Interview mit Luis Praxmarer

Im globalen Galopp

Luis Praxmarer, Foto: Meta Group
Luis Praxmarer, Foto: Meta Group

Rancher und Meinungsmacher zugleich ist Luis Praxmarer, Senior Vice President sowie Consulting Director East and Middle East bei der Meta Group. Und er sitzt fest im Sattel: Egal ob er als Marktanalyst und Berater im Mittleren Osten Mentalitäten und Kulturen vergleicht oder als Rancher in Colorado seine Pferde ausreitet. Von Ina Hönicke

Herr Praxmarer, die USA ist Ihre zweite Heimat, Sie arbeiten unter anderem in Dubai, Ägypten und Indien, haben außerdem viele Jahre in Europa verbracht. Was fasziniert Sie an diesem Leben als „Globetrotter“?
Mich fasziniert, jeden Tag etwas Neues zu sehen und zu lernen, keinen Stillstand zu haben und ständig die Aufbruchstimmung zu spüren. Als Researcher stelle ich für Best Practice-Erfahrungen gerne Vergleiche an. Ich sage immer, wenn Sie Weitblick haben wollen, dann sollten Sie nicht in den Spiegel schauen.

Sie sind seit vielen Jahren Topmanager bei der Meta Group. Welche Stationen Ihres Bildungsweges waren für Ihre heutige Tätigkeit von besonderem Gewicht?
Digital Equipment war besonders wichtig. Ich habe dort zirka 500 Tage (also 4000 Stunden) professionelles Training bekommen – und zwar in den unterschiedlichsten Themengebieten. Darüber hinaus bin ich bei der Meta Group in nahezu allen Bereichen tätig gewesen – angefangen vom Service, Ausbildungsbereich, Vertrieb, Marketing und Engineering bis hin zum Management. Lebenslanges Training und Erfahrung auf möglichst vielen Gebieten ist bei der Halbwertszeit des IT-Wissens absolut notwendig.

Was würden Sie auf Ihrem Karriereweg heute wieder genauso machen?
Mein Studium schnell abschließen, früh ins Berufsleben einsteigen – und zwar bei einem international ausgerichteten Unternehmen – und kontinuierlich weiterlernen.

Sie haben in den letzten Jahren erlebt, wie die IT-Arbeitswelt aus den Fugen geraten ist. Kann man jungen Leuten überhaupt noch empfehlen, sich für einen High-Tech-Job zu entscheiden?
Die Aufs und Abs sind normale Marktbewegungen und nichts Außergewöhnliches. Als ich 1979 nach Deutschland gekommen bin, war der Markt ebenfalls scheinbar übersättigt. Ende der 80er-Jahre hat man dann auch in den USA von einer IT-Sättigung gesprochen.
Ja, ich empfehle jungen Leuten weiterhin, sich für einen High-Tech-Job zu entscheiden. Die Euphorie ist zwar vorüber, aber die Informationstechnologie ist letztlich aus keinem Bereich mehr wegzudenken. Das macht die Auswahl leichter.

Was raten Sie Berufseinsteigern? Wie können sie sich auf die Anforderungen der Globalisierung einstellen?
Durch Sprache, Offenheit, Flexibilität, Umgang mit anderen Kulturen und Teamgeist. Ganz wichtig ist zudem die Fähigkeit, unter Stress arbeiten zu können und auch zu wollen, schnell reagieren und Essenzen herausholen zu können. Das Studium ist nur eine intellektuelle Basis – aber für die Karriere sind die eben erwähnten Fähigkeiten entscheidend. Darüber hinaus ist es für Hochschulabsolventen wichtig zu lernen, sich und die eigene Meinung präsentieren zu können. Die Meta Group sucht hier zu Lande seit Jahren vergebens nach Marktanalysten. Analytisch denkende Absolventen zu finden, ist kein Problem – aber es fehlt die Repräsentanz und Überzeugungskraft. Hierin sind die Engländer und Amerikaner den Deutschen weit überlegen.
Noch ein Tipp: Hochschulabsolventen sollten Berufserfahrungen sammeln, bevor es richtig losgeht – also Praktikantenstellen annehmen.

Sie sind Marktanalyst und gelten in der Branche als Meinungsmacher. In welchen Bereichen der IT liegt Ihrer Meinung nach Zukunftspotenzial?
Nach einer Fokussierung auf der Kostenseite ist das Zukunftspotenzial jetzt wiederum stark auf dem Gebiet der Innovationen zu finden. Aber nicht nur bei technologischen Innovationen wie Wireless beziehungsweise Mobilität, Sprache, RFID, On Demand sondern besonders stark auch bei Prozessinnovationen, Service und „Paketierung“. Kurz: In den Bereichen Innovation, Integration, Vernetzung und Globalisierung.

