Interview mit Matthias Schranner

Der Taktiker

Einst verhandelte er als Polizeibeamter mit Drogendealern, Bankräubern und Geiselnehmern. Heute trainiert Matthias Schranner weltweit Führungskräfte namhafter Unternehmen und schreibt Bücher zum Thema Verhandeln. Im karriereführer spricht er über die richtige Vorbereitung von Verhandlungen, die häufigsten Fehler und die Faktoren Druck und Macht. Die Fragen stellte Christoph Berger.

Zur Person Matthias Schranner

Vor seiner heutigen Tätigkeit war Matthias Schranner vor allem in zwielichtigen und kriminellen Milieus unterwegs. Allerdings stand er immer auf der Seite der und des Guten. In den Verhandlungen ging es zum Beispiel um die Befreiung von Geiseln oder um wichtige Informationen aus der Drogenszene – manches Mal sogar um Leben und Tod. Nach seinem Studium zum Verwaltungsjuristen trainierte er Führungskräfte am Fortbildungsinstitut des Innenministeriums für eine erfolgreiche Verhandlungsführung. In einer Spezialeinsatzgruppe war er für die schwierigsten Verhandlungen sowie für die Betreuung von Verbrechensopfern verantwortlich.
Heute trainiert Schranner die Führungskräfte namhafter Unternehmen wie BMW, Nokia, Microsoft, SAP und das Wirtschaftsförderungsinstitut Italien. Er ist Autor der Bücher „Verhandeln im Grenzbereich“ und „Der Verhandlungsführer“ und Verfasser zahlreicher Publikationen.
Matthias Schranner ist Gründer und Inhaber des Schranner Negotiation Institutes in St. Gallen/Schweiz, Referent an der Universität St. Gallen und Beirat am „Center for Strategic Negotiations“ der WHU Vallendar/Koblenz.

Wie müsste ich vorgehen, wenn ich Sie von etwas überzeugen wollte?
Sie haben keine Chance. Wenn ich es nicht möchte, können Sie mir keinen Grund liefern, mich von etwas zu überzeugen.

Ist verhandeln gleichzusetzen mit verkaufen?
Nein, es handelt sich hierbei um zwei unterschiedliche Dinge. Verkaufen hat nur eine Zielrichtung: Es wird etwas entwickelt und positioniert. Dann versucht man, es zu verkaufen. Verhandeln hingegen ist ein Prozess. In dem heißt es, eine Strategie zu entwickeln.

Wie bereiten Sie sich auf Verhandlungen vor?
Ich setze mir ein ganz klares Ziel, auch ein Minimalziel, das ich erreichen möchte. Außerdem sammle ich alle Informationen, die ich nur erhalten kann. Anhand dieser Punkte entwickle ich dann eine Strategie, die ich in der eigentlichen Verhandlung dann niemals verlasse.

Auf was kommt es in erfolgreichen Verhandlungen an?
Es kommt auf die klare Zielsetzung an. Das Motto heißt: Strategie statt Intuition. Außerdem überlege ich mir taktische Schritte innerhalb meiner Strategie. Es geht in Verhandlungen auch darum, immer agieren zu können und nicht reagieren zu müssen. Man darf das Heft niemals aus der Hand legen, sondern muss immer Herr der Lage sein, selbst bestimmen können und sich niemals der Strategie des Gegenübers hingeben.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Fehler in Verhandlungs- und Verkaufsgesprächen?
Ein häufiger Fehler ist, dass eine Seite nur reagiert und nicht agiert. Dazu zählt auch, dass sowohl zu starkes Zurückweichen als auch zu starkes Angreifen falsch ist – insofern sie nicht als taktisches Element im Vorfeld der Verhandlung geplant sind. Doch dies ist leider selten der Fall. Weitere Fehler sind, dass der Verkäufer das Thema nur auf eine Nutzenargumentation aufbaut, ohne die Bedürfnisse des Gegenübers im Blick zu haben. Die falsche Aufstellung des Teams, das für die Durchführung der Verhandlung verantwortlich ist, ist ein weiterer Fehler. Das Anbieten eines Kompromisses ist übrigens immer falsch.

Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Bewerbungsgespräch? Wie sollte man reagieren, wenn man in einer Verhandlung unter Druck gerät?
Tun sie nichts dagegen. Sobald sie auf den Druck des Gegenübers reagieren, geraten sie in die schwächere Position, sie reagieren und nehmen die Strategie des Gegenübers an. Fahren sie weiter ihre eigene Strategie.

Sind Sie schon einmal mit negativen Gefühlen aus Verhandlungen gegangen?
Ja.

Woran lag das?
Ich merkte, dass ich mein Ziel nicht erreichen kann, weil mir eine wichtige Information gefehlt hat.

