Interview mit Dr. Herbert Walter

Der Branchenkenner

Dr. Herbert Walter, Foto: Dresdner Bank
Dr. Herbert Walter, Foto: Dresdner Bank

Dr. Herbert Walters Laufbahn im Bankgeschäft gleicht einer Bilderbuchkarriere. Vom Trainee bei der Deutschen Bank stieg er bis an die Spitze der Dresdner Bank auf. Seit seinem Rücktritt von diesem Posten im Januar 2009 arbeitet Herbert Walter als Unternehmensberater für Mittelstand, Finanzdienstleister und Investoren. Im Interview fordert er von Banken und Beratern ein Umdenken und gibt Hinweise, wie auch im Umfeld der Finanzkrise eine Bilderbuchkarriere gelingen kann. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Dr. Herbert Walter, geboren am 10.08.1953 in Prien am Chiemsee, schloss 1971 seine Ausbildung zum Bankkaufmann ab, machte 1974 sein Abitur und studierte anschließend BWL in München. Seine Promotion legte er 1982 ab, nachdem er zuvor als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bankbetriebslehre und Finanzierung an der Universität München gearbeitet hatte. Ein Jahr später begann er seine Berufskarriere als Trainee bei der Deutschen Bank. Er war Direktionsassistent in der Münchener Filiale und von 1985 bis 1989 Referent des Vorstands Ulrich Cartellieri. Walter stieg 1989 in die Direktion der Bezirksfiliale Bochum auf. 1998 verantwortete man ihm die Leitung des Projekts Deutsche Bank 24 AG, der Zusammenführung des Filialgeschäfts der Deutschen Bank mit der Direktbank-Tochter Bank 24. Er war bis 2003 Vorstandssprecher der Deutschen Bank 24 und wechselte im März 2003 als Vorstandsvorsitzender zur Dresdner Bank.

Walter sanierte das unter Druck geratene Traditionshaus, bevor durch die Finanzkrise die Investmentbank-Tochter Dresdner Kleinwort riesige Verluste machte. Die Dresdner Bank wurde zum Kaufobjekt, im August 2008 schlug die Commerzbank zu. Im Januar 2009 trat Herbert Walter als Vorstandsvorsitzender zurück; im März 2009 verzichtete er auf die Abfindung in Höhe von 3,6 Millionen Euro, die ihm vertragsrechtlich zugestanden hätte. Seitdem ist er als freier Spitzenberater tätig und ist Mitglied im Aufsichtsrat der Lufthansa. Herbert Walter ist verheiratet, hat drei Kinder und ist in seiner freien Zeit ein leidenschaftlicher Rad- und Mountain-Bike-Fahrer.

Herr Walter, stimmt es, dass Sie eigentlich Journalist werden wollten?
Ich habe zumindest als Student und später in meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter als fester freier Mitarbeiter für zwei Zeitungen gearbeitet. Das hat mir viel Spaß gemacht, und ich habe in der Tat eine Zeit lang daran gedacht.

Gibt es eine Sache, die Journalisten und Banker gemeinsam haben?
Journalisten müssen beweglich sein, müssen die Strömungen der Zeit aufnehmen. In der Hinsicht muss der Bankmensch in ganz ähnlicher Weise unterwegs sein, weil auch bei ihm aus ganz verschiedenen Richtungen Informationen zusammenlaufen, die er dann zu interpretieren hat. Für beide Berufe benötigt man großes Interesse an allem, was um einen herum vorgeht.

Sie sind 1983 als Trainee in das Bankgeschäft eingestiegen. Lässt sich die Branche von damals noch mit der von heute vergleichen?
Im Grundansatz ist das Banking als Geschäftssystem heute nicht großartig anders als vor 30 oder auch 100 Jahren. Es geht immer darum, für Kunden Risiken zu managen. Festhalten muss man, dass Anfang der Achtzigerjahre der absolute Schwerpunkt der Banken im Kreditgeschäft lag. Das Wertpapiergeschäft war damals weit weniger entwickelt. Was sich bis heute geändert hat, ist die enorm gestiegene Komplexität des Angebots. Es gab eine regelrechte Explosion an Produkten – vor allem im Anlagebereich.

Hat diese Komplexität eine Vielzahl von Bankberatern überfordert?
Diese Komplexität war sicherlich neu; auf der anderen Seite hat der Bankberater die meisten Innovationen aber mundfertig serviert bekommen. Die Vor- und Nachteile eines Fonds sowie die dazu passende Kundenklientel hat die Vertriebssteuerung in einer einigermaßen übersichtlichen Art und Weise geliefert. Es ist grundsätzlich ja auch nicht schlecht, wenn die Alternativen bei der Geldanlage größer werden.

