Interview mit Gaby-Luise Wüst

Die China-Begeisterte

Gaby-Luise Wüst, Foto: BMW
Gaby-Luise Wüst, Foto: BMW

Gaby-Luise Wüst hat China bereits als Trainee bei BMW kennen gelernt. Bis heute ist die Betriebswirtin fasziniert von der Aufbruchstimmung, die in der Bevölkerung eine ungeheure Energie freisetzt. Als General Manager betreut sie von Peking aus die Importeursmärkte Hongkong, Taiwan und Macau. Im karriereführer spricht sie über Pionierarbeit in Peking, kulturelle Besonderheiten und die Autovorlieben der Chinesen.

Zur Person

Gaby-Luise Wüst, geboren 1967 in Speyer/ Rhein, absolvierte an der European Business School in Oestrich-Winkel ein betriebswirtschaftliches Studium. Anschließend stieg sie über ein internationales Traineeprogramm beim Automobilhersteller BMW Group ein. Bereits in dieser Phase arbeitete sie neun Monate in Peking. Später betreute sie von München aus den asiatischen Markt im Bereich Sales & Marketing. Von 1998 bis 2001 war die Betriebswirtin verantwortlich für PR und Marketing der Niederlassung München. Danach zog es sie wieder in das internationale Geschäft, betreute zunächst die Importeursmärkte in Afrika und in der Karibik, bevor sie 2003 in China beim Aufbau des Joint Venture BMW Brilliance einstieg. Seit Anfang 2007 ist die 39-Jährige General Manager der Importeursmärkte Hongkong, Taiwan und Macau. Gaby-Luise Wüst lebt in Peking.

Nach dem Studium sind Sie als Trainee bei BMW eingestiegen. Sind Sie ein großer Autofan?
Autos fand ich schon immer spannend, aber ich bin nicht so autoverrückt wie manch einer meiner Kollegen. BMW war für mich eine starke Marke, und mich hat die Internationalität des Unternehmens angesprochen. Daher war BMW für mich damals der Traumarbeitgeber.

Sie sind General Manager für die Märkte Hongkong, Taiwan, Macau. Von wo aus arbeiten Sie?
Mein Hauptsitz liegt in Peking, weil hier unser Regional Headquarter angesiedelt ist. Allerdings reise ich natürlich viel nach Hongkong, Taiwan und Macau. Dort bin ich einmal im Monat für ein bis zwei Wochen. Etwa dreimal im Jahre bin ich geschäftlich in München.

Wie ist BMW in den Märkten Hongkong, Taiwan und Macau aufgestellt?
Die Märkte Hongkong und Taiwan weisen kein starkes Wachstum mehr auf. Das sind unabhängige Unternehmer, die mit der BMW AG eine festen Vertrag haben und das Importgeschäft betreiben. Die Importeure haben wiederum Verträge mit Händlern, die das Retailgeschäft übernehmen. Meine Aufgabe ist es, diese Importeure zu betreuen. Wir reden über Zielvereinbarungen – qualitativer und quantitativer Art. Dazu gehören auch das Monitoring des Zielerreichungsprozesses und natürlich die Unterstützung, wenn es Probleme gibt – im Prinzip beinhaltet meine Arbeit eine permanente Beratung zu den einzelnen Prozessen im Importeurs- aber auch im Retailbetrieb.

Was ist der Unterschied zwischen diesen Märkten und Festlandchina?
In China haben wir eine eigene Tochtergesellschaft und ein Joint Venture, das den BMW 3er und BMW 5er produziert und vertreibt. Dort stellt allein die schiere Größe des Marktes eine Herausforderung dar. Zwischen den Märkten gibt es durchaus auch Unterschiede in der Mentalität. Die Chinesen in Hongkong beispielsweise sind sehr viel internationaler als die in Mainland China.

Sind in den unterschiedlichen Märkten auch jeweils andere Autos interessant?
Auf jeden Fall. In Mainland China haben wir eine sehr große lokale Produktion auch von lokalen Brands, die sich aber hauptsächlich auf das Basissegment, den Massenmarkt konzentrieren. Im Premiumsegment, in dem sich BMW bewegt, bevorzugen die Festlandchinesen große, geräumige Autos. Prestige und Luxus spielen eine große Rolle. Hongkong und Macau konzentriert sich mehr auf den Premiumsektor und auch die Nischenmodelle sind gefragt: Cabrios, BMW 6er, Z4. Dabei sollte es möglichst immer das allerneuste Modell sein. Taiwan hingegen ist schon sehr viel mehr vergleichbar mit der Struktur in Europa. Dort sind wir mit unseren BMW 3er und 5er sehr stark vertreten, aber auch mit dem 7er.

