Interview mit Lovro Mandac

Dem Kauf den Hof machen

Was auf dem Kassenzettel steht, sind zum Beispiel Jeans, Weingläser, CDs oder ein Hut – was dahinter steht, ist das „Erlebnis: Einkauf“. Und wiederum dahinter steht er. Bei allem, was Lovro Mandac – Vorstandsvorsitzender der Kaufhof Warenhaus AG – macht, hat er eines fest im Visier: Die Zukunft. Ein Gespräch mit ihm über Japan und Harmonie, Fernsehen zum Frühstück, Marotten und Krawatten, Mitarbeiter und Muskelspiele, Glühbirnen und Macht. Von Viola Strüder

Zur Person

Alter: 53 Jahre
Studium: Wirtschaftswissenschaften in Hamburg; Abschluss 1977 als Diplom-Kaufmann
Berufliche Stationen: Thorn/EMI, Hapag-Lloyd-Flug, Panasonic
Kaufhof-Karriere: Seit 1987 in verschiedenen Positionen beim Kaufhof-Konzern tätig. Seit 1994 ist Lovro Mandac Vorstandsvorsitzender der Kaufhof Warenhaus AG

„Nachdem Sie genug genervt haben,“ hat Lovro Mandac den charmanten Satz der Schulleitung noch im Ohr, mit dem man ihm zum Abitur gratulierte. 18 Jahre und 363 Tage war er – und Schülersprecher dazu. Dabei war sein Verhältnis zu den Lehrern ein gutes, hatten sie doch sein Interesse für Philosophie und Archäologie geweckt. Warum er dennoch einem Studium der Betriebwirtschaftlehre den Vorzug gab? „Ganz simpel: Geld verdienen. Zukunft“, führt er aus und die geldtypische Hand-Geste vor.

Von oben nach oben
Als Vorstandsvorsitzender ist Lovro Mandac oben – und von oben kommt der 52-Jährige auch: aus Flensburg. Erste Pluspunkte sammelte er als Praktikant in der Auslandsabteilung einer Bank. Bevor er an seinem Wahlstudienort Hamburg loslegen durfte, erging es ihm wie den meisten Studenten: Er kämpfte sich durch die Aufnahmeprüfung für Mathematik und Statistik. „Furchtbar“, verzerrt er das Gesicht „was man dort mit uns angestellt hat“. Danach befragt, ob er die höhere Mathematik denn gegenwärtig brauche, gibt er augenzwinkernd zu: „Heute geht es nur um Plus und Minus.“ Seine Fächerkombination Finanzen, Personal sowie Recht der Öffentlichen Verwaltung würde er „nie mehr“ wählen. Stattdessen: „Internationales Management, Personal und Volkswirtschaftlehre.“ Letztere, weil er die wirtschaftlichen Zusammenhänge dort für besser erklärt hält. Seine Diplomarbeit hatte mit der „Zusammenarbeit der Volks- und Raiffeisenbanken“ zu tun. „Die hat wahrscheinlich gar keiner gelesen“, hakt er ab. Das BWL-Studium unterbrach er für zwei Jahre, um einer Tätigkeit im Auslands-Ressort der Deutschen Bank nachzugehen, „aus Begeisterung, nicht aus finanziellen Motiven“. Die Rahmenbedingungen für seine Ausbildung seien dank Elternhaus gut gewesen, was er zu schätzen wisse.

