Wir zeigen potenziellen Kandidaten unser umfassendes familienfreundliches Programm „B. Braun for Family“, das es ihnen erleichtern soll, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Und damit sich Studierende vor Ort davon überzeugen können, laden wir sie ein, uns vor Ort kennenzulernen. Auch Praktika und Diplomarbeiten ermöglichen einen ersten, wichtigen Kontakt. Wer B. Braun kennenlernt, sieht schnell, dass die Werteorientierung, welche unsere Unternehmenskultur kennzeichnet, das sozial-gesellschaftliche Engagement und die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern B. Braun zum attraktiven Arbeitgeber machen. B. Braun plant in den nächsten drei Jahren 1,4 Milliarden Euro in die Erweiterung der Produktion zu investieren. Welches ist dabei Ihrer Meinung nach das innovativste Projekt? Innovation ist einer der Kernwerte von B. Braun. Nur mit innovativen Produkten werden wir weiterhin so erfolgreich sein wie bisher in unserer 170-jährigen Geschichte. Es fällt mir schwer, den Innovationsgrad der Projekte miteinander zu vergleichen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass wir unsere Fertigungen weiter modernisieren durch neue Technologien, die in unserem eigenen Sondermaschinenbau entwickelt wurden. Von Anfang an haben wir unsere Mitarbeiter in diese Prozesse eingebunden und gemeinsam mit ihnen Qualifizierungsprojekte entwickelt. Trotz aller Internationalität sind wir übrigens stolz darauf, dass wir etwa die Hälfte des Betrags am Standort Deutschland investieren.

B. Braun Melsungen AG

Den Grundstein für das bis heute familiengeführte Unternehmen B. Braun legte 1839 der Apotheker Julius Wilhelm Braun in Melsungen, einem Luftkurort in Nordhessen. Sein Sohn Bernhard Braun begann 1864 mit der Produktion von Pflastern und Migränestiften und ließ drei Jahre später die Firma B. Braun ins Handelsregister eintragen. Von da an wuchs das Unternehmen stetig. Im Jahr 1939 hatte es bereits 500 Mitarbeiter. Der Umsatz stieg bis ins Jahr 1964 bei etwa 1700 Mitarbeitern auf 50 Millionen DM. 1976 kaufte B. Braun das Unternehmen Aesculap aus Tuttlingen und hat heute weltweit 36.000 Mitarbeiter, die 2007 über drei Milliarden Euro Umsatz mit der Herstellung von Produkten für Anästhesie, Intensivmedizin, Kardiologie, extrakorporale Blutbehandlung und Chirurgie erwirtschafteten.

Interview mit Dr. Thilo Bode

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Jäger wollte er werden, damit alles im grünen Bereich bleibt. Im „Green Green Grass of Home“ sieht er Rot und wird in Starnberg Landkreisvorsitzender der JuSos. Grün lässt ihn nicht los: Von Peking bis Davos geht er mit Greenpeace den Regenbogen entlang. „Grün satt“ kann auch über seiner neuen Aufgabe stehen, in der es um Lebensmittelsicherheit geht. Der karriereführer besuchte den ehemaligen Greenpeace- und heutigen foodwatch-Geschäftsführer Dr. Thilo Bode in Berlin. von Viola Strüder

Zur Person

Thilo Bode in action. Wenn es in ihm brodelt, betonen ausdrucksvolle Gesten die kritische Haltung. Seinen Einspruch kleidet er messerscharf in Worte, besonders wenn jemand ein Argument so nebenbei wegwischt. Dann sitzt er da, oft etwas vorgebeugt, knapp auf der Stuhlkante, ein Bein zurück, als wolle er zum Sprung ansetzen. In Position eben, energisch. So tritt er auf in Diskussionsforen oder Talk-Shows. Anders, als er zum Gespräch in seinem Berliner Büro erscheint: Zurückhaltend in der Körpersprache, der Blick verweilt ruhig beim Gegenüber, mal skeptisch, mal lachend, wenn er erzählt von den Stationen seines Berufsweges.
Kein Karriere-Kletterer? Seine Visitenkarte spricht eine eigene Sprache: alles in Kleinbuchstaben. Keine Berufsbezeichnung, kein Doktortitel: „thilo bode, geschäftsführer“ steht bescheiden darauf und im krassen Gegensatz zu dem, was er als persönlichen Treibstoff angibt: „Vielleicht Geltungssucht, das Gefühl, anerkannt zu sein, Reputation, so genau weiß ich das nicht“, sinniert der 56-Jährige und erweitert: „Idealistische Zielsetzungen spielen eine Rolle, auch dieses gerne ein Exot sein wollen, gegen den Strich gebürstet zu sein.“ Als Moralist im Sinne unseres Kulturkreises bezeichnet er sich. Das Bild des Gutmenschen dagegen gefällt ihm nicht. „Furchtbar, das nervt“, ereifert sich der Mozart-Opern-Fan. Untrennbar verbunden ist sein Name mit der Umweltorganisation Greenpeace e.V. und deren Aktionen in den 90er-Jahren. Zu den spektakulärsten gehören der Kampf gegen die Versenkung der Bohrinsel „Brent Spar“ in der Nordsee. Gegen Atomwaffen-Tests protestierte er in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens und wanderte dafür kurzzeitig ins Gefängnis. Was motivierte ihn, sich als Chef von Greenpeace in Lebensgefahr zu begeben? „Das macht man ja nicht wirklich, das sieht immer wilder aus, als es ist. Man hat Angst, aber es ist ein kontrolliertes Risiko. Der körperliche Einsatz auf den Schlauchbooten zum Beispiel ist hart. Aber wenn man in dieser Position ist, dann gehört es zum organisierten zivilen Ungehorsam und als Protest dazu, auch bei einer solchen Aktion mitzumachen.“ Zwölf Jahre war Thilo Bode insgesamt für Greenpeace tätig, hat verändert und verhindert. Letzteres, „weil es plötzlich Leute gab, die Greenpeace schick machen wollten, die beim Bewerbungsgespräch nach dem Dienstwagen fragten. Dabei ist Herzblut das Entscheidende für die Arbeit dort und eigener Mut zum Risiko. Denn ohne Risiko hat man keinen Erfolg“. Kein Kaulquappen-Retter? Aufgewachsen am Ammersee als Sohn eines Journalisten und einer Buchhändlerin, weist in der Erinnerung an Kindertage nichts auf sein späteres Engagement hin. Obwohl Thilo Bode sich schon immer für die Natur habe begeistern können. Aber statt Kaulquappen zu retten und im Biologie-Unterricht die Lehrer zum Gummistiefel-Tag im knöchelhohen Sumpf zu animieren, mischte er lieber im Schultheater mit. In Thornton Wilders Stück „Unsere kleine Stadt“ spielte er den Vater, den ruhenden Pol. „Und es gibt Leute, die sagen, ich sei heute noch ein Schauspieler.“
Thilo BodeCosmopolit mit Wurzeln in Oberbayern: Für seine beruflichen Tätigkeiten absolvierte Thilo Bode Auslandsaufenthalte in Argentinien, Paraguay, Thailand, auf den Philippinen, in Indien, China und Nordafrika und sub-Saharan-Africa.
Kein Kanzler-Kandidat? Das Interesse für Umwelt und Politik hat sich in der Jugend eingestellt. Bis zum Kreisvorsitzenden der JuSos brachte er es Ende der 60er-Jahre in der bayerischen Heimat. Willy Brandt fand er damals gut, wie er heute sagt, und wenn man Thilo Bodes Lebenslauf betrachtet, drängt sich die Frage auf, warum er nie Berufspolitiker geworden ist? „Politikerkarrieren sind Parteikarrieren. Diesen Weg wollte ich nicht gehen. Man kann von außen besser Druck ausüben, mehr erreichen.“ Wo er am besten wirken könnte? „Vielleicht als Pfarrer“. Er studierte zunächst Sozialwissenschaften, brach ab und wechselte zur Volkswirtschaftslehre, „weil sie substanzielle Fragen beantwortet“. Und Antworten hat er gesucht. „Warum gibt es arm und reich?“, war eine, die ihn umtrieb. Nicht Karrieredenken, sondern was Spaß macht, stand im Vordergrund. „Ich habe im Leben oft ungeplant gehandelt, vieles aus dem Bauch heraus entschieden, auch nicht auf materielle Dinge geachtet. Wenn es danach geht, habe ich nichts erreicht.“ Die Dritte Welt interessiert ihn, nach dem Studium geht er ins Ausland. Später, bei einem Metallkonzern, als Vorstandsassistent, entdeckt er Führungsaufgaben für sich. „Das war die Realität des Wirtschaftslebens, in der Entwicklungshilfe ging es eben doch eher um idealistische Dinge.“ Das Managen an sich fand er spannend, die Art der Tätigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Erfolg zu haben. Welche Bedeutung hat Macht für ihn? „Macht ist geil“, sagt er mit blitzenden Augen, medienwirksam, spöttisch und legt ernsthaft nach: „Macht bedeutet für mich, dass man über das Schicksal von Menschen und Dingen entscheiden kann. Macht zu haben ist gut.“ Thilo Bode über Persönlichkeitsentwicklung „Es gibt im Leben immer persönliche Wendepunkte. Trennungen, Verluste. Menschen, die keinen Schmerz und keine Tiefpunkte erleben – das wirkt sich negativ aus auf die Persönlichkeitsentwicklung. Niederlagen sind wichtig, mal ein Spiel nicht zu gewinnen und das Umgehen damit zu lernen.“ In die Welt der Nongovernmental-Organizations nahm er das Management-Denken mit. Trainings zur Mitarbeiterführung etwa bot er bei Greenpeace der mittleren Leitungsebene an. Coaching hält er für unerlässlich. „Mit den Führungsqualitäten ist es ähnlich wie mit dem Klavierspiel. Man braucht Talent, man darf nicht unmusikalisch sein, aber zum großen Teil ist es eine Frage der Technik, und die ist erlernbar. Welches Prinzip man später anwendet, das ist dann eher eine Typfrage.“ Gute Führung, das ist für ihn Klarheit, Ehrlichkeit, auch den Mut bei Menschen zu entwickeln, “nein“ zu sagen, dazu klare Zielvorgaben und ein entsprechendes Feedback geben zu können. Von sich selbst behauptet Thilo Bode, ein schlechter Menschenkenner zu sein. Daher überlasse er vielfach Personalauswahlprozesse seinen Mitarbeitern. „Die wissen, wer zu uns passt.“ Nachhaltigkeit zeigt er auch im Zusammenspiel mit seinem heutigen Team, für dessen Rekrutierung er ehemalige Greenpeace-Kollegen um Unterstützung bat. Noch einmal etwas Neues machen zu wollen, war der Grund, warum er wegging von den „Rainbow-Warriorn“. Mit der 2002 gegründeten Verbraucherschutzorganisation foodwatch macht er aufmerksam auf die wunden Punkte der Lebensmittelsicherheit, setzt sich ein für vollständige Information in der Produktionskette: „Vom Trog bis zum Teller, vom Bauern bis zum Weltkonzern.“ Kein Held von Welt? Eigentlich wollte Thilo Bode als Junge Jäger werden. Und in gewisser Weise erfüllte sich sein kindlicher Berufswunsch. Nicht im Forst, sondern im Leben, auf der Jagd nach den wahren grünen Diamanten: nach Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit und ökologischer Verantwortung. Und beim Jagen schreckt er auch vor Radikalität nicht zurück. Er möchte Mut machen, motivieren, sich zu engagieren. Vorträge in Schulen und Hochschulen hält er gerne, weil dort ein tolles Feedback kommt. „Die jungen Leute heute haben doch alle Möglichkeiten“, grübelt er, der selbst Vater eines 30-Jährigen Sohnes ist. „Fahren Sie doch einmal mit auf einem Schiff von Greenpeace und lassen Sie sich für drei Tage einsperren in ein ausländisches Gefängnis.“ Viele würden ihn fragen, was sie dafür bekommen? – „Ein spannendes Leben“. Ein Werte-Gang Thilo Bode, geboren 1947, aufgewachsen in Herrsching am Ammersee. Sein erstes Geld verdient er als Postbote und Bauarbeiter. Studium mit der Unterstützung der Eltern. Er begann 1969 mit dem Soziologie- später mit dem Volkswirtschaftslehre-Studium an den Universitäten München und Regensburg. Abschluss als Diplom-Volkswirt 1972. Stipendium für die Promotion. Nach einer Forschungstätigkeit an der Universität Regensburg promovierte er 1975 über das Thema Direktinvestitionen zum Dr. rer. pol. Berufliche Stationen bei Lahmeyer International, Frankfurt, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt, und bei einem mittelständischen Metallkonzern in Düsseldorf. Eine hohe Bekanntheit erlangte er als Geschäftsführer von Greenpeace e.V. Deutschland, wo er zwischen 1989 und 1995 wirkte. Zwischen 1995 und 2001 lebte er in Amsterdam und arbeitete dort als Executive Director für Greenpeace International. 2001 folgte die Rückkehr nach Deutschland. Seither lebt er in Berlin und wirkt als freier Autor und Berater sowie seit Herbst 2002 als Geschäftsführer der neuen Verbraucherschutzorganisation foodwatch e.V.

