Interview mit Petra Schäfer

Die Quereinsteigerin

Petra Schäfer, Foto: dm-drogerie markt
Petra Schäfer, Foto: dm-drogerie markt

Eine steile betriebswirtschaftliche Karriere als studierte Pharmazeutin? Für Petra Schäfer kein Problem. Die 50-Jährige ist seit 2003 Geschäftsführerin des Bereichs Marketing und Beschaffung in der Zentrale von dm-Drogeriemarkt. Wie sie ihr Fachwissen in diesem Umfeld einsetzt und welche Jobchancen die großen Drogeriemärkte heute für Pharmazieabsolventen bieten, erzählt sie im karriereführer-Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Petra Schäfer, 50, schloss 1989 ihr Pharmaziestudium an der Uni in Mainz ab. Schon als Studentin jobbte sie nebenher in einer Mainzer dm-Filiale. Direkt nach dem Studium übernahm sie die Filiale in Wiesbaden und anschließend drei Filialen in Mannheim und legte damit schnell die Basis für die weitere Karriere im Unternehmen.

Schon 1991 wurde sie Bezirksleiterin, wechselte in die Unternehmenszentrale zur Revision und arbeitete dann intern als Personalberaterin. Nach weiteren drei Jahren als Leiterin der Werbeabteilung stieß Petra Schäfer 1996 als Sortimentsmanagerin schließlich zum Ressort Marketing und Beschaffung. 1999 übernahm sie als Mitglied der Geschäftsleitung die Verantwortung für dieses Ressort und gleichzeitig die regionale Verantwortung für Filialen. Seit 2003 ist sie Geschäftsführerin Marketing und Beschaffung und somit hauptverantwortlich für das Gesamtsortiment sowie derzeit für 150 Filialen.

Frau Schäfer, Sie sind studierte Pharmazeutin, doch Ihr Jobprofil als Geschäftsführerin Marketing und Beschaffung scheint auf den ersten Blick auf einen Betriebswirt zugeschnitten zu sein.
Stimmt, ein BWLer würde sich auf meiner Position sicherlich wohlfühlen. Ich hatte im Laufe der Karriere aber nie Probleme, weil ich im Unternehmen von Anfang an Möglichkeiten vorfand, mir betriebswissenschaftliches Zusatzwissen anzueignen. Vielleicht wäre es ein bisschen einfacher gewesen, wenn ich schon vorher einen BWL-Hintergrund gehabt hätte. Aber im Grunde hatte ich keine Schwierigkeiten, mir das Know-how im Laufe der Berufsjahre anzueignen.

Gibt es in Ihrer Position Aufgaben, die Sie als Pharmazeutin besser bewältigen können als ein BWLer?
Sicherlich weiß ich einfach mehr über die Produkte unseres Gesundheitssortiments. Wir verkaufen mittlerweile rund 600 nicht apothekenpflichtige Arzneimittel – Tendenz steigend. In meinem Beruf habe ich es häufig mit Industriepartnern zu tun, die mit neuen Produkten auf uns zukommen, die ich dann beurteilen muss. Und das kann ich als Pharmazeutin besser, denn ich kann mit meinem Fachwissen einschätzen, ob ein Präparat mit bestimmten Wirkstoffen den Preis, den die Industrie dafür verlangt, Wert ist oder nicht.

Sind die Vertriebler der Pharmaindustrie überrascht, wenn sie im Einkauf auf eine Pharmazeutin treffen?
Ich bin innerhalb des Unternehmens 1996 in den Einkauf gewechselt, und damals war das noch ungewöhnlich. Ich habe die Lieferanten mit Fragen überrascht, die vorher niemand gestellt hatte. Ich wollte wissen, wie sich dieses Produkt von jenem unterscheidet, was es mit der Dosierung auf sich hat und wie es tatsächlich wirkt. Interessanterweise waren die Lieferanten damals solche Fragen nicht gewohnt. Oberstes Gebot damals war noch: Stimmt der Preis oder nicht. Dabei sind die anderen Aspekte in unserer Branche enorm wichtig – was man daran sieht, dass heute auch andere Drogeriemärkte im Einkauf auf pharmazeutisches Fachpersonal setzen.

Woher nahmen Sie damals das Selbstbewusstsein, Ihre Position als Pharmazeutin im Einkauf auf diese ganz eigene Art zu interpretieren?
Es war mir einfach bewusst, dass es in unserer Branche nicht ausreicht, nur zu fragen, was ein Produkt kostet. Das ist ein Teil meiner Arbeit, ganz klar. Aber ich kann ein Produkt aus dem Bereich Gesundheit eindeutig besser vermarkten, wenn ich dem Kunden sagen kann, wozu es überhaupt da ist und welchen Nutzen es hat. Je mehr ich von dem Produkt verstehe, desto besser kann ich es erstens einordnen und zweitens zielgruppenorientiert dem Kunden nahebringen. Und genau darum geht es im Bereich Marketing und Beschaffung.