Was müsste Ihrer Meinung nach getan werden, um den IT-Karren wieder anzuschieben?
In vielen Ländern läuft es ganz gut. Der Abhängigkeit von der Gesamtwirtschaft kann man nicht mehr entkommen, und das ist die Herausforderung in Deutschland. Aber auch eine kreativere und innovativere Betrachtung der Prozessketten und globalen Vernetzung bietet große Vorteile für die Unternehmen. Für die Umsetzung indes sind sowohl gute technische als auch betriebswirtschaftliche Fähigkeiten und ausgezeichnete Marktkenntnisse erforderlich.

Sie sind mit Ihrer Meinung so manches Mal angeeckt. Beispielsweise haben Sie im Beratungsbereich immer wieder vor dem blinden Nachlaufen von Trendmeinungen gewarnt und für mehr eigene Kompetenz plädiert. Fühlen Sie sich in vielem bestätigt?
Ja, natürlich sieht man sich in vielem bestätigt. Aber als Teil des gesamten Ecosystems reicht es nicht nur, Recht zu haben, sondern man muss Dinge auch verändern. Die Warnungen zur Euphorie im Bereich Neuer Markt, zu den fehlenden „Killer Application“ im UMTS Umfeld und zum Standort Deutschland wurden von vielen nicht ernst genommen. Zu einem guten Berater und insbesondere Analysten gehört auch das Hinterfragen von Trends und Meinungen, um sich eine eigene bilden zu können. Man kann nie jemanden überholen, wenn man nur in dessen Fußstapfen tritt. Es gehört Mut dazu, eigene und neue Wege einzuschlagen. Und wir brauchen in Deutschland mehr Mut und Freude am Tun.

Sie haben der deutschen Bildungspolitik des Öfteren vorgeworfen, ungeachtet der weltweiten Veränderungen an veralteten Konzepten festzuhalten. Die Ergebnisse der letzten Jahre scheinen Ihnen Recht zu geben. Glauben Sie an politische Einsichten?
Politische Einsicht setzt sich aus Politik und einer Sicht zusammen. Sehen und Wahrnehmen ist der Beginn, aber jetzt muss gehandelt werden. Die wichtigste Priorität vieler Politiker ist die Politik. Da ist es erfrischend zu sehen, dass in anderen Ländern viele Ministerien mit unpolitischen, dafür aber fähigen Experten besetzt werden.

Sie sind in wichtige Gremien berufen worden und entscheiden unter anderem mit, wer in die „Who´s Who-Liste“ aufgenommen wird. In welchen Bereichen nutzen Sie Ihre Einflussnahme?
In keinem. Ich bin, soweit dies geht, unpolitisch und glaube an den Wert guter Empfehlungen und Strategien. Wer diese haben will, soll sie kaufen. Beziehungen ermöglichen Gespräche, aber ich halte nichts davon, diese auszunutzen. Natürlich freut man sich, wenn Einzelpersonen für erstklassige Leistungen honoriert werden. Das verbessert den Standort und die Wettbewerbsfähigkeit und bringt uns weiter.

Sie arbeiten gerade in Dubai, Ihre Familie lebt in Deutschland. Ist das die Flexibilität und Mobilität, auf die sich Hochschulabsolventen einstellen müssen?
Nicht jeder muss oder will ins Ausland. Aber es ist trotzdem schockierend zu sehen, wie schwach Deutschland international im Vergleich zu seiner Größe und wirtschaftlichen Bedeutung vertreten ist. Der Großteil der Mitarbeiter lehnt Auslandseinsätze ab. Obwohl sie hervorragende Sprungbretter für die Karriere sind und eine sehr interessante und reichhaltige Lebenserfahrung ermöglichen. Ein gutes Beispiel ist Dubai mit einem Ausländeranteil von rund 80 Prozent. Hier ist jedes Projekt multikulturell. Amerikaner aber auch Europäer, die hier tätig waren, brauchen keine Angst mehr vor fremden Kulturen und mentalen Unterschieden zu haben. Sie haben hier ihr multikulturelles Fitnessprogramm hinter sich gebracht.

Was tun Sie, wenn Sie mal richtig abschalten wollen?
Am besten kann ich abschalten, wenn ich reite oder in den Bergen wandere. Natürlich lese ich auch sehr viel und gerne. Und ein schönes Abendessen mit Freunden mit Diskussionen und Spaß ist immer wieder eine traumhafte Möglichkeit, die Zeit und alles darum zu vergessen.

Der IT-Macher

Luis Praxmarer ist Senior Vice President & Consulting Director EMEA.
Er ist anerkannter Experte für den Einsatz neuer Informationstechnologien und zukünftiger Trends des weltweiten IT-Marktes. Insbesondere beschäftigt er sich mit den Themen Innovationsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der IT als Beitrag zum Unternehmenserfolg. Die Computerwoche zählt ihn zu den „100 IT-Machern 2002“.
Vor seiner Gründung der META Group Deutschland GmbH 1994 war Luis Praxmarer in den USA bei Digital Equipment unter anderem als Vertriebsleiter und Corporate Marketing Manager tätig.