Weitere Informationen

foodwatch-Team. Die neue Verbraucherschutzorganisation foodwatch will ‚Demokratie auf dem Teller‘ – und nimmt den gesamten Ernährungssektor aus Verbrauchersicht unter die Lupe. Politisch und finanziell unabhängig und weltanschaulich ungebunden finanziert sie sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spendengeldern. www.foodwatch.de

Interview mit Ralf Blauth

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Ralf Blauth ist nicht nur Mitglied der Geschäftsführung und Arbeitsdirektor der Evonik Degussa. Seit 1. Juli 2009 ist er auch Personalvorstand und Arbeitsdirektor des Mutterkonzerns Evonik Industries. Ralf Blauth sprach mit dem karriereführer über seine Erfahrungen als Top-Manager. Die Fragen stellte Christiane Martin.

Zur Person Ralf Blauth

Ralf Blauth, 58 Jahre, begann nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Hüls AG in Marl seine berufliche Karriere 1971 im technischen Einkauf des Unternehmens. 1981 wurde er in den Betriebsrat berufen, dessen Vorsitz er ein Jahr später übernahm. Ralf Blauth gehört seit dem 1. März 2006 dem Vorstand von Bayer an. Er ist verantwortlich für Innovation, Technologie und Umwelt und betreut die Region Asien/Pazifik. Darüber hinaus ist er Vorstandsvorsitzender des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA).
Herr Blauth, Sie haben im Sommer einen neuen Job angefangen. Wie ist es bei Evonik? Wenn Sie so wollen, habe ich bereits vor 40 Jahren erstmals meinen Fuß in das Unternehmen gesetzt. Ich habe damals bei der ehemaligen Hüls AG eine Ausbildung gemacht. Das Unternehmen hat dann später mit der Degussa fusioniert und die wiederum ist inzwischen in Evonik aufgegangen. Also, ich kenne das Unternehmen schon seit einiger Zeit. Über meine neuen Aufgaben im Evonik-Vorstand freue ich mich. Um Ihre Frage zu beantworten, wie es hier ist: Prima. Arbeit in einem globalen Konzern mit starken Wurzeln in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, macht Freude. Greifen Sie auf Ihre Erfahrungen als Arbeitsdirektor bei Evonik Degussa zurück? Wie gesagt: Ich starte ja nicht bei Null. Ich kenne den Konzern, seine Struktur, seine Mitarbeiter und Führungskräfte. Das ist mir mit Blick auf die anstehenden Aufgaben von Nutzen. Denn es ist nicht viel Zeit, um anzukommen. Wir bewegen uns in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die auch an Evonik nicht spurlos vorübergehen. Sparen ist das Gebot der Stunde und auch unsere Mitarbeiter tragen dazu maßgeblich durch den Verzicht auf bestimmte Leistungen bei. Doch Verzicht ist allemal besser als betriebsbedingte Kündigungen. Diese wollen wir unbedingt vermeiden. Was sind denn Ihrer Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften, die ein Manager braucht? Grundausrüstung: Ein gesunder Menschenverstand und Offenheit. Dazu Gestaltungskraft und gute Mitarbeiter an seiner Seite. Und wie sieht das Rüstzeug für Hochschulabsolventen aus, wenn sie Karriere machen wollen? Wir erwarten von Absolventen solide Fachkenntnisse und soziale Kompetenz. Oft wird die Frage gestellt: Welche Ausbildung bringt mir die besten Chancen am Arbeitsmarkt? Die generalistische oder die spezialisierte Ausbildung? Darauf gibt es keine abschließende Antwort. Es kommt auf die jeweilige Einstiegstätigkeit an. Unabdingbar ist auch die Fähigkeit, Wissen zu aktualisieren und im Dialog mit anderen zu beschaffen. Das bedeutet im Umkehrschluss, auch die Fähigkeit zu besitzen, Erfahrungen und Wissen weiterzugeben. Wie wichtig sind Fremdsprachenkenntnisse? In einer zunehmend globalisierten Welt sollten junge Akademiker Fremdsprachenkenntnisse mitbringen und Offenheit für andere Kulturen. Evonik ist ein international agierender Konzern. Bei uns gehört Englisch zum sprachlichen Grundrüstzeug. Weit vorn im Wettbewerb um die besten Arbeitsplätze ist auch derjenige, der beispielsweise während Praktika schon erste Praxiserfahrung sammeln und Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern knüpfen konnte. Ich würde jedem Studenten empfehlen, sich frühzeitig auf dem Arbeitsmarkt zu orientieren. Wir leben ja heute leider in wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten – wie können angehende Akademiker trotzdem sichere Arbeitsplätze finden? Sicher ist immer relativ. Der eine denkt in Zeithorizonten von zwei bis drei Jahren, bis er weitere Erfahrungen machen möchte – sei es im Zuge eines Wechsels innerhalb des Unternehmens, eines Auslandsaufenthaltes oder auch durch den Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber. Der andere möchte am liebsten bis zum Ruhestand in nur einem Unternehmen bleiben. Letzteres wird es kaum noch geben. Deshalb sollte sich jeder ein gewisses Maß an Flexibilität bewahren. Um dann einen „sicheren“ Arbeitsplatz zu finden, sollten sich Absolventen intensiv mit dem potenziellen Arbeitgeber auseinandersetzen. Die wirtschaftliche Entwicklung verfolgen und hinterfragen, die Integrität und den nachhaltigen Umgang des Unternehmens mit seinen Mitarbeitern näher betrachten. Die Sicherheit eines Arbeitsplatzes hängt in hohem Maße von der Qualität des Arbeitgebers und von der Leistung des Absolventen ab. Viele Unternehmen verlangen von jungen Nachwuchskräften vor allem Leistungsbereitschaft. Ist das eine Eigenschaft, die auch bei Evonik wichtig ist, und was verstehen Sie darunter? Ohne die Bereitschaft und den Ehrgeiz etwas leisten zu wollen, geht es nicht. Sie müssen schon ein gewisses Maß an eigenem Antrieb mitbringen. Denn Leistungsbereitschaft kann man nicht erzwingen. Natürlich trägt ein positives Arbeitsumfeld zur Steigerung der Leistungsbereitschaft bei. Man braucht aber auch weitere Fähigkeiten, um als Nachwuchskraft einen guten Karrierestart hinzulegen. Ein Beispiel: Wenn Sie leistungsbereit sind und in einem Team arbeiten sollen, aber keine Kommunikationsfähigkeit besitzen, dann werden Sie aller Voraussicht nach nicht ans Ziel kommen. Wichtig ist, dass Fähigkeiten wie beispielsweise Kommunikations-, Kritik- und Teamfähigkeit, Selbstdisziplin, Fleiß und Verantwortungsbereitschaft möglichst früh erlernt werden. Und ist Ihrer Meinung nach auch Talent wichtig oder kann man alles lernen, wenn man nur will? Talent und Interesse an der Aufgabe sind unverzichtbar. Aber natürlich kann man vieles bis zu einem gewissen Grad erlernen. Wichtig ist, die eigenen Stärken zu kennen, daraus das Beste zu machen und gleichzeitig an den eigenen Schwächen zu arbeiten. Diese Einstellung ist eine solide Basis für eine erfolgreiche Karriere. Wie bilden Sie bei Evonik Ihre Nachwuchskräfte fort? Grundsätzlich fördern wir Lernen durch herausfordernde Aufgaben. Eine Kernkompetenz unseres Konzerns ist die kontinuierliche Selbsterneuerung. Abgeleitet bedeutet das für unsere Mitarbeiter: lebenslanges Lernen. Dabei unterstützen wir sie mit einem großen Seminarangebot. Wir bieten fachspezifische Seminare oder Kurse, die den Schwerpunkt auf Soft Skills legen. Auch On-the-job-Maßnahmen kommen zum Einsatz – wie beispielsweise Mentoring oder Projektarbeit. Und was bieten Sie Leuten, die frisch von der Hochschule kommen? Im Regelfall den Direkteinstieg. Junge Hochschulabsolventen können sich häufig zunächst in Projekten einbringen, mit dem Ziel, sich im Team in die neue Aufgabe einzufinden und dann auch möglichst früh Verantwortung zu übernehmen. Für uns gehört „Freiraum geben“ zu einem sehr wichtigen Prinzip. Aber wir erwarten auch, dass unsere Mitarbeiter diesen Freiraum nutzen, um kreative Wege zu gehen. Es gilt das Motto unserer Personalmarketingkampagne „Gesucht: Querdenker und andere Talente“. Wir wollen damit nicht zuletzt die Begeisterung für die eigene Aufgabe fördern: Die Identifikation mit der Aufgabe und dem Unternehmen – das zusammen ergibt den nötigen Antrieb und bringt Unternehmen und Mitarbeiter gleichermaßen voran. Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, würden Sie sich wünschen … … dass es uns weiterhin gelingt, fähige junge Talente für die Zukunftsgestaltung des Konzerns zu finden; auch für die Zukunft Gesundheit, Zufriedenheit und das erforderliche Quäntchen Glück im beruflichen und privaten Leben und schließlich weitere freie Wünsche, weil es immer noch viele Probleme auf dieser Welt gibt.