Sie schreiben in einem Artikel über so genannte Win-Win-Situationen und vergleichen dies mit der Situation „Suicide by Cop“. In einem solchen Fall lässt sich ein Bankräuber von der Polizei erschießen, weil er keinen Ausweg mehr sieht. Warum ist es so wichtig, dass beide Seiten von dem Ergebnis etwas haben?
Am Ende einer Verhandlung gibt es immer einen Sieger und einen Verlierer. Eine wirklich ausgeglichene Win-Win- Situation wäre schön, ist aber Sozialromantik. Es gibt aber eine gefühlte Win- Win-Situation, die gilt es zu erreichen.

Sie plädieren dafür, dem Gegenüber viele Alternativen bereitzustellen und sich bei der Wortwahl durch die Verwendung von Konjunktiven nicht genau festzulegen. Ist das der richtige Weg, ans gewünschte Ziel zu kommen?
Alternativen sind sehr wichtig, gerade zu Beginn von Verhandlungen. Konkret dürfen die Dinge erst festgesetzt werden, wenn wirklich alle Informationen auf dem Tisch liegen.

Gibt es in Verhandlungen überhaupt die Möglichkeit, sein Ziel hundertprozentig zu erreichen?
Erreiche ich mein Ziel zu hundert Prozent, dann heißt das, dass ich es zu niedrig angesetzt habe.

Schranner Seminare

Der Lehrgang „Certified Global Negotiator (CGN-HSG)“ wird von der Uni St.Gallen zusammen mit dem Schranner Negotiation Institute durchgeführt.

Verhandeln hat auch immer mit Macht zu tun. Welche Dinge gibt es in diesem Zusammenhang zu beachten?
Man kann erstens seine Macht überschätzen, dann gerät man leicht in die Situation, unvorsichtig zu werden. Außerdem weiß man nicht, welche Informationen der Verhandlungspartner hat. Und im Gegensatz dazu, kann man seine Macht unterschätzen. Dabei bekommt man schnell das Gefühl, nachgeben zu müssen.

Der Vertriebsmitarbeiter steht oft zwischen zwei Stühlen. Zum einen will er zu möglichst guten Konditionen verkaufen, zum anderen muss er womöglich dem Kunden weit entgegenkommen. Wie kann er dieses Dilemma lösen?
Man muss sich von der Vorstellung befreien, dass der Kunde König ist. So kommt man zu nichts. Der Kunde ist Partner, so lautet die Prämisse. Beide Seiten verhandeln auf Augenhöhe und müssen am Ende mit der Übereinkunft und dem Ergebnis zufrieden sein. Außerdem sollte es niemals das Ziel sein, den Kunden um jeden Preis zu halten.

Was raten Sie Absolventen, die sich fit für eine Vertriebsstelle machen wollen?
Ich rate ihnen, so viel wie möglich zu lernen, vor allem von den erfahrenen Mitarbeitern. Sie sollten auf viele Verkaufsverhandlungen mitgehen, Fragen stellen und vor allem beobachten, wie geschicktes Verhandeln genau funktioniert.

Sie verhandelten als Polizeibeamter mit Drogendealern, Bankräubern und Geiselnehmern. Was konnten Sie aus dieser Arbeit für Ihre heutige Tätigkeit als Berater und Verhandlungsführer mitnehmen?
Vor allem konnte ich den Umgang mit Stress in Verhandlungen lernen. Ich habe gelernt, nicht mit Druck auf Druck zu reagieren, sondern mit Besonnenheit und Überlegungen eine Überlegenheit zu erzielen.

Zum Unternehmen

Das von Matthias Schranner gegründete Schranner Negotiation Institute in St. Gallen ist auf Verhandlungen in Extremsituation und Schulungen spezialisiert. Analysiert werden etwa die Ziele von Unternehmen. Daraufhin erhalten Führungskräfte Schulungen, um erfolgreich auf diese Ziele hinzuarbeiten. Angeboten wird auch Ghost Negotiation, die Unterstützung von Verhandlungen im Hintergrund, ohne selbst in Erscheinung zu treten. Nach einer Untersuchung der Kundenstrategie wird auch die des Gegners genau unter die Lupe genommen. Aus allen Informationen werden daraufhin die notwendigen Schritte für den Kunden abgeleitet, um erfolgreich aus der Verhandlung hinauszugehen.

Mit all diesen Kompetenzen im Angebot gliedert sich das Institut in vier Geschäftsbereiche: Public Training, Corporate Training, Ghost Negotiation, Negotiation Research. In allen Seminaren und Konferenzen steht immer die Strategie und Taktik während Verhandlungen im Mittelpunkt – von den unterschiedlichsten Perspektiven aus betrachtet und mit immer wieder neuen Schwerpunkten. Im Mai wird es bei der Veranstaltung „N-Forum, Verhandeln der Zukunft – Sales“ um das Verhandeln im Verkauf gehen.