Einstiegsformel: 2.7 x 14 + Auto
Gab es damals Ängste bei den Studierenden, keinen Job zu finden? „Es gab keinen Grund, Angst zu haben.“ 1977, als er sein Studium beendet hatte, waren die Zeiten für Akademiker durchweg gut. „Ich konnte damals aus drei Angeboten wählen,“ erinnert er sich. Der junge Diplom-Kaufmann entschied sich für eine Mitarbeit bei der Thorn/EMI GmbH in Hamburg. Die Formel für den Einstieg lautete so: „2.700 Mark brutto mal 14. – Plus Auto.“ Die Freude über dieses „Plus“ ist ihm heute noch anzumerken: „Mit 27 Jahren ein allzeit bereites Auto samt Benzin vor der Tür zu haben, das war damals glatt einen Tausender wert.“

Zwischen Yen und Zen
Als Höhepunkt seines jungen Berufslebens empfand Lovro Mandac den Aufenthalt in Japan. „Es war eine Ehre für einen Deutschen, in dieses Camp aufgenommen zu werden.“ Die Managementlehre dort, die Mentalität und Lebensweise, die Art des Glaubens, letztlich die japanische Kultur haben ihn tief beeindruckt und nachhaltig beeinflusst. Das hohe Maß an Disziplin der Japaner schildert Lovro Mandac anhand eines Alltagsbeispiels: „Sie stehen morgens in der U-Bahn, auf das Dichteste gedrängt, bei über 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und brauchen beim Verlassen der Bahn wieder 20 Minuten, um sieben Etagen höher ans Tageslicht zu gelangen. – Wenn Sie in Japan nicht diszipliniert sind, gehen Sie unter.“
Eine Form der Strategischen Planung lernte er dort kennen, die hier zu Lande und besonders in diesen Wirtschaftszeiten wie aus dem Märchenbuch klingt: „Die Firma, für die ich in Japan tätig war, machte Ein-, Drei-, Zehn- und Fünfzig-Jahrespläne. Die Vision ging auf: Nach Fünfzig Jahren stand das Unternehmen exakt da, wo es die Planung vor einem halben Jahrhundert vorsah.“
Das Unternehmen – das ist in Japan die Familie. Harmonie sei wichtig, damit man erfolgreich sein könne, und dafür habe das Familienoberhaupt Sorge zu tragen. Eine Philosophie, die Lovro Mandac übernommen hat – die zu ihm passt. So wie er am Konferenztisch sitzt, Fenster und Türe gleichermaßen im Blick, zugewandt und konzentriert auf das Gespräch vermittelt er nicht das Bild des wild fuchtelnden Direktors, sondern in der Tat das des „Familienvaters“ und durch Erfahrung geschulten Beraters. Eine Bärenruhe strahlt er aus. Man stellt sich vor, dass er stets ein wachsames Auge über allem hat, er die ihm anvertrauten 30 000 Mitarbeiter als Team zusammenhält und, wenn’s angebracht ist, sich aufbäumt und kämpft.

Einkaufs-Erlebnis als Arbeits-Ergebnis
Eine Karrierelaufbahn im Kaufhof richtet sich nicht allein nach Formal-Abschlüssen. Ob Lehre oder Berufsakademie, ob Diplom einer Fachhochschule, Abschluss einer Universität oder Quereinstieg steht hier nicht im Vordergrund. Lovro Mandac nennt ein ihm wichtiges Kriterium der Mitarbeiterauswahl: „Eigenverantwortung erwarte ich von jedem Einzelnen.“ Dies solle Freiheit schaffen für eigenständiges Denken und Handeln. Selbstbewusstsein und Urvertrauen sollen gestärkt werden. Loyalität setzt er voraus. Dass Mitarbeiter Freude an ihrer Arbeit haben, wünsche er sich. Schließlich verkauft das Unternehmen eine Erlebnis-Welt. Ritualisierte Ansporntherapien gibt es bei ihm nicht. „Motivation kann auch in einem Lächeln bestehen“.