Evonik Industries

Evonik Industries ist ein Industriekonzern aus Deutschland mit den Geschäftsfeldern Chemie, Energie und Immobilien. Evonik ist eines der weltweit führenden Unternehmen in der Spezialchemie, Experte für Stromerzeugung aus Steinkohle und erneuerbaren Energien sowie eine der größten privaten Wohnungsgesellschaften in Deutschland. Evonik ist in mehr als 100 Ländern der Welt aktiv. Rund 41.000 Mitarbeiter erwirtschafteten im Jahr 2008 einen Umsatz von circa 15,9 Milliarden Euro und ein operatives Ergebnis (EBITDA) von rund 2,2 Milliarden Euro.

Reinhard Georg Birkenstock

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Ben Matlock oder Perry Mason – amerikanische Gerichtssäle hat man im Kopf, wenn man an die Arbeit eines Strafverteidigers denkt. Näher an der Realität: Die Arbeitswoche des Kölner Strafverteidigers Reinhard Georg Birkenstock. Von Reinhard Georg Birkenstock

Eine Woche meines Berufslebens soll ich zu Papier bringen Kölner Strafverteidiger Reinhard Georg Birkenstockund das, was ich mir als Strafverteidiger beim Rückblick auf die eigene Arbeit so für Gedanken mache. Vorab: die Arbeitswoche eines Strafverteidigers hat sieben Tage und jedenfalls dann, wenn ein Mandant in Untersuchungshaft sitzt, der nun wirklich nicht dahin gehört, dauert der Arbeitstag eines Strafverteidigers viele Stunden, nämlich vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Fangen wir also an. Sonntag, 7. Dezember 2003 Es ist der zweite Advent, mit zwei Mandanten muss unbedingt heute gesprochen werden. Bei beiden wurde das Mandat in laufender Hauptverhandlung vor der Strafkammer übernommen. Im Brandstiftungsfall war der Vorgänger entlassen worden, weil er sich mit der Strafkammer auf eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verständigt hatte, obwohl der Mandant jede Tatbeteiligung bestreitet. Im anderen Fall geht es um den Vorwurf der Vergewaltigung in einer Beziehung, mein Vorgänger hatte das Mandat niedergelegt. Wir teilen uns die Arbeit. Meine als Mediatorin in meiner Kanzlei tätige Frau befasst sich mit der Sacheinlassung des Mannes, der als Außenstehender dafür verantwortlich sein soll, dass ein Unternehmer seine Fabrik in Brand gesetzt hat, indem er ihm Leute zur direkten Tatausführung beschafft habe. Ich widme mich dem Mann, der nach einem Streit eine Freundin vergewaltigt haben soll und behauptet, es sei von beiden Seiten freiwillig geschehen. Die häufigste Frage an den Strafverteidiger: „Kann man dann überhaupt verteidigen, wenn man, gerade bei Gewaltdelikten, weiß, dass der Angeklagte schuldig ist?“. Wie so oft, auch auf diese Frage gibt es keine generelle Antwort. Zunächst kommt es sicher darauf an, wie man verteidigt. Man muss die (möglichen) Opfer bei der Befragung nicht in den Dreck ziehen. Und: Je älter man wird, ich bin 59 Jahre alt und seit 1975 selbstständiger Anwalt, umso sokratischer wird es einem: man weiß immer mehr, dass man nichts weiß. Vor der Tagesschau verlassen beide Mandanten das Haus. Montag, 8. Dezember 2003 Statt des geplanten Besuchs in der JVA Rheinbach wegen der Besprechung eines Wiederaufnahmeverfahrens nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe Hauptverhandlung in Köln. Den Besuch nimmt statt meiner eine junge Kollegin wahr. In der Hauptverhandlung in der Vergewaltigungssache herrscht dünne Luft. Unter anderem wegen des Verteidigerwechsels und wegen der Beweisanträge macht der Vorsitzende eine Äußerung, die der Verteidigung unterstellt, man benenne bewusst einen kranken Zeugen, um das Verfahren platzen zu lassen. Daraufhin wird er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Ein Antrag, der wenig Freude auslöst und dessen Bearbeitung sich über die ganze kommende Woche hinziehen wird. „Strafverteidigung ist Kampf, solange es um die Schuld oder Unschuld des Mandanten geht“ schreibt Hans Dahs in seinem „Handbuch des Strafverteidigers“, das jeder, der mit dem Gedanken spielt, Strafjurist zu werden, Staatsanwalt, Richter oder Verteidiger, zumindest einmal quergelesen haben sollte. Die Hauptverhandlung wird am Spätvormittag unterbrochen. Mittags Besprechungen: Ein Ehepaar will wissen, welcher Schadensersatz ihm zustehe nach Einstellung des Mordverdachts-Ermittlungsverfahren gegen den Ehemann, der sich als unschuldig erwiesen hatte. Die Auskunft enttäuscht. Der Staat gewährt nur wenig Entschädigung bei zu Unrecht erfolgter Strafverfolgung. Weitere Besprechungen bis in den Abend, in den meisten geht es darum, dass ich bei feststehender Schuld für möglichst milde Strafe sorge. Strafmaßverteidigung nennen wir das, und funktional definiert Hans Dahs das in seinem Klassiker mit der gebräuchlichen Definition von Politik, nämlich mit dem Begriff der „Kunst des Möglichen“. Recht hat er auch hier. Man muss verhandeln wie ein Politiker, um bei dem Staatsanwalt oder dem Richter möglichst viel Verständnis für das Verhalten des Mandanten zu wecken und beim Mandanten muss man dafür sorgen, dass er nicht zu rechthaberisch ist. Otto Schilly hat das einmal mit dem Wort „optimieren“ beschrieben. Man müsse den Mandanten für die Justiz, deren Vertreter für die Sache des Mandanten optimieren. Dienstag, 9. Dezember 2003 9 Uhr 15 Hauptverhandlung gegen einen Kollegen, der der Gegenseite seines früheren Mandanten zu viel Vertrauen in dessen Anlagetätigkeit geweckt und deshalb seinem Mandanten Beihilfe zur Untreue geleistet haben soll. Der Hauptzeuge, nämlich der frühere Mandant des von mir verteidigten Kollegen, lebt in Lichtenstein und hat sich per Telefax krank gemeldet. Da lacht das Herz des Verteidigers, wie immer, wenn er eine Position des Verfahrensrechts ausnutzen kann, um eine Verurteilung des Mandanten zu verhindern, zu erschweren oder zumindest hinauszuzögern. In der Sache hat mich schon als Student das Zivilrecht, besonders die perfekte Redaktion des BGB weitaus mehr begeistert als das Strafrecht. Diese ewigen Abgrenzungsklausuren oder -hausarbeiten, Diebstahl oder Unterschlagung, Betrug oder Untreue, ödeten mich eher an. Als Strafverteidiger habe ich mit solchen Abgrenzungen auch eher selten zu tun. Jedenfalls weitaus weniger, als die Richter und Staatsanwälte, deren Kernaufgabe es ist, ermittelte oder in der Hauptverhandlung festgestellte Sachverhalte zu ordnen und zu subsumieren. Der Verteidiger arbeitet weitaus ergebnisorientierter. Ob sein Verhalten als Diebstahl oder Unterschlagung gewürdigt wird, ist dem Mandanten schnuppe. Freispruch will er haben oder Einstellung wegen Geringfügigkeit, Paragraf 153 a StPO, oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt oder wenn es nicht anders geht, Geldstrafe oder Bewährung. Um die Höhe der Sanktion geht es dem Mandanten im Ergebnis und während des Verfahrens um das Vermeiden jeder medialen Erwähnung. Hier hat das alles funktioniert. Nach kurzer Verhandlung ist die an der Gerichtssaaltür angebrachte Rolle mit dem Namen des von mir verteidigten Kollegen, der unter Anklage steht, verschwunden, bevor ein Gerichtsreporter sie entdeckt hat. Die Sache ist vertagt worden. Gericht und Staatsanwaltschaft schlagen eine Einstellung wegen Geringfügigkeit vor. Mein Mandant hat drei Wochen Zeit, sich dazu zu erklären. Nachmittags Besprechung mit dem deutschen Geschäftsführer eines internationalen Konzerns in einer Steuerstrafsache, in der viele Millionen Euro im Streit sind. Klar, worum es geht: nur so viele Steuern wie unbedingt nötig nachzahlen, möglichst keine Strafe und um Gottes wegen keine Publizität. Je vermögender die Mandanten sind, umso anspruchsvoller sind sie auch. Gott sei dank liegt der BRAGO auch das Institut der Honorarvereinbarung zugrunde, so dass man sich seine Mühe auch angemessen vergüten lassen kann. Mittwoch, 10. Dezember 2003 7 Uhr 30 Aufbruch zur Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer des Landgerichts Siegen. Es geht um den Brandstiftungsfall. Die Strafkammer hatte eine Verständigung vorgeschlagen: Der geständige Unternehmer sollte als Mittäter und mein jetziger Mandant als Haupttäter zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt werden. Nur: mein Mandant sagt, er habe an der Tat nicht mitgewirkt. Bisher hatte er geschwiegen. Meine Ankündigung, er wolle sich im nächsten Termin zur Sache einlassen, findet großes Wohlwollen, die Atmosphäre ist hervorragend. Doch auch bei bester Atmosphäre liegt ein Überzeugungskampf vor uns. Von der Sacheinlassung meines Mandanten und von der Art und Weise, wie er die Fragen des Gerichts beantworten wird, hängt entscheidend ab, ob es uns gelingt, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen. Nachmittags Verlagsbesprechung. Es geht um die Präsentation und Bewerbung meiner Rechtsprechungssammlung „Verfahrensrügen im Strafprozess“, die ich in mehrjähriger Arbeit zusammengestellt habe. Denn weitaus mehr noch als das BGB und seine faszinierende Struktur hatte mich schon immer die Frage interessiert, wie ernst der Staat die hehren Grundsätze der Menschenrechtskonvention und des Grundgesetzes nimmt, wenn es im Strafverfahren wirklich darauf ankommt. Aus heutiger Sicht stelle ich fest, dass ich parallel zu meinem Interesse, wenn auch aus ganz anderen Gründen, den Aufbau meiner Strafverteidigerkanzlei betrieben habe. Von 1972 an habe ich Tag für Tag als Referendar in einer Zivilkanzlei gearbeitet, wurde dort alsbald nach meinem Zweiten Juristischen Staatsexamen Juniorsozius, um innerhalb dieser Zivilkanzlei mich auch Strafverfahren zu widmen. Erst seit 1980 bin ich (nahezu) ausschließlich Strafverteidiger. Zu verhandeln habe ich also im Umgang mit Ziviljuristen gelernt, ebenso wie den Gerichtsbetrieb als Parteivertreter. Ich bin nicht undankbar für diese Schule. Zumindest ebenso wichtig ist jedoch der ökonomische Aspekt. Wie die Wirtschaftsprüfer und die Steuerberater leben die Zivilkanzleien von Dauermandanten, von Unternehmen und auch von Familien, die immer wieder dasselbe Anwaltsbüro aufsuchen, solange man dort nicht durch grobe Schnitzer oder missbräuchliche Behandlung für Vertrauens- und Mandatsentzug sorgt. Wir Strafverteidiger haben die „guten“ Mandanten in der Regel nur einmal. Die Ärzte begehen, wenn überhaupt, nur einmal im Leben einen Kunstfehler, die Geschäftsleute und Unternehmer in der Regel nur einmal eine Untreue- oder Steuerstraftat. Und nur von denen, die als kleine, mittlere oder auch Gewaltkriminelle immer wieder auffällig werden, kann man sein Büro nicht finanzieren, geschweige denn leben. Sicher, auch bei ihnen muss man einen vernünftigen Ruf haben, ebenso wie bei den Gerichten und den Staatsanwaltschaften, wirtschaftlich ganz entscheidend ist aber die Akzeptanz des Strafverteidigers bei den zivilrechtlich tätigen Kollegen. Sie müssen sicher sein, dass man den von ihnen empfohlenen Mandanten wirklich optimal verteidigt. Genauso sicher müssen sie wissen, dass man ihn nur in der empfohlenen Sache verteidigt und ihn mit allen übrigen Anliegen wieder in die Kanzlei zurückschickt, aus der man empfohlen wurde. Donnerstag, 11. Dezember 2003 Haftprüfung gegen den Betreiber eines bordellartigen Betriebes, dem vorgeworfen wird, illegal in Deutschland lebenden Frauen die Ausübung der Prostitution ermöglicht und umfangreich Steuern hinterzogen zu haben. Die Entscheidung wird auf die nächste Woche vertagt. Nachmittags Besprechungen, Strafmaßverteidigungen, eine Kleinstsache dabei: eine Studentin soll eine Nachbarin als „Schlampe“ bezeichnet haben. Anschließend Weiterarbeit an dem Ablehnungsgesuch von Montag. Der abgelehnte Richter und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft haben sich dienstlich geäußert. Dazu muss akribisch Stellung genommen werden. Man muss schon sehr detailliert belegen, dass ein Richter auch bei Anwendung vernünftiger Maßstäbe durch einen besonnen Angeklagten durch sein Verhalten den Anschein geweckt hat, er stehe der Sache des Angeklagten nicht unparteiisch gegenüber. Freitag, 12. Dezember 2003 Besuch eines türkischen Mandanten in der JVA, der auf der Basis eines Geständnisses angeklagt ist, gemeinsam mit anderen eine Serie von bewaffneten Raubüberfällen auf Spielhallen begangen zu haben. Der Staatsanwalt hat beantragt, das Gericht möge die Angeklagten darauf hinweisen, dass auch Sicherheitsverwahrung in Betracht komme. Das Gericht hat die Begutachtung durch eine ganz hervorragende psychiatrische Sachverständige angeordnet. Dazu ist Stellung zu nehmen. Nachmittags Presseanfragen wegen der Einstellung des Verfahrens im Kölner Parteispendenskandal und Vorbereitung einer Besprechung mit der Geschäftsführung eines Unternehmens der Abfallwirtschaft. „Müllskandal“ heißt das in den Zeitungen. Auch der Umgang mit den Journalisten ist wesentlicher Teil der Strafverteidigertätigkeit. Den Mandanten gilt es, vor voreiligen Unschuldsbeteuerungen und Beschimpfungen der Justiz zu bewahren, und zugleich ist dafür zu sorgen, dass der Mandant in den Medien nicht vorverurteilt wird. Ein manchmal interessantes, aber immer ein Betätigungsfeld, das höchste Konzentration erfordert. Samstag, 13. Dezember 2003 Frei. Einen Tag brauche ich. Wenn es eben geht, dass ich ihn mir frei nehme. Es sei denn, der Telefon-Notdienst ruft. Gemeinsam unter anderem mit der jetzigen Justizministerin von Schleswig-Holstein, Frau Rechtsanwältin Anne Lütkes haben wir in Köln vor vielen, vielen Jahren die Gefangenenberatung für mittellose Gefangene eingerichtet – und eben den Notdienst. Der wird von allen möglichen Personen in Anspruch genommen. Familienkrach, Nachbarschaftsärger, manchmal auch nur schlechte Laune im Suff. Aber immer mal wieder auch von solchen, die völlig ratlos sind, weil sie vorläufig festgenommen wurden. Dann heißt es, zu welcher Tages- und Nachtzeit auch immer, rein ins Auto, hin zum Polizeipräsidium, Erstberatung durchführen und dafür sorgen, dass der Mandant und seine Familie wissen, dass sie nicht ohne Beistand sind. Wenn ich jetzt hoffe, dass mich am Wochenende der Notdienst nicht trifft, dann ist das geheuchelt, denn natürlich machen das seit langem in meiner Kanzlei die jüngeren Kollegen für den Chef mit und rufen mich nur dann an, wenn es wirklich brennt oder es sich wirklich lohnt. Strafverteidiger sind Einzelanwälte, in aller Regel jedenfalls. Sie werden von den Mandanten und Kollegen wegen ihrer Persönlichkeit empfohlen und können an die nachstrebende jüngere Generation nur behutsam delegieren. Wenn mal eine junge Juristin oder ein junger Jurist sich dazu entschließt, in einer Strafverteidigerkanzlei Fuß fassen zu wollen, dann sollte man als Grundvoraussetzung das Interesse für die Konfliktsituationen mitbringen, die jedem strafrechtlichen Vorwurf innewohnen, sollte bereit sein, auch mit dem eigenen Mandanten den Kampf um die Wahrheit zu führen. Man sollte die wirkliche Bereitschaft dazu mitbringen, in der ersten Zeit dem Praxissenior oder der Praxisseniorin zu assistieren und dabei zuzuschauen, wie sich Strafverteidigung im Einzelfall organisiert, wie der sachgerecht vernünftige Umgang mit den Mandanten, den Mitverteidigern, den Beamten der Polizei und der Steuerfahndung, den Staatsanwälten und den Richtern gesucht und gepflegt wird. Nicht, um irgendwann einmal zu versuchen, die große Lehrmeisterin oder den großen Lehrmeister abzukupfern, sondern um die eigene Persönlichkeit darauf zu prüfen, ob man das mit den eigenen Mitteln nicht genauso gut oder noch besser kann. Der Einstieg ist schwer, weil wir Strafverteidiger es sehr scheuen, durch eine voreilige Zusage die finanzielle Verantwortung für das Berufsleben einer jungen Kollegin oder eines jungen Kollegen mit zu übernehmen. Wir werden uns an der vermuteten Einsatzbereitschaft, Verhandlungskompetenz, am juristischen Wissen, also doch wieder an der Note, aber ebenso daran orientieren, ob wir es der Bewerberin oder dem Bewerber zutrauen, auch in der eigenen Juristengeneration Mandanten zu akquirieren, und ob wir davon ausgehen können, dass mit dem Mandanten und mit denen, die die Mandanten geschickt haben, sachgemäß und sorgfältig umgegangen wird. Sonntag, 14. Dezember 2003 Vorbereitung der letzten Woche vor Weihnachten und Besprechung des Entwurfs für die Sacheinlassung in der Brandstiftungssache.

