Interview mit Michael M. Rüdiger

Vorstandsvorsitzender der Credit Suisse Deutschland AG

Michael M. Rüdiger, Foto: Credit Suisse Deutschland
Michael M. Rüdiger, Foto: Credit Suisse Deutschland

„Die wichtigsten Befähigungen, die ein erfolgreicher Mitarbeiter im Privatbank-Geschäft braucht, sind neben einem exzellenten Fachwissen eine sehr gute Allgemeinbildung gepaart mit Wissensdurst.“ Von Martin Rath

Wenn Sie auf das Jahr 1989 zurückblicken, als Sie nach Banklehre und BWLStudium Ihre Karriere begannen: Welche Veränderungen in der Welt der Banken und Finanzdienstleistungen schnitten am stärksten ein, welche begrüßen Sie?
Die wohl massivsten Veränderungen, die nicht nur die Banken und Finanzdienstleister, sondern die Unternehmen insgesamt betroffen haben, sind aus meiner Sicht die zunehmende Entkoppelung von Finanz- und Handelsströmen, die durch die Deregulierung und Digitalisierung entstehen. Wissen ist weltweit mehr und mehr „real time“ verfügbar, der so genannte „death of distance“-Effekt wird enorme Bedeutung auch für die Finanzinstitute haben.

Was würden Sie persönlich – rückblickend – heute anders machen, was genauso wie am Beginn Ihrer Karriere?
Es gibt nicht allzu viel, was ich wirklich ändern würde – dies insbesondere auch unter der Würdigung, dass eine Laufbahn nur bedingt planbar ist. Man sollte analog zur angestrebten Laufbahn für sich die besten planbaren Voraussetzungen herausfinden und umsetzen.
Um diese Voraussetzungen zu schaffen, würde ich auch heute wieder eine Kombination aus universitärer Ausbildung und beruflicher Lehre wählen. Diese Kombination bietet ein gutes kaufmännisches Grundverständnis und gibt das richtige Handwerkszeug mit auf den Weg.

Und was sollten sich heutige Hochschulabsolventen – bezogen auf Ihren Karrierestart – von Ihnen abgucken?
Ich glaube, dass es eine grundsätzlich sinnvolle Regel ist, die Ausbildungsphase zeitlich nicht allzu sehr zu strecken. Das Studium sollte man innerhalb von vier Jahren abschließen.
Die berufliche Tätigkeit nach dem Studium zügig aufzunehmen, ist insbesondere wegen des internationalen Wettbewerbs sehr angezeigt.

Die Credit Suisse verspricht ihren Kunden ein „best select“ für ihre Portfolios. Was müssen Hochschulabsolventen mitbringen, damit Ihr Personalportfolio „best selected“ ist?
Ein sehr gutes Verständnis und einen hohen Praxisbezug zu unserem Hauptprodukt: Die Beratung von Privatiers, Entrepreneurs, vermögenden Familien ist von elementarer Bedeutung.
Diese Beratung muss auf einem guten Wissensfundament aufbauen, was die Finanz- beziehungsweise Kapitalmärkte und die sonstigen Vermögensklassen unserer Kunden betrifft, zum Beispiel Private-Equity-Beteiligungen. „Best select“ im Sinne von Rekrutierungskriterien heißt für uns aber auch, dass die Bewerber über ein entsprechendes Persönlichkeitsprofil verfügen, das sie befähigt, mit unseren Kunden den Dialog zu führen.
Dieser Dialog entfacht sich im Übrigen bei weitem nicht nur an Fragen der Finanzmärkte.
Es sind andere Themen, die den Menschen stark bewegen – diese Themen lassen sich schwerlich eingrenzen und machen unsere Aufgabe hoch interessant.

Das „Manager Magazin“ schrieb, Ihr Haus konzentriere sich „auf die Reichen der Reichen“. Ist das eine zutreffende Beschreibung, wenn ja, ergeben sich für Ihre Mitarbeiter daraus besondere Anforderungen?
Banken waren bisher in der Regel nicht allzu erfolgreich, wenn es um die öffentliche Kommunikation der Definition von „Zielkunden“ ging. Wir sprechen von „vermögenden Privatkunden“, deren Vertrauen wir für die Credit Suisse gewinnen möchten. Die Zielgruppe im Private Banking wird aber neben einer strategischen Ausrichtung der Bank sehr stark durch die Mitarbeiter der Bank und insbesondere die Kundenberater geprägt. Hier spielt neben der Fachkompetenz auch das soziokulturelle Umfeld der Mitarbeiter eine wesentliche Rolle. Die wichtigsten Befähigungen, die ein erfolgreicher Mitarbeiter im Privatbank-Geschäft braucht, sind neben einem exzellenten Fachwissen eine sehr gute Allgemeinbildung gepaart mit Wissensdurst.