Wie hat sich der Stellenwert von Drogeriemärkten in den vergangenen Jahren geändert?
Die Kunden nehmen uns als kompetenten Anbieter von Gesundheitsprodukten außerhalb der Apotheken wahr. Für Produkte aus der medizinischen Zahn- und Körperpflege sind wir heute erste Anlaufstelle, wobei uns dabei die Änderungen im Gesundheitswesen zugutekommen. Die Leute kümmern sich heute viel mehr eigenverantwortlich um ihre Gesundheitsvorsorge. Sie sind informiert, anspruchsvoll und möchten trotzdem preiswert einkaufen. Und da bieten Drogeriemärkte ein sehr gutes Angebot.

Inwiefern bietet dieser Wandel Pharmazieabsolventen neue Jobchancen?
Wir stellen sehr gerne Einsteiger mit hoher pharmazeutischer Fachkompetenz ein – vor allem mit Blick auf die weiteren Entwicklungen auf dem Gesundheitsmarkt. Die Bedeutung des Themas Prophylaxe wird weiter steigen, und es werden die Drogeriemärkte erfolgreich sein, die von den Kunden als glaubhafte Einkaufsstätte wahrgenommen werden. Dazu gehört eine kompetente Beratung vor Ort – und hier setzen wir auf qualifizierte Mitarbeiter, die zum Beispiel die Drogisten in den Filialen in dieser Hinsicht weiterbilden.

Sie haben schon während Ihres Pharmaziestudiums in einer dm-Filiale gearbeitet. War das damals ein ganz normaler Nebenjob – oder ganz bewusst bereits ein erster Karriereschritt?
Es war neben dem Kellnern zunächst nur ein weiterer Nebenjob, der sich vor allem zeitlich wunderbar in mein Studium eingliedern ließ. Im Laufe der Zeit habe ich aber zu meiner Freude gemerkt, wie groß das Aufgabenspektrum in diesem Unternehmen ist. Wer hier weiterkommen möchte, muss die Chancen, die sich ergeben, selbstgestalterisch ergreifen. Entscheidend ist, beurteilen zu können, welche Entwicklungen in Zukunft für das Unternehmen relevant sein werden.

Nun haben Sie schon kurz nach dem Studium drei Filialen geleitet. Ihr Ratschlag für Absolventen naturwissenschaftlicher Fächer: Wie entwickelt man schon früh in der Karriere Führungsqualitäten?
Wissen Sie, Zutrauen veredelt den Menschen. Ich hatte von Beginn an die Maxime: Behandle deine Mitarbeiter so, wie du behandelt werden möchtest. Gib ihnen den Raum, eigene Ideen einzubringen, und erkläre ihnen, warum diese für das Unternehmen nachhaltig sinnvoll sind oder nicht. Ich bin selber ein Mensch, der nur ungern auf jemanden trifft, der mir sagt, was zu tun ist. Ich steuere gerne selber – und gebe diesen Raum auch meinen Mitarbeitern.

Haben Sie für diesen Führungsstil einen Mentor oder eine Mentorin gehabt?
Es ist eher die Summe aus Beobachtungen. Ich hatte als Schülerin den Wunsch, Apothekerin zu werden, und habe eine entsprechende Ausbildung absolviert. Doch dann habe ich mir diesen Beruf sehr genau angeschaut und entdeckt, dass mir in allen Jobs für Apothekerinnen ohne Approbation die Vielfalt fehlte, die ich mir schon immer für meinen Beruf gewünscht hatte. Ich konnte mir zum Beispiel nicht vorstellen, in einem Krankenhaus zu arbeiten – das war mir zu behördlich. Und als angestellte Apothekerin wollte ich auch nicht arbeiten. Daher habe ich eine Karriere mit der Option gestartet, mithilfe meines pharmazeutischen Fachwissens auch unternehmerisch tätig zu sein.

Vermissen Sie die Arbeit in den Laboren, das Experimentieren und Zusammenmischen?
Nein, gar nicht, denn das Potenzial, experimentieren zu dürfen, ist hier im Unternehmen größer als in jedem Labor. Was ich hier täglich erleben darf, ersetzt problemlos die Freude, die ich während des Studiums an der Laborarbeit hatte.

Zum Unternehmen

Prof. Götz W. Werner – Sohn einer Drogistenfamilie – gründete 1973 in Karlsruhe seinen ersten eigenen Drogeriemarkt. Kurz nach der Aufhebung der Preisbindung für Drogerieprodukte setzte er dabei auf das Discounterprinzip: günstige Preise und Selbstbedienung. Heute gibt es in Deutschland mehr als 1200 dm-Filialen; das Unternehmen betreibt zudem Märkte in Mittel- und Südosteuropa.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2009/10 erzielte das Unternehmen in Deutschland mehr als vier Milliarden Euro Umsatz, europaweit lag der Umsatz bei mehr als 5,5 Milliarden Euro. Das Unternehmen hat insgesamt rund 23.000 Mitarbeiter, davon sind rund 1100 in der Zentrale in Karlsruhe angestellt. Gründer Götz Werner ist seit vielen Jahren auch politisch und sozial engagiert und gehört zu den Verfechtern eines bedingungslosen Grundeinkommens.