Welche Chancen sehen Sie für BMW langfristig in diesen Gebieten?
Die Märkte Hongkong und Taiwan weisen kein starkes Wachstum mehr auf. Hier versuchen wir unsere Position durch ein verbessertes Produktangebot und einen besseren Service auszubauen. Macau spielt eine Sonderrolle. Durch den wachsenden Casino-, Veranstaltungs- und Konferenzbetrieb hat sich noch einmal ein ganz eigener Bedarf entwickelt, beispielsweise an Flottenfahrzeugen für Hotels.

Wie war Ihre erste Begegnung mit China?
Ich war bereits 1994 als Trainee das erste Mal in China: Das war eine sehr spannende Zeit. BMW hatte in Peking gerade ein Repräsentanz Office eröffnet, das war natürlich auch für mich als Berufseinsteigerin eine tolle Chance. Wir waren eine ganz kleine Mannschaft, jeder musste im Prinzip alles machen. Ich war damals „Mädchen für alles“, musste das Büro einrichten, Material besorgen, Visitenkarten drucken und so weiter. Das hört sich alles so einfach an, aber 1994 war das in China noch recht kompliziert. Dann haben wir die Businessprozesse, damals mit unseren Importeuren, aufgebaut. Es herrschte eine wahnsinnige Aufbruchstimmung. Wir haben richtige Pionierarbeit geleistet.

Und wie ist die Situation heute?
Seitdem hat sich China stark geöffnet und weiterentwickelt. Dennoch ist die Situation vergleichbar: Immer noch herrscht diese Aufbruchstimmung. Mittlerweile geht ja auch viel Geschäft ins Landesinnere, und dort ist die Stimmung ähnlich wie vor zehn Jahren in Peking.

Wie haben Sie sich damals auf Ihren ersten Einsatz in China vorbereitet?
Meine Vorbereitungszeit war sehr kurz, aber ich hatte Gelegenheit, ein interkulturelles Training zu besuchen. Privat habe ich sehr viel Zeit investiert, habe viel über das Land und seine Kultur gelesen. Vor Ort habe ich mich gleich unter das Studentenvolk gemischt, um Menschen kennen zu lernen und tiefer in das Land einzutauchen.

Was fasziniert Sie an der Region?
Die Atmosphäre ist schon sehr anders als in Europa, alles ist schnelllebig und impulsiv. Tagtäglich gibt es Herausforderungen zu meistern. Es ist alles nicht so einfach wie in Europa: Man kann die Schriftzeichen nicht lesen, wird vielleicht nicht immer verstanden – aber wenn man sich darauf einlässt, ist das eine unglaublich spannende Sache.

Was beeindruckt Sie am meisten?
Die Stimmung, die am Markt herrscht, von der jeder in der Bevölkerung betroffen ist. Fast alle können in irgendeiner Form am Aufbruch partizipieren, und die meisten sehen darin auch eine Chance, ihr Leben zu verbessern. Dadurch wird eine ungeheure Energie freigesetzt, die überall zu spüren ist.

Wie begegnet man Ihnen als weibliche Führungskraft?
Das ist hier kein großes Thema. Viele chinesische Frauen arbeiten in hohen politischen und wirtschaftlichen Funktionen. Hier wird eine Frau in Führungsposition akzeptiert – egal ob sie aus dem Westen kommt oder aus China.

Wie sollten sich Absolventen vorbereiten, die im China-Geschäft tätig werden möchten?
Wenn man im chinesischen Umfeld arbeiten möchte, ist es sinnvoll, schon während des Studiums Praktika vor Ort zu machen oder ein Auslandssemester zu verbringen. Es empfiehlt sich, möglichst viel Zeit in China zu verbringen, um ein Gefühl für das Land und die Menschen zu bekommen. Neugierde und Aufgeschlossenheit gehören dazu, aber auch Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen, weil doch nicht immer alles so rund läuft, wie wir das aus Europa gewohnt sind.

Zum Unternehmen

Die BMW Group deckt mit den Marken BMW, MINI und Rolls-Royce als einziges Automobilunternehmen weltweit alle relevanten Premiumsegmente ab. Sie gehört mit einem Umsatz von 48,99 Milliarden Euro, einem jährlichen Absatz von 1,37 Millionen Automobilen und 100.000 BMW Motorrädern sowie über 106.000 Mitarbeitern zu den größten Automobilherstellern weltweit. Als internationales Unternehmen verfügt BMW derzeit über 23 Produktions- und Montagestandorte in 12 Ländern.

In China ist die BMW Group seit 1994 mit einer Repräsentanz in Beijing vertreten. Im September 2003 erweiterte sie ihr internationales Produktionsnetzwerk um einen Standort im Nordosten Chinas. Seitdem laufen in der Provinz Liaoning im Werk Shenyang BMW Automobile vom Band. Begonnen hat die Produktion mit dem BMW 3er, gefolgt vom BMW 5er. Das Werk, das mit Brilliance China Automotive Holdings Ltd. ein Joint Venture betreibt, produziert Fahrzeuge ausschließlich für den lokalen Markt und trägt damit zur Erschließung und Durchdringung des chinesischen Marktes bei.