Muskelspiele
„Wie ich mit Menschen umzugehen habe,“ ist nach seiner Auffassung das wichtigste, was er lernen musste und was keine Ausbildung vermitteln konnte. Lovro Mandac beugt sich etwas vor und untermalt die goldene Regel: „Schenke den Menschen ein Lächeln“. Ein Ansatz, den er gerade jungen Führungskräften heute empfiehlt und den eigenen vermitteln möchte. „Schon deshalb, weil es Kraft spart, weniger Gesichtsmuskeln beansprucht.“ Und weiter: „Das Lächeln, das Du aussendest, kehrt zu Dir zurück.“ – Je bedeutsamer Lovro Mandac etwas ist, desto mehr senkt er die Stimme. „Man darf den Menschen nicht die Haut vom Gesicht ziehen. Ich habe oft erlebt, dass dies passiert“, sagt er nachdenklich. Diese Erfahrung habe ihn sensibel gemacht für das Miteinander auch oder gerade in schwierigen Situationen.

Frühstück mit Fernsehen und drei Zeitungen
Worin besteht eigentlich die Haupttätigkeit eines Vorstandsvorsitzenden? „Ich kommuniziere – persönlich, per Telefon, per Brief oder per E-Mail“, bringt Lovro Mandac den Job auf einen Nenner. Und wie sieht ein normaler Arbeitstag bei ihm aus? Um sechs Uhr startet er mit drei Zeitungen: „Kölner Stadt-Anzeiger, Süddeutsche und Welt“, zählen zur Pflichtlektüre; dazu „eine Sequenz Frühstücksfernsehen“. Der Tag endet um 20 oder 21 Uhr, je nach Anlass auch später.

Aussicht mit Weitsicht
„Macht ist immer nur an Aufgaben gebunden, nicht an Personen. Ich habe viele erlebt, die Angst davor haben, sich morgen die Türe wieder selbst aufmachen zu müssen. Ich gehöre nicht dazu.“ Mit 60 Jahren möchte er gehen. Ein „Bellheim“ ist er ohnehin nicht. Das Weitermachen bis 70 halte er für Unsinn, irgendwann müsse man jüngere Leute ranlassen. Die Betonung weist darauf hin, dass er den alters- und hierarchiebedingten Sesselkleber nicht erfunden hat. Vielmehr hat Lovro Mandac seine Zukunft nach dem offiziellen Arbeitsleben bereits geplant: „Im Lobbyismus“ will er dann tätig sein, denn es liege so viel im Argen in diesem Land. Was alles würde er machen, wenn er „König von Deutschland wär’“? „Für Deregulierung sorgen“, lautet die Antwort und sein Stichwort. – Als engagierter Streiter in Sachen Ladenöffnungszeiten ist er seit Jahren bekannt. Es ist anzunehmen, dass seine Themen Gehör finden werden, schon deshalb, weil er vor großem Publikum Entertainer-Qualitäten vorzuweisen hat – sich mühelos bewegt zwischen harten Fakten, Erzürnung und Humor.

Von Marotten, Krawatten und Glühbirnen
Eigenheiten zum Finale: Es stand zu lesen, dass er ein Faible für schrille Krawatten haben soll. „Stimmt.“ Bloß heute nicht, da trägt er Kaufhof-Corporate-Green, ein weißes Hemd und einen hellgrauen Anzug. Nobel-Hobbys sind nicht seine Sache. Urlaub? Den verbringt er gerne mit „Wandern auf Mallorca“. Ob er neben der Kopfarbeit auch handwerkliche Begabungen habe? „Nein, überhaupt nicht.“ Schon das Eindrehen einer Glühbirne sei nichts für ihn. Irgendwelche Marotten? „Da fällt mir nichts ein, ich bin nicht nervös, schneide keine Grimassen“, sinniert er. Ein freundliches Lächeln gibt’s zum Abschied. Lovro Mandac geht aus dem Raum – und dreht schwungvoll die Brille ums Handgelenk.

Das Unternehmen

Geschichte: Gegründet 1879 von Leonhard Tietz als Einzelhandelsgeschäft.
Heute: Die Kaufhof Warenhaus AG unterhält 134 Filialen in über 80 deutschen Städten. Dazu 15 Filialen in belgischen Städten.
Netto-Umsatz 2001: Vier Milliarden Euro.
Anzahl der Kunden: Täglich zwei Millionen.
Anzahl der Mitarbeiter: 30 000