Interview mit Kristina Flügel

Die rationale Entscheiderin

Kristina Flügel, Foto: Deutsche Bank
Kristina Flügel, Foto: Deutsche Bank

Die rationale Entscheiderin. Als Leiterin der Bereiche Personalbetreuung und Resourcing bei der Deutschen Bank weiß Kristina Flügel sehr genau, was ein Finanzexperte heute leisten muss, um in einem großen Bankenkonzern Karriere machen zu können. Im Interview verrät sie ihre Strategie für große Karriereschritte und erklärt, warum Allgemeinbildung eine oft vernachlässigte, aber wichtige Kompetenz ist. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Kristina Flügel studierte von 1988 bis 1995 Betriebswirtschaftslehre, Anglistik und Italianistik an den Universitäten in Gießen, dem schottischen Stirling sowie dem italienischen Verona. Im Laufe des Studiums absolvierte sie zudem diverse Praktika im In- und Ausland. Ab 1995 arbeitete sie knapp zwei Jahre in Tokio als Deutschlehrerin am Goethe-Institut.

1997 stieg Kristina Flügel als Trainee bei der Deutschen Bank ein und arbeitete anschließend in verschiedenen Positionen im Bereich Human Resources, unter anderem als Recruiter, Personalbetreuerin und -entwicklerin, regionale Personalleiterin, HR Business Partner und Projektleiterin. Seit 2003 ist Kristina Flügel Leiterin Personalbetreuung/Resourcing Deutschland. In ihrer Freizeit ist sie sportlich aktiv und reist, wann immer es die Zeit erlaubt, nach Italien.

Frau Flügel, Sie begannen bei der Deutschen Bank 1997 als Trainee und arbeiten seitdem ununterbrochen für das Unternehmen. Was ist der Grund für diese Treue?
Dafür gibt es viele Gründe. Ganz wichtig für meine Arbeitszufriedenheit in den vergangenen 14 Jahren war, dass mir bereits sehr früh Verantwortung übertragen wurde, schon während meiner Traineezeit. Mindestens genauso entscheidend ist, dass im Laufe der Jahre immer wieder neue und spannende Aufgaben und Projekte auf meinen Tisch kamen. Ich konnte und kann mir auf diesem Weg neue Themen erarbeiten und eigene Ideen einbringen.

Verantwortung zu tragen ist nicht immer einfach. Haben Sie diesen Aspekt immer positiv wahrgenommen?
Grundsätzlich ja, aber natürlich gab es auch Situationen, als ich bei einem Karriereschritt mit neuer Führungsverantwortung dachte: Du meine Güte, das ist aber ein ganz schön dickes Brett, das du hier zu bohren hast. Letztlich haben aber immer die positiven Einflüsse des Umfelds überwogen, sodass ich mich nie überfordert fühlte.

Welche Einflüsse meinen Sie konkret?
Ich wusste, dass mich im Unternehmen meine jeweilige Führungskraft unterstützen wird. Wichtig für mich war auch, dass schon bei der Vorbereitung auf den neuen Job Personen – etwa ein Mentor – mit Rat und Tat zur Stelle waren. Bei Bedarf kommt auch ein Coach zum Einsatz.

Was ist Ihre persönliche Strategie, wenn Sie sich auf Karriereschritte vorbereiten?
Ich bin ein sehr rationaler Mensch. Wenn ich im Beruf eine Chance ergreife, schaue ich mir vorher genau an, auf welche neue Aufgabe ich treffen werde, welche Erwartungen in mich gesetzt werden und welche Ziele ich erreichen muss. Wenn Sie so wollen, spiele ich eine Auftragsklärung durch, wie man sie aus dem Projektmanagement kennt. In meiner Karriere gab es durchaus Momente, in denen ich zu dem Schluss kam, dass eine neue Aufgabe noch zu früh kommt, weil ich mit meiner alten Verantwortung noch nicht abgeschlossen hatte.

Als Leiterin Resourcing Deutschland sind Sie heute verantwortlich dafür, dass Einsteiger einen ähnlich guten Start wie Sie erleben. Welche Maßnahmen helfen dabei?
Neue Mitarbeiter, die bei uns als Trainees einsteigen, werden in den ersten zwölf Monaten intensiv im Haus eingeführt und begleitet. Ein wichtiger Baustein des Einstiegs ist unser sogenanntes „Global Induction Program“ in London, bei dem Einsteiger aus allen Ländern die Bank und ihre Produkte kennenlernen. Auf dem Programm stehen aber auch ein Tag, an dem sich die Einsteiger gemeinsam bei einem sozialen Projekt engagieren, sowie das Kennenlernen anderer Trainees und Mitarbeiter. Wir stellen fest, dass aus diesen Kontakten für die Einsteiger im Laufe ihrer Karriere ein verlässliches Netzwerk wächst. Zurück im jeweiligen Land durchlaufen die Trainees dann ein Rotationsprogramm, in dessen Verlauf sie noch einmal unterschiedliche Felder ihres Arbeitsbereichs kennenlernen, bevor sie schließlich ihre erste Platzierung in der Deutschen Bank bekommen.