Neben Ihrem Beruf kommen zahlreiche gesellschaftliche Verpflichtungen auf Sie zu – Ihre Bank fördert unter anderem Reitsport- und Tennisveranstaltungen, die Lebensmittelversorgung sozial Bedürftiger durch die „Tafeln“ und die Sangeskunst der Münchener Konzertgesellschaft. Sitzen Sie dabei auch einmal selbst im Sattel, schwingen Tennisschläger oder Suppenkelle?
Das Sponsoring-Engagement unserer Bank ist in der Tat auf mehrere Spektren ausgerichtet,zum Beispiel die Bereiche Charity, Sport, Kunst, Musik, Classic Cars. Wir haben dabei immer klare Kriterien, nach denen wir definieren, wann und wo wir uns engagieren. Um ein Engagement glaubwürdig vertreten zu können, müssen die beteiligten Unternehmensvertreter auch persönlich involviert sein – nur durch eine so erzeugte Authentizität, glauben wir, kann man erfolgreich in einem entsprechenden Umfeld agieren. Da unser Management-Team auch in dieser Hinsicht vorbildlich ist, hält sich meine persönliche „Risikoposition“ ein wenig in Grenzen.

Was können Führungskräfte in Deutschland tun, um wieder eine bessere Presse zu bekommen?
In der Vergangenheit war es für einen Manager eine „gute Presse“, wenn er erst gar nicht in der Presse erschien. Ich glaube, dass dieses Prinzip in unserer – doch so enorm auf die Massenmedien ausgerichteten – Gesellschaft kaum noch aufrecht erhalten werden kann. Eine pro-aktive, glaubwürdige Kommunikationspolitik ist daher aus meiner Sicht durchaus angezeigt. Das heißt aber keinesfalls, dass man sich allen Spielregeln der Medien unterwerfen sollte.

Was halten Sie von dem Niveau, auf dem in der deutschen Öffentlichkeit im Allgemeinen über Wirtschaftsfragen diskutiert wird?
Wie sonst auch, sollte man bei der Antwort auf diese Frage nicht pauschalisieren. Ich glaube, dass durchaus eine strenge Korrelation zwischen dem Niveau der Aussagen und dem der Kenntnisse über wirtschaftliche Zusammenhänge auf Seiten der Absender öffentlicher Stellungnahmen zu erkennen ist.

Zum Schluss gefragt: Angenommen, Ihr Dienstwagen fiele auf der Fahrt zu einem Geschäftspartner durch einen Motorschaden aus und Sie könnten nur noch auf einen VW Golf oder einen Maserati Gransport zurückgreifen – mit welchem Auto würden Sie anreisen?
Die Wahl ist einfach – der Golf war mein erster Pkw, er hat mich jahrelang gut begleitet. Ich denke, der Gransport müsste da zurückbleiben.

Schweizer Wertarbeit

Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Beruf weit ab von einer Tätigkeit im Finanzsektor – welcher wäre das?
Schriftsteller.
Was ist Ihr Hauptcharakterzug?
Beharrlichkeit.
Welche Eigenschaften schätzen Sie?
Zuverlässigkeit.
Was ist Ihr größter Vorzug?
Derjenige, hierzu keine Antwort zu geben.
Was ist Ihnen sehr unangenehm?
Von Zusagen abweichen zu müssen.
Was dulden Sie auf keinen Fall?
Bewusste Fehlinformation.
Was entschuldigen Sie sofort?
Fehler, die unbewusst, in bester Absicht geschehen.
Gibt es etwas, was Sie unter allen Umständen auf eine Reise mitnehmen würden?
Mobiltelefon.
Wo möchten Sie leben – wenn nicht da, wo Sie jetzt sind?
An einem Ort mit deutlich niedrigerem Grenzsteuersatz.
Wo ist Ihre Grenze?
Dort, wo meine Wertprinzipien verletzt werden könnten.
Wo tanken Sie auf?
Im Sattel eines kräftig motorisierten Zweirades.
Was war Ihr größter Flop?
…da gäbe es einiges zu berichten – mein Ziel ist es aber, Fehler nicht zu wiederholen und bei Erkennen konsequent zu korrigieren.
Was möchten Sie in fünf Jahren tun?
Das Bankgeschäft ist und bleibt meine berufliche Leidenschaft.
Haben Sie ein Motto?
Carpe diem.