Interview mit Alfred Biolek

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Jeder kennt ihn – aber nicht alle wissen, dass er als Jurist beim ZDF anfing, um dann doch der Karriere vor der Kamera den Vorzug zu geben: Dr. Alfred Biolek im Gespräch mit dem karriereführer. von Gabriele Roeder

Mit welcher Intention haben Sie seinerzeit das Fach Jura studiert? Ich wollte ursprünglich die Rechtsanwaltspraxis meines Vaters übernehmen. Welche „Berührungspunkte“ bestehen zwischen Ihrer heutigen Tätigkeit und Ihrer juristischen Ausbildung? Es gibt eigentlich keine Berührungspunkte. Wobei ich sagen würde, dass Jura zu studieren eine Art Lebenserfahrung ist, weil man mit sehr vielen verschiedenen Aspekten konfrontiert wird, aus den Bereichen der Kriminalität über Erbschaftsfragen bis hin zu internationalen Angelegenheiten. Das Studienfach Jura ist sehr breit gestreut, sodass es einem natürlich sehr viel über das Leben vermittelt. Meine Arbeit heute hat ja ebenfalls mit dem Leben zu tun. In dieser Hinsicht gibt es eine Verbindung, aber die ist sehr indirekt. Würden Sie sich selbst juristisch vertreten, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten? Nein, auf keinen Fall. Ich habe sehr schnell, etwa nach einem oder zwei Jahren, aufgehört juristisch zu arbeiten. Am Anfang war ich kurze Zeit in der Rechtsabteilung des ZDFs tätig und bin dann schnell ins Programm gekommen. Ich fühle mich auch nicht als Jurist und kann somit schlecht sagen, ich bin Jurist. Ich habe mir auch ganz schnell klar gemacht, dass ich meine juristische Tätigkeit beende. Wenn ich heute eine juristische Beratung benötige, dann hole ich mir einen professionellen Ratgeber. Wie kamen Sie als ZDF-Jurist zum Programm? 1963 wurde das ZDF gegründet und das Fernsehen steckte sozusagen noch in den Kinderschuhen. Es gab schon ein bisschen ARD und noch nicht einmal die dritten Programme. Und natürlich gab es noch nicht so viele Leute, dass man sie alle für das ZDF hätte abwerben können, um es aufzubauen. Es gab aber auch keine Fernsehakademien etc. Und das bedeutet, dass man natürlich allen Leuten, von denen man glaubte, dass sie ganz gut ins Team passen und ein bisschen talentiert sind, eine Chance gegeben hat. Das war sozusagen die Goldgräberzeit. Die neuen Mitarbeiter wohnten alle in Mainz in Hotels und trafen sich abends im Restaurant zum Essen. Ich war dann auch da und habe sie unterhalten. Dies führte dazu, dass sie erkannt haben, dass ich offensichtlich noch ein anders Talent besitze. Dass ich im Fernsehprogramm gelandet bin hat wirklich mit dieser damaligen Zeit zu tun. Das gibt es heute so nicht mehr. Welche beruflichen Chancen bietet nach Ihrer Ansicht die heutige Medienlandschaft für junge Juristen? Alle Chancen – junge Juristen können sehr vielseitig sein. Wenn man das Jurastudium als eine Art Basis ansieht, dann kann man überall in die Medien. Es besteht die Möglichkeit, als reiner Jurist in die Medien zu gehen, als Verwaltungsdirektor eines Senders oder eben auch in den Bereich des Programms. Das Handwerkliche oder Fachliche müssen sie dann natürlich noch dazulernen. Auf welche „Soft Skills“ legen Sie bei den Mitarbeitern und Kollegen wert? Meine Mitarbeiter sollten angenehme, intelligente und bewegliche Leute sein, die Menschlich vor allem in Takt sind. Sie müssen positiv und freundlich sein und auf jeden Fall Humor besitzen. Im fachlichen Bereich sollten Sie schon viel wissen oder sehr schnell dazulernen. Welchen „Rat fürs Leben“ möchten Sie der jungen Generation mit auf den Weg geben? Jeder muss da seinen Weg finden, das Wichtigste ist, dass man sich nicht selbst verrät und aufgibt. Von Bedeutung ist ebenfalls, dass man nicht etwas tut, was man schlecht findet, nur weil man glaubt, andere erwarten es oder der Beruf verlangt es. Also mit sich selbst im Reinen sein, mit sich selbst eins sein und nur Sachen machen, zu denen man auch steht und die man auch verantworten kann, das halte ich für sehr entscheidend. Allerdings sind ja auch Intriganten schon Intendanten geworden. Mein persönlicher Rat ist, dass man sich selbst immer treu bleibt, aber ob das letztendlich immer zum Erfolg im Sinne von Karriere führt, das weiß ich nicht. Was möchten Sie in Ihrem weiteren beruflichen Leben noch erreichen? Nichts mehr. Ich möchte, dass das Erreichte jetzt nicht mehr in Frage gestellt wird. Dass ich jetzt keinen Fehler mehr begehe und auch keine Sendung mehr mache, die sozusagen das wieder relativiert, was ich bis jetzt erreicht habe. Beruflich muss ich nichts mehr erreichen. Ihre persönliche Definition von Erfolg? Der Erfolg besteht darin, dass man etwas erreicht hat – sowohl vom Ansehen, von der Befriedigung und vielleicht auch vom Einkommen her. Dass man etwas erreicht hat, mit Dingen, die man gerne macht und zu denen man stehen kann. Dass man von sich selbst sagen kann, ich habe Erfolg, aber dieser Erfolg ist nicht teuer erkauft – mit Verrat an sich selbst, zu viel Arbeit, sodass man kein Privatleben mehr hat. Dann ist es für mich kein Erfolg. Erfolg steht in einer vernünftigen Relation zu dem Preis, den man gezahlt hat, den intellektuellen, den psychologischen und den zeitlichen Preis. Ich habe immer auch Zeit gehabt für mein Leben. Es gibt nichts, was ich bedauere oder wo ich sagen würde, dass ich es anders machen würde, wenn ich von vorne anfangen würde. Das finde ich eigentlich einen sehr schönen Erfolg für mich selbst. Was schätzen Sie an sich selbst, was halten Sie für verbesserungsfähig? Das kann ich nicht beantworten, das sollen andere sagen. Worauf möchten Sie mit 70 Jahren zurückblicken können? Darauf, dass ich eben eine stetige und nicht sprunghafte oder explosionsartige Karriere gemacht habe. Auf diese Karriere möchte und kann ich auch wohl zurückblicken, wenn ich keine Fehler mehr mache. Ich will jetzt die nächsten Jahre, bis ich 70 bin, nicht mehr irgendeinen Quatsch machen. Ich bin also sehr, sehr vorsichtig mit dem, was ich jetzt mache. Um das Ansehen, das ich habe, nicht im Nachhinein zu gefährden. Es gibt im Fernsehen eine ganze Reihe von schlechten Beispielen, von Menschen, die hoch angesehen waren und phantastische Erfolge hatten und die dann einfach nicht aufhören, nicht loslassen konnten und dann Sachen gemacht haben, die ihrer unwürdig waren. Und das war dann sehr unerfreulich und eigentlich Schade. So ein schlechter Abgang!

Interview mit Terry von Bibra

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Er stammt aus einer deutschen Familie, wuchs in den USA auf und studierte Germanistik an der University of California in Santa Barbara, um Deutsch zu lernen. Seit 19 Jahren lebt und arbeitet Terry von Bibra in Deutschland. Im Januar 2005 wurde er zum Geschäftsführer von Yahoo Deutschland berufen. Im karriereführer informationstechnologie spricht er über den Vorteil, eine andere Perspektive einnehmen zu können und die Fähigkeit, die Sprache des Marktes zu sprechen. Er fordert Offenheit gegenüber Neuem. Meike Nachtwey stellte die Fragen.

