Interview mit Dr. Stefan Kraus

Der Unternehmer-Anwalt

Dr. Stefan Kraus, Foto: Luther
Dr. Stefan Kraus, Foto: Luther

Der Unternehmer-Anwalt. Das Headquarter der Wirtschaftskanzlei Luther liegt direkt am Rhein, eingebettet im neuen Rheinaufhafen, wo Galerien, Cafés, Wohnhäuser und Büros entspannt nebeneinander liegen. Dr. Stefan Kraus war 15 Jahre lang Managing Partner der Kanzlei. Nun gab er die Geschäftsführung an zwei Kollegen ab, um seine Beratertätigkeit zu intensivieren. Ein Gespräch über die besonderen Merkmale eines Unternehmer-Anwalts, die Aufgaben junger Anwälte in der Kanzlei und die modernen Alternativen zu einer Lifetime-Career. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Stefan Kraus, Jahrgang 1957, studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und an der Pennsylvania State University sowie Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. Dort promovierte er im Jahre 1987 zu einem handels- und steuerbilanzrechtlichen Thema.

Kraus begann seine anwaltliche Laufbahn 1988 in Wuppertal und wechselte 1989 in das Kölner Büro von Arthur Andersen. Dort war er maßgeblich am Aufbau der rechtsanwaltlichen Beratungspraxis in Deutschland und international beteiligt. Von 1995 bis 2010 führte er die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH als Managing Partner. Inhaltliche Schwerpunkte sind die wirtschaftsrechtliche Beratung von Unternehmen und Unternehmern im Zusammenhang mit Transaktionen und Reorganisationen, häufig auch grenzüberschreitend.

Herr Dr. Kraus, die Kanzlei Luther hat sich den Claim „Die Unternehmer-Anwälte“ gegeben. Was genau steckt dahinter?
Zum einen verstehen wir uns nicht nur als Anwälte, sondern auch als Unternehmer. Wir denken und handeln als solche. Daher, und das ist die zweite Ebene, verstehen wir das unternehmerische Denken unserer Mandanten.

Wirtschaftskrise gleich gute Zeiten für Wirtschaftskanzleien – stimmt diese Gleichung?
Nein. Früher hörte man gelegentlich folgenden Spruch: „Geht es den Unternehmen gut, geht es den Anwälten gut. Geht es den Unternehmen schlecht, geht es den Anwälten besser.“ Doch der stimmt heute nicht mehr, denn wir begleiten eine Vielzahl von unternehmerischen Entscheidungen sowie deren Umsetzung. Und wenn durch äußere Einflüsse die Unternehmen ihre Investitions- oder Transaktionsgeschäfte zurückhalten und die Aktivität sinkt, dann ist das für die anwaltlichen Berater nicht gut.

Da Sie sich explizit als Anwälte sehen, die auch Unternehmer sind: Haben andere Kanzleien in dieser Hinsicht Defizite?
Vielfach sind Anwälte schon ein besonderer Menschenschlag, und es kommt vor, dass sie wenig Verständnis für die Strukturen eines Unternehmens und die Denkweisen der Menschen dort besitzen. Und wir nehmen für uns in Anspruch, uns problemlos in die Situation unserer Mandanten hineinversetzen können. Das ist ein entscheidender Punkt, denn wenn ich jemanden anwaltlich berate, muss ich verstanden haben, was der Mandant möchte.

Gibt es da mitunter den Zwiespalt, dass aus ökonomischer Sicht ein Weg A sinnvoll ist, aus juristischer aber eher ein Weg B?
Das gibt es in der Tat sehr häufig. Der Mandant gibt uns eine Aufgabe. Er möchte wirtschaftlich etwas erreichen und will nun von uns wissen, wie ihm das im Rahmen eines sehr komplexen gesetzlichen Regelwerks gelingen kann. Es reicht dem Mandanten aber nicht, dass wir ihm sagen, was er darf und was er nicht darf. Er möchte auch wissen, wie er vorgehen sollte, um sein wirtschaftliches Handeln optimal an die juristischen Vorgaben anzupassen. Unsere Aufgabe ist es, diese Wünsche zu erkennen – und das geht nicht ohne viel Verständnis für unternehmerisches Handeln.

Wie gelingt es Ihnen bei Luther, Nachwuchsanwälte zu finden, die über dieses unternehmerische Denken verfügen?
Die entsprechende fachliche Qualifikation ist die Grundvoraussetzung für eine Anstellung bei uns. Wir schauen uns aber nie ausschließlich die Examensnoten an. Zusätzlich gewünscht sind persönliche Eigenschaften. Wir möchten den Eindruck gewinnen, dass die Bewerber mehr gesehen haben als nur das juristische Hauptseminar und die Bücher. Erfolgreiche Anwälte in unserer Branche sind nicht nur gute Juristen, sondern obendrein auch Beraterpersönlichkeiten – und dazu gehört ein erweiterter Horizont sowie Qualitäten wie Offenheit und Kommunikationsfähigkeit.