Welche Eigenschaften muss ein Einsteiger für eine Karriere bei Ihnen mitbringen?
Sie oder er muss nicht nur leistungsbereit sein, sondern auch Spaß an der Arbeit im Team haben. Das ist unerlässlich, und zwar in allen Bereichen – vom Privatkundengeschäft bis zum Investmentbanking. In einem Unternehmen wie dem unseren kann der Einzelne – wie gut er auch sein mag – heute nur noch bedingt erfolgreich sein. Wer denkt, wir ließen uns besonders von Einzelkämpfern überzeugen, die ihre Ellenbogen ausfahren, liegt falsch, denn erfolgreich gearbeitet wird eigentlich immer in Teams – mal in einem Raum, mal grenzüberschreitend oder sogar weltumspannend mit modernen Kommunikationsmitteln. Zudem muss jeder Einsteiger zu unserer Unternehmenskultur passen. Wir haben bei uns aktuell den Slogan „Agile minds see more“ – auf Deutsch: Ein wacher Verstand sieht mehr. Meine These ist: Bei uns haben diejenigen Menschen nachhaltigen Erfolg, die immer wieder Interesse für Neues zeigen und über den Tellerrand hinausschauen. Und zwar nicht, weil man es ihnen aus Karrieregründen nahelegt, sondern aus eigenem Antrieb.

Um die Besten der Besten zu rekrutieren, führen Sie Talente schon während des Studiums oder sogar schon in der Schulzeit an Ihr Haus heran. Hat man als ambitionierter Absolvent, der bislang noch keinen Kontakt zu Ihnen hatte, überhaupt noch Chancen?
Unbedingt. Wir lassen keine Möglichkeit aus, um hervorragende neue Mitarbeiter zu gewinnen. Auch wer sich ohne vorherige Erfahrungen in unserem Haus bewirbt und uns überzeugt, wird zu Vorstellungsgesprächen oder Auswahltagen eingeladen.

Neben den fachlichen Qualifikationen: Welche Skills werden in Ihren Augen immer wichtiger, um Sie zu überzeugen?
Neben der Internationalität und einer Affinität zu IT und den neuen Medien gehört in meinen Augen eine gute Allgemeinbildung dazu. Das wird häufig unterschätzt, und längst nicht jeder bringt sie in gewünschtem Maße mit.

Ganz banal gefragt: Warum reicht es nicht aus, wenn man ein Experte auf seinem Fachgebiet ist?
Weil nur der seine Kunden wirklich versteht, der sein betriebswirtschaftliches Wissen in ein breites Verständnis von Politik, Wirtschaft und auch Kultur einbetten kann. Ein Beratungsgespräch zum Beispiel zur Wertpapieranlage kann heute nicht geführt werden, ohne auch über gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends zu reden. Das kann der Berater nur mit fundiertem Allgemeinwissen, zumal wenn ihm sehr vermögende und selber gut ausgebildete Kunden gegenübersitzen. Nicht zuletzt gehört zum Kundenkontakt eben auch Smalltalk, und den kann nur halten, wer auch bei Theater, Musik oder Literatur wenigstens ein bisschen mitreden kann.

Zum Abschluss: Welches oft gehegte Vorurteil über die Bankenbranche ist in Ihren Augen völlig falsch?
Dass man in der Branche nur steife und konservative Menschen antrifft. Ich komme in meinem Job mit vielen Menschen aus dem Business in Kontakt und kann sagen: Es geht viel bunter zu, als man denkt.

Zum Unternehmen

Die Deutsche Bank ist eine weltweit aktive Investmentbank mit einem starken Privatkundengeschäft. Neben den Kernmärkten in Deutschland und Europa wächst die Bank verstärkt in Nordamerika, Asien und anderen Märkten. Sie hat in mehr als 3000 Niederlassungen in weltweit 74 Ländern mehr als 100.000 Mitarbeiter. Als Konzern gliedert sich die Bank in die Bereiche Corporate and Investment Bank, Private Clients and Asset Management sowie Corporate Investments.

Gegründet wurde die Deutsche Bank 1870. Seitdem entwickelte sie sich durch Fusionen und Übernahmen zu einer Groß- und Universalbank. Vorstandsvorsitzender ist seit 2002 Josef Ackermann. Im Jahr 2010 erwirtschaftete das Unternehmen – trotz der kostspieligen Übernahme der Postbank – einen Gewinn von 2,3 Milliarden Euro nach Steuern.

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