Zur Person

Terry von Bibra, 42 Jahre, ist gebürtiger Amerikaner mit deutschen Wurzeln. Er studierte Germanistik an der University of California in Santa Barbara und danach Werbe-Fotografie am Art Center College of Design in Pasadena, USA. Nach siebenjähriger erfolgreicher Selbstständigkeit als Werbefotograf entschied er sich bewusst für einen anderen Berufsweg. Er absolvierte seinen MBA/MBI an der Rotterdam School of Management und stieg 1998 als European Head of Business Development bei Amazon ein. Seit 2005 ist Bibra Geschäftsführer von Yahoo Deutschland und Vice President Central Europe. Sein vorrangiges Ziel sieht er darin, Yahoo auch im Zeitalter des „Web 2.0“ und „Social Web“ als das führende Online-Portal in Deutschland zu positionieren. Terry von Bibra, wohnt in München, ist verheiratet und hat drei Kinder.
Sie haben zunächst Germanistik, anschließend Werbefotografie studiert – welches Berufsziel hatten Sie vor Augen, als Sie mit dem Studium anfingen? Bei meinem ersten Studium der Germanistik in den USA hatte ich noch keine feste Vorstellung von meinem späteren Beruf. In den USA legt man sich klassischerweise vor dem Studium noch nicht auf einen Beruf fest, sondern studiert das,was einen interessiert. Mein Interesse war breit gefächert, daher habe ich ein Studium gewählt, das einen praktischen Zusatznutzen beinhaltet: Ich habe Deutsch gelernt. Mein zweites Studium war dann sehr auf den zukünftigen Beruf ausgerichtet, ich wollte professioneller Werbefotograf werden. Wie kamen Sie nach sieben Jahren erfolgreicher Selbstständigkeit als Werbefotograf zur IT? Als Werbefotograf konnte ich nicht so kreativ arbeiten, wie ich es mir vorgestellt hatte, da ich nur die Vorgaben der Agenturen umsetzen musste. Das bedeutet, ich befand mich am Ende der Wertschöpfungskette. Ich wollte aber höher in die Wertschöpfungskette – ins Marketing. So habe ich mich bewusst für einen Berufswechsel entschieden und zusätzlich ein Master-of- Business-Administration-/Master-of- Business-Informatik-Studium absolviert. Durch dieses Zusatzstudium bin ich zwar kein richtiger Informatiker geworden, habe aber umfassende Einblicke in den IT-Bereich bekommen. Zudem bekam ich die Möglichkeit, meinen ersten Kontakt zum IT-Unternehmen Amazon zu knüpfen. Sie kommen ursprünglich aus dem kreativen Bereich – wie technikaffin sind Sie? Durch meine mittlerweile lange praktische Erfahrung bin ich sehr technikaffin, ich liebe die Technik. Ich muss aber nicht bis in alle Einzelheiten verstehen, wie die Technik funktioniert. Mich interessiert, wie die Technik mir hilft, das zu erreichen, was ich will. Ich bin begeistert, wenn ein IT-Ingenieur etwas schafft, das mich als User unterstützt und mir hilft. Im Unternehmen bin ich der oberste Prüfer,was die Usability angeht. Ich schaue mit den Augen des Users auf unsere Produkte, nicht mit denen des Software-Ingenieurs. Ist das ein Vorteil, den Quereinsteiger wie Sie in ein IT-Unternehmen mitbringen? Quereinsteiger sind generell offener für den Usability-Aspekt und haben grundsätzlich mehr Verständnis für die „Nicht- Experten“, da sie selbst nicht unbedingt Experten sind. Und Quereinsteiger bringen frischen Wind und frische Ideen mit. Es ist immer ein Vorteil, wenn man eine andere Perspektive einnehmen kann. Heute sind Sie Geschäftsführer von Yahoo Deutschland – welche Aufgaben nehmen Sie wahr? Ich bin verantwortlich für drei Bereiche: Zum einen muss ich rechtliche Pflichten und Verantwortungen wahrnehmen und gewährleisten. Zum zweiten habe ich die wirtschaftliche Verantwortung, Umsatzziele zu erreichen. Hierzu gehören auch strategische Überlegungen, wie Yahoo sich für die Zukunft aufstellen soll, um noch größeren wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Der dritte Bereich ist die menschliche Verantwortung. Ich muss die Menschen in meinem Unternehmen in die Lage versetzen, Erfolg zu haben. Die letzte ist für mich persönlich die angenehmste und wichtigste Verantwortung. Wie definieren Sie Erfolg? Erfolg ist, wenn ich mir etwas vornehme und mein Ziel auch erreiche. Wenn ich mir nichts vornehme, kann ich auch keinen Erfolg haben. Was raten Sie Hochschulabsolventen bei ihrer Karriereplanung? Hochschulabsolventen sollten überlegen, wo sie ihren ersten Job finden und wo sie sich einsetzen wollen. Dabei sollten sie nicht davon ausgehen, dass sie zehn Jahre oder länger bei dem ersten Unternehmen bleiben. Das ist heute nicht mehr die Realität. Deshalb sollte sich jeder Absolvent Ziele setzen, sich einen für ihn spannenden Sektor aussuchen, aber er sollte sich im Klaren darüber sein, dass er sich nicht fürs Leben festlegt und nach fünf Jahren wohl nicht mehr in dem gleichen Job, bei dem gleichen Unternehmen sein wird. Deshalb ist auch die persönliche Entwicklungsmöglichkeit im ersten Job wichtiger als der Sektor, die Branche, in der der erste Job angestrebt wird. Der erste Job bietet mit Sicherheit jede Menge Karrierechancen, aber das tut jeder weitere auch. Man sollte sich also nur darauf festlegen, was man als Einstieg machen möchte, und dann sollte man sich Ziele setzen. Dabei sollte man aber immer offen für das Neue bleiben. Welche Qualifikationen muss ein Informatiker mitbringen, wenn er Karriere machen will? Informatiker dürfen nicht im Elfenbeinturm sitzen. Sie müssen – ich nenne es mal – die geforderten Sprachen sprechen. Sowohl die des Entwicklers als auch die des Users und die des Marketings. Ansonsten können sie weder im Team funktionieren, noch können sie die Nutzerbedürfnisse erkennen. Informatiker, die ihre Sprache beherrschen wie ein Instrument und das dann auf die Bedürfnisse des Marktes umsetzen können, werden weit über ihre Kollegen herausragen. Sie werden nicht mehr selbst entwickeln, sondern Entwicklungsteams leiten und Entwicklungen der Zukunft mitverantworten und vorantreiben. Jemand, der diese Fähigkeit hat, die Sprachen der anderen zu verstehen und für sein Team zu übersetzen, wird in Zukunft sehr gefragt sein, da er zwei Welten zusammenbringt. Warum sollten sich Informatiker bei Yahoo bewerben? Erstens: Wir sind eines der führenden IT-Unternehmen der Welt, das das Internet, so wie wir es heute kennen, von Anfang an mitgestaltet hat und natürlich auch kontinuierlich in das Internet der Zukunft investiert. Zweitens: Yahoo formiert sich gerade strategisch um und braucht viele Software-Ingenieure. Drittens: Bei uns finden Informatiker spannende Herausforderungen: Sie können die Zukunft mitgestalten. Sie arbeiten von früh bis spät – wie entspannen Sie sich? Ja, ab und zu entspanne ich mich sogar (lacht). In letzter Zeit spiele ich sehr viel Golf mit meinem 14-jährigen Sohn. Das macht mir Riesen-Spaß. Jetzt im Winter wird es mir fehlen. Ansonsten entspanne ich am Wochenende mit meiner Familie oder ich fahre Mountainbike an der Isar. Ich gehe am Wochenende sehr gerne spazieren, weg von den ganzen E-Mails, das macht den Kopf frei.

Yahoo Deutschland

Was 1994 als Hobby der beiden Stanford- Studenten Jerry Yang und David Filo in einem Wohnwagen begann, entwickelte sich zu einer Erfolgsgeschichte des Internets: Yahoo. Heute ist das Unternehmen mit Hauptsitz im amerikanischen Sunnyvale die weltweit erfolgreichste Internetmarke. Yahoo gibt es in mehr als 25 Ländern und 13 Sprachen. Es bietet seinen Nutzern über 40 Produkte und vielfältige Dienste, wie zum Beispiel Reisen, Shopping, Dating oder Yahoo Go. Durch Partnerschaften mit anderen Content-Providern liefert Yahoo zudem Inhalte und Medienprogramme in Bereichen des Entertainment und der Informationen, wie beispielsweise Nachrichten oder Finanzen. Im Geschäftsjahr 2006 erzielte das Unternehmen weltweit einen Umsatz in Höhe von rund 6,43 Milliarden US-Dollar und beschäftigte circa 12.000 Mitarbeiter, davon über 200 in Deutschland.

Interview mit Günther Beyer

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Top-Manager lernen anders. Hohe Anforderungen, wenig Zeit – Weiterbildungsangebote für die oberste Führungsriege müssen massgeschneidert sein. Sabine Olschner sprach mit Managementtrainer Günther Beyer über die Besonderheiten von lernenden Managern und die Suche nach dem Bauchgefühl.