Suchen Sie fertige „Unternehmer-Anwälte“ – oder geben Sie jungen Absolventen die Chance, sich bei Ihnen zu einem solchen zu entwickeln?
Zweiteres. Man kann als Jurist nicht sagen: „So, jetzt habe ich Staatsexamen und einige Referendarstationen hinter mir, jetzt bin ich gelernter Anwalt.“ Daher werden junge Leute bei uns – wie auch in anderen großen Kanzleien – vom ersten Tag an weiter ausgebildet. Wir verfügen über ein umfangreiches Ausbildungsprogramm, die „Luther academy“, das junge Anwälte in den ersten fünf Jahren ihrer Tätigkeit bei Luther begleitet. In dieser Zeit optimieren sie ihr juristisches Wissen auf die Anforderungen eines Wirtschaftsanwalts, lernen aber auch rhetorische Qualitäten oder die Fähigkeit, eine Bilanz lesen oder einen Vertrag aufsetzen zu können.

Wäre es nicht sinnvoll, dass Jurastudenten dieses wirtschaftliche Wissen bereits im Studium vermittelt bekämen?
Es wäre sinnvoll, aber es ist unrealistisch. Dafür bietet die verkürzte und verschulte Juristenausbildung einfach nicht die Zeit. Daher kommen alle Kanzleien, die einen spezifischen Fokus besitzen, nicht umhin, gewisse Kenntnisse intern weiterzuentwickeln.

Man spricht viel vom Wandel der Wirtschaft in diesen Tagen. Würden Sie sagen, dass sich der Beruf eines Wirtschaftsanwalts ebenfalls im Umbruch befindet?
Er befindet sich eigentlich seit 20 Jahren im Umbruch. Als ich angefangen habe, war die Bezeichnung des Wirtschaftsanwalts an sich bereits eine Spezialisierung. Heute findet die Spezialisierung weit unterhalb statt: Die jungen Anwälte spezialisieren sich schon in den ersten Berufsjahren auf einzelne Rechtsgebiete.

Welche Rechtsgebiete bieten in dieser Hinsicht die besten Perspektiven?
Das sind vor allem die Rechtsgebiete, die für Branchen relevant sind, in denen gegenwärtig und in Zukunft ein struktureller Umbruch zu erwarten ist.

Beobachten Sie, dass sich die Erwartungen von jungen Anwälten geändert haben, die heute bei Luther anfangen?
Früher war es durchaus der Normalfall, dass ein Anwalt seine Karriere in einer größeren Kanzlei beginnt und das Ziel formuliert, dort später ein Partner zu werden. Heute beobachte ich eine größere Fluktuation. Junge Leute beginnen bei uns, lernen, arbeiten und wechseln dann zum Beispiel in eine In-House-Abteilung eines Unternehmens. Die Lifetime-Career gibt es noch immer. Aber sie ist eben nicht mehr das einzige Karrieremodell.

Auf der Homepage Ihrer Kanzlei findet sich der Satz, es sei wichtig „Vertrautes als fremd zu betrachten“. Was hat es damit auf sich?
Das meint, dass man immer wieder Dinge hinterfragen muss. Dass man immer wieder neu darüber nachdenken muss, ob sich zu einer bestimmten Fragestellung in einem sich permanent verändernden Umfeld plötzlich neue Antworten ergeben. Wir alle leben von und mit Routine. Routine ist gut und wichtig – aber sie ist auch eine Gefahr, wenn man aufhört, Dinge immer aufs Neue zu überdenken. Denn eines steht fest: Für die klaren Fälle nach dem Motto „Die Ampel ist rot, bitte nicht fahren“ benötigen die Mandanten uns nicht. Unsere Mandanten sind zumeist Unternehmen mit eigenen Juristen, die schon längst überprüft haben, ob sich die Antwort auf ein Problem durch den Blick ins Gesetzbuch finden lässt. Wir kommen dann ins Spiel, wenn die Sachverhalte komplex werden.

Zum Unternehmen

Die Ursprünge der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft liegen im Jahr 1992. Einige Rechtsanwälte aus der Steuerabteilung von Arthur Andersen gründeten die Kanzlei Freihalter Krüger & Partner. Nur drei Jahre später firmierte die Kanzlei zu einer der ersten Anwalts-GmbHs in Deutschland um. Im Jahr 2000 schloss sich die Gesellschaft mit Luther & Partner aus Hamburg und Berlin zusammen und wurde als Andersen Luther Rechtsanwaltsgesellschaft gleichzeitig Teil des internationalen Anwaltsnetzwerks Andersen Legal.

Als sich 2002 die weltweite Organisation von Andersen auflöste, ging die Kanzlei eine Assoziierung mit Ernst & Young ein. Seit 2005 firmiert die Kanzlei als Luther Rechtsanwaltsgesellschaft; im November 2006 beendete Luther die Assoziierung mit Ernst & Young. Seit dieser Trennung ist Luther eine vollständig unabhängige Gesellschaft. Derzeit beschäftigt die Kanzlei mit Sitz in Köln 320 Rechtsanwälte und Steuerberater. Nachfolger des jahrelangen Geschäftsführers Dr. Stefan Kraus sind seit 2010 Dr. Hans-Georg Hahn und Dr. Markus Sengpiel.

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