Klingt positiv, jedoch bekommen Bankberatungen heute miserable Noten. Die gesamte Finanzbranche steht im Fokus der Kritik. Was lief falsch?
Ich glaube schon, dass jeder Bankberater den Willen hat, ein Dienstleister für den Kunden zu sein. Gleichzeitig gibt es aber eben auch das Interesse seines Arbeitgebers. Diese beiden Interessen auszubalancieren, ist sicherlich eine anspruchsvolle Aufgabe, und sie gelingt in einem positiven Umfeld naturgemäß besser als in schlechten Zeiten.

Nun haben viele Menschen den Eindruck, der Bankberater lässt seine Kunden nicht nur im Regen stehen, sondern schickt sie sogar tiefer ins Unwetter hinein – ohne auf die Risiken hinzuweisen.
Wenn es um eine eindeutige Kommunikation von Risiken in der Geldanlage geht, sind zunächst einmal die Bankhäuser gefragt. Die Organisationen müssen von sich aus ein stärkeres Interesse haben, jedem Kunden ein einfaches Instrument an die Hand zu geben, damit er die Risiken seiner Anlage insgesamt abschätzen kann. So etwas ist kein Hexenwerk. Zur Steuerung von marktorientierten Geschäftsabteilungen gibt es ja bereits die Maßzahl des „value at risk“. So etwas Ähnliches muss es auch für Privatkunden geben. Die heutige Einteilung in Risikoklassen für einzelne Produkte reicht nicht.

Aber auch der Berater muss mitspielen.
Ja. Er muss sich bei allem, was er tut, immer bewusst sein, dass er das Geld des Kunden verwaltet und er primär dazu da ist, im Interesse des Kunden zu arbeiten. Das gilt besonders in den Momenten, in denen der Berater beim Kunden eine Unsicherheit in finanziellen Angelegenheiten bemerkt. In den vergangenen Jahren wurde zu oft die schnelle Rendite zum Thema gemacht. Die andere Seite der Medaille, ein mögliches künftiges Risiko, wurde eher verdrängt.

Hat denn ein junger Bankberater, der seinem Chef sagt, er setze auf langfristige und nachhaltige Beratung statt auf schnelle Abschlüsse, überhaupt eine Chance?
Eine Sorge muss er nicht haben: Instrumente, die auch diese langfristigen Erfolge sichtbar machen, sind vorhanden. Gut geführte Banken arbeiten heute mit Balanced Scorecards, die die verschiedenen Interessen ausbalancieren: die des Kunden, des Beraters und der Bank. Jedoch kommen wir ohne Frage aus einer Zeit, in der das kurzfristige Denken gesamtgesellschaftlich sehr ausgeprägt war und der schnelle Profit – beim Kunden wie bei der Bank – den größten Einfluss auf die Art der Geldanlage hatte. Da die Instrumente vorhanden sind, die verschiedenen Interessen auszutarieren, werden die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre dafür sorgen, dass das Kundeninteresse stärker in den Mittelpunkt rücken wird. Diese Entwicklung ist gut.

Den Preis dafür, das Interesse der Kunden nicht genügend beachtet zu haben, zahlt die Bankbranche mit einem enormen Imageverlust. Tut Ihnen das in der Seele weh?
Wenn man auf die Geschichte zurückblickt, hatte der Bankmann noch nie den allerbesten Ruf. Das hatte sich ein wenig geändert, als es in den Achtziger- und Neunzigerjahren neben den vielen Innovationen auf dem Finanzmarkt deutliches Wachstum zu verzeichnen gab. Die Geldanlagen der meisten Kunden zahlten sich aus – in solchen Zeiten ist es einfach, Banker zu sein. In den vergangenen zehn Jahren gab es jedoch zwei schwere Krisen, die beim Anleger einiges an Wert vernichtet haben. Dass in dieser Zeit der Berufsstand des Bankers kritischer beäugt wird, verwundert nicht. Die Branche muss jedoch ernsthaft darüber nachdenken, wie sie das in diesem Krisenjahrzehnt verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnt.

Wie schwierig ist es für einen jungen Finanzberater, selbstbewusst und motiviert Karriere zu machen?
Man darf eines nicht verkennen: Der Ruf der Banken in der Gesellschaft ist aktuell schlecht. Fragen Sie aber Menschen, wie sie mit dem, was ihr persönlicher Berater für sie tut, zufrieden sind, bekommen Sie auch viel Positives zu hören. Wer heute eine Karriere in dieser Branche beginnt, muss jedoch wissen, in welchem Umfeld er arbeiten wird. Er muss wissen, dass der Staat größeren Einfluss ausüben wird, dass es wieder mehr Regulierungen geben wird. Er muss wissen, dass er derzeit keinen großen Vertrauensvorschuss genießt. Doch er hat die Chance, dieses Vertrauen zu gewinnen, wenn er offen mit seinen Kunden redet, und – wenn die Bank ihm die Freiheit einräumt – dies auch zu tun.

Interview mit Dr. Herbert Walter als PDF ansehen