Zur Person

Günther Beyer ist Gründer und Leiter der Beyer-Seminare GmbH sowie des Instituts für Creatives Lernen GmbH. Er studierte Mathematik, Physik und Psychologie mit dem Schwerpunkt Lernpsychologie. Als Autor hat er 25 Management-Bücher verfasst, als Gast und Moderator war er in über 20 Fernsehsendungen. Beyer trainiert und coacht Führungskräfte vom Teamleiter über den Geschäftsführer bis zum Inhaber und Vorstandsmitglied.
Was wollen Top-Manager, die es schon ganz nach oben geschafft haben, eigentlich noch lernen? Im Moment gibt es einen Trend: Führungskräfte auf höchster Ebene wollen „Waffen“ an die Hand bekommen, um in ihrer Position noch stärker zu werden. In den Top-Management-Etagen weht ein rauer Wind, der einen schnell fortblasen kann: Medien stürzen sich auf Vorstände und Geschäftsführer, und diese suchen Instrumente, mit denen sie sich besser präsentieren können. Wenn es in Verhandlungen und Gesprächen ums Ganze geht, wollen sie „Waffen“, mit denen sie ihre Gegner leichter besiegen können. Sehr beliebt ist derzeit ein Seminar, wo es um „Dirty Tricks“ und Fallen geht, denen man im Job begegnet – und wie man professionell kontern kann, um Schaden abzuwenden. Gibt es weitere Seminarthemen, für die sich Top-Manager interessieren? Manager buchen oft Angebote zu stressabbauenden Techniken. Denn sie stehen in ihrem Job permanent unter hohem Druck. Als Alternative gehen sie häufig direkt in Wellness-Hotels mit Einzelbetreuung. Allerdings nicht, um zu lernen, wie sie kürzertreten können – sondern um noch stärker für ihre Position zu werden. Bei all dem Stress, den sie haben: Finden Top-Manager tatsächlich die Zeit, sich in Seminaren mit Gleichgesinnten zusammenzusetzen? In Seminaren, in denen es um die Entwicklung der Persönlichkeit geht, finden Sie kaum Top-Manager. Sie wollen vor einer Gruppe nicht ihr Persönlichkeitsprofil preisgeben und zeigen, wo sie nachbessern müssen. Für diese Themen nehmen sie sich lieber einen Coach oder einen Berater. Geht es darum, fachliche Problemstellungen zu erörtern, wählen sie offene Seminare, wo sie niemand kennt. Dort können sie sich über ihr Problem austauschen, ohne dass der Vorstandskollege etwas darüber erfährt. Interessant ist auch, dass der Manager das Institut, das er für sein Seminar gewählt hat, selten für seine Mitarbeiter wählen würde. Denn diese könnten ja herausfinden, wo es dem Chef an Stärken mangelt. Geht es um Anregungen für Strategien, Zukunftstrends oder Analysetools, wählen Top-Manager häufig Tagungen und Vortragsveranstaltungen und weniger die Seminarform. Sind Top-Manager überhaupt offen für neue Anregungen, die sie in Seminaren bekommen? Meine Beobachtung: Sie sind weniger offen als Teilnehmer aus mittleren und unteren Managementebenen. Top-Manager bestimmen ihr Leben selbst und haben gewisse Ansichten von Vornherein für sich festgelegt. Sie lassen sich – in Form von Vorschlägen – kaum reinreden, sondern wissen meist schon vor dem Seminar, was sie daraus mitnehmen wollen. Aus diesem Grund wählen sie oft lieber einen Berater: Man lässt sich die Dinge, die der Berater gesagt hat, durch den Kopf gehen und wählt dann aus, was zur eigenen Strategie passt. Wo lernen Top-Manager, neue Ideen für bahnbrechende Innovationen und einzigartige Produkte zu generieren? Es gibt eine ganze Reihe von Kreativitätstechniken, mit denen man sehr schnell auf neue Ideen kommt. Zum Teil werden mit dieser Hilfe neue Strategien in den oberen Managementetagen generiert. Die Umsetzung geschieht dann jedoch auf anderen Ebenen des Unternehmens. Gibt es eine Möglichkeit, Trendgespür zu erlernen? Auch hierzu engagieren Top-Manager häufig Berater, oder sie abonnieren Trendzeitschriften, die sie selber lesen oder lesen lassen. Eine Möglichkeit, Trendgespür zu lernen, ist etwa, den Kunden als Innovator zu nutzen oder die eigene Blickrichtung gezielt zu verändern. Oder man lernt, Szenarien zu entwerfen: Was würde es für meine Firma in den nächsten zwei Jahren bedeuten, wenn ich eine bestimmte Maßnahme umsetze? Wie lassen sich die Risiken minimieren und die Chancen optimieren? Viele Top-Manager haben aber hierfür schon aus Erfahrung ein gutes Gefühl. Bauchgefühl versus Kopfentscheidung – kann man lernen, was richtig ist? Meine Beobachtung: In den obersten Chef-Etagen entscheiden die meisten eher mit dem Kopf. Wir empfehlen: Wer ein starker Kopfmensch ist, sollte, um das Bauchgefühl hinzuzuziehen, auch mit seiner Ehefrau über berufliche Herausforderungen reden. Denn Frauen können in der Regel sehr gut auf ihren Bauch hören. Wer als Kopflastiger selber sein Bauchgefühl trainieren will – und das ist durchaus möglich –, muss allerdings oft einen sehr weiten Weg gehen. Denn wer nur Zahlen und Fakten zulässt, für den ist die Welt schon stimmig und er kommt gar nicht auf den Gedanken, dass er auch mal nach dem Gefühl gehen könnte. Ein Mix aus Kopf und Bauch ist oft die beste Entscheidung. Top-Manager haben meist eine starke Persönlichkeit. Inwieweit kann man diese erlernen? Jeder kann entsprechend seiner Veranlagung mehr oder weniger viel erreichen. Hat jemand schon von Natur aus eine starke Persönlichkeit, wird er mit ausgesuchten Trainingsmethoden natürlich weiterkommen als ein anderer, der mit einer schwachen Persönlichkeit an den Start geht. Es gibt verschiedene wirksame Methoden, die helfen können, wie etwa Workshops zur Körpersprache oder zur Rhetorik. Auch mentales Training und Tipps zum Outfit können eine Person innerlich stärken und die Persönlichkeit immer mehr aufbauen. Wer fragt solche Persönlichkeitsseminare nach? Eher Personen aus der mittleren und unteren Managementebene. Top-Manager haben bereits eine starke Persönlichkeit, sonst würden sie dem Druck dort oben nicht standhalten können. Zusammengefasst: Kann man lernen, ein guter Top-Manager zu sein? Man kann sich ein gutes Stück in die Richtung Top-Manager entwickeln, indem man systematisch und konsequent eine ganze Reihe von passenden Trainings durchläuft. Eins ist allerdings klar: Niemand wird Top-Manager werden, wenn er nicht eine gewisse Grundbegabung besitzt. Aber jeder kann seine Fähigkeiten, die er in diesem Moment hat, außerordentlich ausbauen. Und es gibt viele gute und clevere Methoden, die helfen, weit nach vorn zu kommen.

Interview mit Thomas Berlemann

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128 Millionen Kunden – um diese Zahl werden den Telekom-Manager Thomas Berlemann viele beneiden. Ein Gespräch mit dem Verantwortlichen für Vertrieb und Service bei T-Mobile über die Kunst, bei dieser Zahl nicht den Überblick zu verlieren, und die Vorteile, bei der Telekom im Vertrieb zu arbeiten. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Thomas Berlemann (Jahrgang 1963) ist seit September 2003 Geschäftsführer Kundenservice für T-Mobile Deutschland und hat zum 1. Mai 2009 zusätzlich die Verantwortung für den Vertrieb übernommen. Seit Januar 2007 ist er außerdem als Bereichsvorstand T-Home und als Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutsche Telekom Kundenservice GmbH für den Kundenservice der Deutschen Telekom verantwortlich. Berlemann war nach seinem Studium an der Wirtschaftsakademie der Mannesmann AG von 1990 bis 1992 als Vorstandsassistent in dem Düsseldorfer Konzern tätig. Seine berufliche Laufbahn setzte er beim Otto Versand fort, zunächst als Projektleiter Vertrieb, später als Leiter des Kundencenters Berlin.1997 wechselte er zu AOL Europe; 2003 ging Thomas Berlemann zu T-Mobile Deutschland.
Herr Berlemann, können Sie sich noch erinnern, wie Ihre Stimmung am 21.04.2009 war? Da müssen Sie mir bitte helfen, den 21.04. einzuordnen. Stichwort: Netzausfall bei T-Mobile. Uns ging es an diesem Tag um zwei Dinge: erstens die Kunden möglichst gut zu informieren und zweitens den Grund des Ausfalls möglichst schnell zu beheben. Haben Sie keine Angst, so ein Netzausfall könnte sich wiederholen? Wir werden seit nunmehr zehn Jahren für das beste Mobilfunknetz der Branche gelobt. Das war der erste Ausfall dieser Art. Wir haben daraus gelernt. Wir haben keine Angst, dass so ein Ausfall häufiger passieren kann. Wer heute Menschen in der Öffentlichkeit beobachtet, sieht kaum noch jemanden, der nicht mit einem Handy unterwegs ist. Würden Sie sagen, der Markt ist gesättigt? Nein, in keiner Weise. Wenn wir in andere europäische Länder schauen, stellen wir fest, dass wir noch Luft nach oben haben. In anderen Ländern wird deutlich mehr mobil telefoniert. Beim Datengeschäft, also mobiles Internet über Handys oder Laptops, haben wir Wachstumsraten, um die uns andere Geschäftsfelder beneiden. Der Markt ist also ganz bestimmt nicht gesättigt. Kommunikation mit Sprache und Daten ist weiterhin ein Wachstumsgeschäft. Wir haben gerade aus vertrieblicher Sicht gute Chancen, an diesem Wachstum zu partizipieren. Und wir treiben die Entwicklung voran, weil wir weiterhin in Produkte und Netzqualität investieren. Die Telekom ist ein riesiges Unternehmen mit einer enormen Bandbreite an Kunden. Da gibt es die Experten, die bei jeder Neuerung dabei sind, aber auch die konservativen Kunden, die eigentlich nur wollen, dass ihr Telefon funktioniert. Wie schwierig ist es, beim Thema Vertrieb und Kundenservice da den Spagat hinzubekommen? Das ist gar nicht schwer, weil wir im Privatkundenmarkt unsere Zielgruppen sehr genau definiert haben. Wir wissen, welche Produkte in welchem Kundensegment gefragt sind. Wir wissen, wie wir sie ansprechen und wie die Preise gestaltet sein müssen. Und wir wissen auch, wie diese Kunden letztlich unsere Produkte nutzen. Weil wir das verstanden haben, sind wir sehr gut darin, unseren Kunden entsprechend ihrer Vorstellung passende Produkte anzubieten. Wie gelingt es Ihnen, Ihre Kunden so genau zu verstehen? Ganz einfach: Wir haben sie gefragt. Kunden verschiedener Altersklassen und sozial-demografischer Kriterien. Das ist klassische Marktforschung mit dem Ziel zu verstehen, was die Menschen von ihrem Telekommunikationsanbieter eigentlich erwarten: Was für Produkte?, Was für Preise?, Was für eine Ansprache? Dieses Wissen haben wir uns hart erarbeitet und profitieren nun davon. Klingt, als würden Sie es in vertrieblicher Hinsicht durchaus genießen, in einem so großen Unternehmen wie der Telekom zu arbeiten, das sich so eine intensive Marktforschung leisten kann. Es ist natürlich schön, wenn man über Möglichkeiten verfügt, die einem helfen, erfolgreich am Markt agieren zu können. Wenn das Unternehmen in die Intelligenz investiert, die man benötigt, um erfolgreich Vertrieb machen zu können. Denn daraus entsteht aus meiner Sicht langfristiger Erfolg – auch in einer sich so rasant entwickelnden Branche wie der Telekommunikation. Wie entgeht man der Gefahr, dass sich bei einem so großen Konzern aus dem vielen Wissen und der angesammelten Intelligenz eine Art von Selbstherrlichkeit entwickelt? In dem wir mit den Kunden sprechen und sie fragen: „Wie zufrieden sind Sie mit dem, was wir machen?“ Wir haben dafür ein sehr dezidiertes System verankert, mit dem wir unsere Annahmen validieren. Sprich: Kommt das, was wir wollen, auch tatsächlich beim Kunden an? An der Kundenzufriedenheit justieren wir dann im nächsten Schritt die gesamte Produktentwicklung sowie Fragen des Vertriebs und des Service. Sie sind seit Anfang der 90er-Jahre im Vertrieb von großen Unternehmen tätig. Wie hat sich das Berufsfeld seitdem geändert, was ist heute komplett anders als damals? Die Kunden wissen heute mehr. Sie sind besser über Angebote und Preise informiert, sie verfügen auch über viel mehr Vertriebskanäle. Ist der über alles informierte Kunde für Ihre Arbeit im Vertrieb ein Vor oder Nachteil? Weder noch. Wir denken nach vorne und wollen uns von unseren Mitbewerbern differenzieren. Es ist eine spannende Herausforderung, die gut informierten Kunden von unserem Angebot zu überzeugen. Wir wollen ja nicht die Billigsten sein, sondern das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Das ist unser Ziel. Aufgabe des Vertriebs ist es, immer wieder zu prüfen, ob wir auf einem guten Weg zu diesem Ziel sind. Ob unsere Produkte mit Blick auf dieses Ziel in Ordnung sind. Es heißt oft, Jobs im Vertrieb eines Unternehmens zählten nicht zu den begehrtesten … … was bei der Telekom so nicht stimmt. Eine Umfrage hat gerade jetzt wieder gezeigt, dass bei uns die Zufriedenheit der Mitarbeiter im Vertrieb am höchsten ist. Im Vertrieb wird das Geld für die Firma verdient. Und analog dazu kann man im Vertrieb auch selber gutes Geld verdienen. Wenn Sie die Möglichkeit hätten, an einer Universität als Dozent eine Einzelveranstaltung für den Bereich Vertrieb anbieten zu können, welches Thema würden Sie dafür wählen? Ich würde versuchen, den Studierenden die vertriebliche Praxis näherzubringen, um die Lücke zwischen Theorie und Praxis möglichst klein zu halten. Es ist in meinen Augen wichtig, dass die Absolventen eine gute Vorstellung davon haben, was im beruflichen Alltag von ihnen erwartet wird und wie man sich in dem Umfeld, das einen erwartet, bewegen muss. Kurz: Zeigen was man können muss, um erfolgreich zu sein.

Zum Unternehmen

Die Deutsche Telekom AG ist weltweit eines der führenden Dienstleistungs- Unternehmen der Telekommunikations- und Informationstechnologie-Branche. Als international ausgerichteter Konzern ist die Telekom in rund 50 Ländern vertreten. Mehr als die Hälfte des Konzernumsatzes wird außerhalb Deutschlands erwirtschaftet. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen mit dem Hauptsitz in Bonn rund 260.000 Mitarbeiter (Stand Juni 2009). Die Deutsche Telekom hat ihr Geschäft in drei Marken aufgeteilt. Dabei steht die Marke T-Home für Produkte für Zuhause, T-Mobile für mobile Dienstleistungen und Produkte für unterwegs – mit insgesamt 128 Millionen Kunden in Deutschland und den USA. Unter der Marke T-Systems bietet der Konzern weltweit Angebote für Großunternehmen an. Interview mit Thomas Berlemann als PDF ansehen

Interview mit Roland Berger

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Sein Name steht für eines der großen, weltweit tätigen Consultingunternehmen. Einer breiten Öffentlichkeit ist Roland Berger durch viele Interviews bekannt geworden, in denen er Reformen für die deutsche Wirtschaft und Politik anmahnt. Im karriereführer kommt er auf die Grundsätze der Berater-Profession zu sprechen. Von Martin Rath.

Der Begriff „Consulting“ wird in der Öffentlichkeit oft recht beliebig gebraucht. Wie würden Sie ihn näher bestimmen? Consulting, oder zu deutsch Beratung, bedeutet zunächst, die Probleme des auftraggebenden Unternehmens, die in dem speziellen Projekt gelöst werden sollen, exakt zu definieren. Dazu werden die relevanten Fakten quantifiziert, womöglich qualifiziert und schließlich priorisiert, um daraus Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Berater und Klienten arbeiten dabei eng zusammen. Die meisten Unternehmen wünschen außerdem, dass der Berater sie bei der Umsetzung der Empfehlungen unterstützt – vorausgesetzt, das Management hat sich für eine Lösung entschieden. Wo verbietet es sich Ihrer Meinung nach, Beratung zu offerieren – in der Wirtschaft und im Privaten? Grundsätzlich verbietet es sich dort, wo die legalen und ethischen Grenzen für wirtschaftliches, privates oder gesellschaftliches Handeln überschritten werden. Weder unser Unternehmen noch ich persönlich würden beispielsweise eine Partei beraten, die nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes steht und unsere gesellschaftlichen Wertestrukturen verteidigt. Welche Charaktereigenschaften sollte ein Berater haben, die über die normalen „Soft Skills“ hinausgehen? Ein Berater muss analytisch denken können und gleichzeitig kreativ sein. Er sollte sich mit den Problemen des Kunden identifizieren können. Er muss fleißig sein und notfalls bereit, lange Arbeitstage in Kauf zu nehmen. Berater müssen vor allem Unabhängigkeit und Integrität beweisen, denn von ihnen wird ja verlangt, objektiven Rat zu erteilen und dabei keine eigenen politischen, wirtschaftlichen oder Karriere-Interessen zu verfolgen. Das sind aus meiner Sicht die wesentlichen Anforderungen an die Persönlichkeit eines Beraters. Haben Consultants etwas mit Hofnarren gemein, die das aussprechen, was der König oder der Kunde sich im eigenen Haus nicht erlauben kann? Das mag in Ausnahmefällen vorkommen, aber ich habe es in meiner Laufbahn noch nicht erlebt: Welches Unternehmen würde schon Geld dafür ausgeben, um Ergebnisse ans Licht zu bringen, die ohnehin bekannt sind? Hätte heute ein BWL-Student die Chance, in ein großes internationales Beratungsunternehmen einzusteigen, wenn er während des Studiums eine Wäscherei betrieben hat? Unternehmerische Erfahrung schadet sicher keinem Bewerber, wenn auch alle anderen Qualifikationen stimmen. Während des Studiums und vor meinen Lehrjahren in einer internationalen Consulting-Gesellschaft habe ich, wie von Ihnen angesprochen, erfolgreich eine eigene Wäscherei betrieben. Und unternehmerischer Elan ist auch heute noch ein wesentliches Momentum in der Kultur von Roland Berger Strategy Consultants, worauf wir stolz sind. Was sind die Todsünden, die Bewerber auf dem Weg in ein Beratungsunternehmen immer noch machen? Erstens: Sich nicht genügend informiert zu haben über das Unternehmen, bei dem man sich bewirbt, und den Beruf, den man anstrebt. Zweitens: Sich nicht auf die Fragen vorbereitet zu haben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gestellt werden, weil sie sich aus den beruflichen Anforderungen ergeben. Drittens: Arrogantes Auftreten. Mehr Schein als Sein zu bieten. Viertens: Den eigenen Marktwert zu überschätzen und es grundsätzlich an realistischer Selbsteinschätzung fehlen zu lassen. Fünftens: Nicht offen im Gespräch zu sein und Dinge vorzuspiegeln, die nicht haltbar sind. Wenn Sie sich für Ihr Unternehmen heute ein neues Recruitment-Tool einfallen lassen müssten, um beispielsweise Assessment Center abzulösen, wie könnte das Tool aussehen? Wir setzen durchaus auf Bewährtes. Assessment Center eignen sich, weil sie Situationen simulieren, mit denen der Bewerber auch in seinem künftigen Beruf konfrontiert wird. Wichtig ist uns außerdem, dem Kandidaten Gespräche mit Kollegen unterschiedlicher Unternehmensbereiche zu ermöglichen, damit er unsere Kultur kennen lernen und prüfen kann, ob er zu uns passt. Eine Frage, die ich gerne Menschen stelle, die in ihrem Beruf viele Pflichtlektüren haben: Was lesen Sie, wenn Sie es beruflich nicht lesen müssen? Ich lese viel über Politik und Geschichte, außerdem Biografien. Aber auch Belletristik. Was halten Sie von populärer Managementliteratur? Meist nicht sehr viel. Die Welt ist zu komplex, als dass die simplen Ratschläge, die in populärer Managementliteratur vermittelt werden, helfen könnten. Interessant sind Autoren, die grundlegend neue Ansätze entwickelt haben, wie zum Beispiel Peter Drucker, oder die selbst erfolgreich ein Unternehmen gemanagt haben, wie Jack Welch von General Electrics, und die dann vor einem autobiografischen Hintergrund schreiben. Aber sie zählen eher zu den Ausnahmen. Was ist leichter: zu entscheiden oder zuberaten? Das widerspricht sich nicht, denn für jeden Rat, den ich gebe, muss ich mich ja vorher entschieden haben. Schon allein, um ihn gegenüber dem Klienten glaubhaft vertreten zu können. Deshalb müssen Empfehlungen möglichst eindeutig formuliert sein. Ob sie am Ende umgesetzt werden, darüber entscheidet natürlich der Klient.

Nachgehakt

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Beruf weit ab von der Wirtschaftsberatung, welcher wäre das? Entweder Architekt, weil man viel gestalten kann, oder Dirigent, weil es eine sehr kreative Tätigkeit ist. Was ist Ihr Hauptcharakterzug? Ich möchte etwas bewegen und zum Fortschritt der Gesellschaft beitragen. Welche Eigenschaften schätzen Sie? Ehrlichkeit, Kompetenz, Loyalität und Fleiß. Was ist Ihr größter Vorzug? Offenheit und Verlässlichkeit. Was ist Ihnen sehr unangenehm? Menschen, die lügen oder sich illoyal verhalten. Was dulden Sie auf keinen Fall? Mangelnde Kompetenz, Bequemlichkeit zu Lasten Dritter und Fehler, die wider besseres Wissen wiederholt werden. Was entschuldigen Sie sofort? Kleinigkeiten und gelegentliche Unzulänglichkeiten. Gibt es etwas, was Sie unter allen Umständen auf eine Reise mitnehmen würden? Natürlich immer einige Bücher. Wo ist Ihre Grenze, zum Beispiel im Sport? Ich bin – Gott sei Dank – auch heute noch sehr belastbar. Was war Ihr größter Flop? Einen bedeutenden Flop gab es glücklicherweise nicht. Was möchten Sie in fünf Jahren tun? Nichts wesentlich anderes als heute. Haben Sie ein Motto? Alle Dinge sofort erledigen. Und Aufgaben optimistisch angehen, frei nach Theodor Heuß, der sagte: Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist.