Interview mit Dr. Burkhard Schwenker

Dr. Burkhard Schwenker, Foto: Roland Berger Strategy Consultants
Dr. Burkhard Schwenker, Foto: Roland Berger Strategy Consultants

Unternehmenslenker haben Weitblick – und das nicht nur symbolisch. Die Büros der Chefs liegen meist in den oberen Etagen von hohen Häusern. Auch das von Dr. Burkhard Schwenker. Der Sprecher der Geschäftsführung von Roland Berger Strategy Consultants residiert im 14. Stock des Columbus Hauses in der aufstrebenden Hamburger Hafencity. Von hier aus reicht sein Blick bis zum Horizont, hinter dem es bekanntlich immer weitergeht. Michael Kalthoff-Mahnke sprach mit dem CEO über Verantwortung, Führung und Trojanische Pferde.

Zur Person

Dr. Burkhard Schwenker, Jahrgang 1958, ist seit 2003 Vorsitzender der weltweiten Geschäftsführung von Roland Berger Strategy Consultants. Nach BWL- und Mathematik-Studium, einer ersten beruflichen Station bei den PWA Papierwerken Waldhof-Aschaffenburg und Promotion kam er 1989 zu Roland Berger Strategy Consultants. Hier leitete er Projekte für internationale Energie- und Dienstleistungsunternehmen sowie große öffentliche Institutionen. 1992 wurde Schwenker zum Partner ernannt, 1994 übernahm er die Leitung des Kompetenzzentrums Corporate Development. Der CEO hält regelmäßig Vorlesungen und arbeitet in den Gremien mehrerer Business Schools und Universitäten mit.

Gesellschaftspolitisch engagiert sich Burkhard Schwenker in den Kuratorien des WWF World Wide Fund For Nature, der Stiftung Deutsche Sporthilfe, des Deutschen Leichtathletik-Verbands für die Weltmeisterschaft 2009, der Stiftung zur Förderung der Semperoper Dresden, der Stiftung „Lebendige Stadt“ (Hamburg), des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, der Wertekommission – Initiative Werte Bewusste Führung e.V. und der Beruf & Familie gGmbH, einer Initiative der gemeinnützigen Hertie Stiftung; er ist außerdem Mitglied der „Atlantik Brücke e.V.“. Burkhard Schwenker ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Hamburg.

Herr Dr. Schwenker, waren Sie während Ihrer Schulzeit Klassensprecher?
Nein.

Oder Mannschaftskapitän?
Auch das nicht. Warum fragen Sie?

Nun, vielleicht wäre das ein Hinweis darauf, dass Ihnen Verantwortlichkeit und Führen im Blut liegen.
(lacht) Da sind Sie bei mir leider auf dem Holzweg. Tatsächlich habe ich mir damals weder gewünscht noch vorstellen können, Karriere zu machen.

Dafür sind Sie aber auf der Karriereleiter ganz schön hockgekraxelt.
Stimmt. Ich habe Betriebswirtschaftslehre und Mathematik studiert und danach bei den Papierwerken Waldhof-Aschaffenburg gearbeitet. Nach der Promotion kam ich 1989 zu Roland Berger.

War der Aufstieg bis an die Spitze des Unternehmens beschwerlich?
Die Aufgaben waren sicher nicht einfach, manchmal war es aufreibend. Aber beschwerlich? Nein. Ich bin fest davon überzeugt, dass man mit den Aufgaben, die man übernimmt und möglichst gut erfüllt, ganz von selbst wächst und aufsteigt. Und wenn diese Aufgaben auch noch Spaß machen, eine ständige Herausforderung sind, dann kommt einem der Weg auch nicht besonders mühselig vor.

In 15 Jahren vom Einstieg bei Roland Berger bis zum obersten Chef – eine Bilderbuchkarriere, die dennoch in der Beraterbranche, in der der Aufstieg häufig erst über Unternehmenswechsel möglich wird, eher ungewöhnlich ist.
Nun, Ausnahmen bestätigen eben die Regel.

Ist bleiben besser als gehen?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Bei Roland Berger stehen Leistungsorientierung und Teamfähigkeit im Mittelpunkt. Und offensichtlich habe ich meine Sache gut gemacht. Aber ich hatte auch das Glück, von Beginn meines Berufslebens an den richtigen Personen zu begegnen. In meinem Fall zwei Managern, die mich gefördert und gefordert haben. Sie hatten den Mut, mir jungem Menschen verantwortungsvolle Aufgaben zu übertragen, an denen ich mich beweisen konnte. Solche Förderung ist ein entscheidender Vorteil.

Geben Sie unseren Lesern Tipps für eine erfolgreiche Karriereplanung.
Das Wichtigste zuerst: Eine Karriere kann man nicht planen. Karrieren werden befördert, weil jemand gut ist in seinem Job und mit Freude und Engagement seine Arbeit erledigt. Natürlich muss man die Chance haben, die richtigen Aufgaben zu bekommen. Und schließlich ist auch etwas Glück dabei, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und die bestmöglichen Mentoren an seiner Seite zu haben. Und: In den ersten Berufsjahren möglichst viel Praxis kennenlernen, unterschiedliche Erfahrungen sammeln, sich Möglichkeiten und Situationen schaffen, die Einblicke in verschiedene Berufs- und Lebensbereiche ermöglichen. Deshalb, so viel Marketing sei hier erlaubt, ist Strategieberatung eine hervorragende Möglichkeit, sich zu orientieren. Es gibt wenig andere Professionen, in denen man in so kurzer Zeit so viele unterschiedliche Menschen und Unternehmen kennenlernt und vielfältige Probleme löst. Das schafft ein hervorragendes Fundament für den Aufstieg.

Was schadet der Karriere?
Wer unbedingt Karriere machen will, konzentriert sich meist viel zu sehr auf den nächsten Karriereschritt. So engt man sich ein und blendet mitunter die Fülle von Alternativen aus, die sich noch bietet. Wer schon vor dem Abitur weiß, dass er einmal Vorstandsvorsitzender werden will, macht nur selten Karriere.

Welche Rolle spielen soziale Kompetenzen?
Eine ganz große. Vor allem, wenn wir Karriere als Führungsaufgabe verstehen. Wer Menschen führen, mit ihnen zusammen Probleme lösen will, muss eine Grundeigenschaft mitbringen: Er muss Menschen mögen. Diese grundlegende Sympathie begünstigt die sozialen Kompetenzen, die für den Aufstieg nötig sind. Eine in meinen Augen zwingende Voraussetzung: Jeder, der versucht, Menschen zu führen, muss ein positives Verhältnis zu ihnen haben. Nur so geht es.

In ihrem Buch „Aufstieg für alle“ plädiert Gertrud Höhler dafür, dass Schluss sein müsse, wirtschaftliche Aufsteiger als negative Helden zu diskreditieren. Ist „Karrieremachen“ in unserer Gesellschaft nicht gut gelitten?
Erfolg produziert Neid. Aber im Neid schwingt immer auch Bewunderung mit. Genie ist zu 80 Prozent Transpiration und zu 20 Prozent Inspiration, wie es so schön heißt. Das müssen wir deutlicher hervorheben: Wer aufgestiegen ist und Erfolg hat, sollte vielmehr ein „positiver Held“ sein.

In den Medien liest man dagegen zurzeit immer wieder von Managern, die sich auf Kosten anderer gern selbst großzügig bedienen.
Das sind wenige „ethische Ausreißer“. Und die beeinflussen leider die Mehrheitsmeinung, denn der Ausreißer liefert nun mal die saftigere Nachricht. Warum aber verschweigen, dass 98 Prozent der Unternehmer und Manager sich ethisch sauber und angemessen verhalten, glaubwürdig sind und eine hohe Akzeptanz bei ihren Mitarbeitern besitzen?

Welche Werte sind für ein Unternehmen wichtig?
Unternehmenswerte wirken auf den ersten Blick wenig sexy und etwas abstrakt. Im Alltag allerdings sind sie der Kitt der Unternehmen: Bei Roland Berger stellen Entrepreneurship, Partnership und Excellence drei unserer Grundwerte dar. Unternehmertum beinhaltet die Fähigkeit, Ideen und Gelegenheiten zu erkennen, um etwas ganz Neues zu schaffen oder Dinge zu verbessern. Partnerschaft beschreibt das Verhältnis zu unseren Kunden und Lieferanten sowie den Umgang mit den Kollegen. Aber Firmengrundwerte reichen nicht. Es sind vor allem persönliche Werte, die Top-Manager auszeichnen. Dazu gehören in meinen Augen Tüchtigkeit, Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Integrität. Das ist der Wertekanon, den ich in dieser sich rasant ändernden Welt für ganz entscheidend halte. Denn: Mitarbeiter brauchen ebenso wie Kunden ein großes Maß an Sicherheit. Und die kann eine Führungskraft nur vermitteln, wenn sie integer und glaubwürdig auftritt.

Ehrlich sei nur der Dumme, hat Ulrich Wickert einmal geschrieben. Sind die Werte, die Sie genannt haben, nicht verstaubt?
Im Gegenteil. Es gab zwar eine Phase, in der diese Werte keine große Rolle gespielt haben. Aber: Sie sind die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens. Deswegen freue ich mich über die Wertediskussion, die wir im Moment führen, und ganz besonders darüber, dass mehr und mehr junge Führungskräfte diese Werte wieder ernst nehmen. Die Menschen müssen schließlich ihren Unternehmern und Managern vertrauen. Das Vertrauen in die Wirtschaft und deren Repräsentanten wird maßgeblich darüber entscheiden, wie sich der Standort Deutschland weiterentwickelt. Denn wirtschaftliches Wachstum funktioniert nur mit wachsenden Unternehmen.

Der amerikanische Psychologe Dan Kindlon hat in seinem Bestseller „Alpha Girls“ herausgefunden, dass Mädchen für Führungsaufgaben wesentlich besser gerüstet sind als Männer. Wird die Zukunft in den Chefetagen weiblich?
Keine Frage, Frauen werden die Führungsetagen von morgen bereichern. Mehr als 50 Prozent der Hochschulabgänger sind weiblich – mit einem Riesenpotenzial an Kreativität, Wissen und Ideen, das unsere Gesellschaft nutzen muss. Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für den Standort Deutschland daher wesentlich. Unsere Firma und ich persönlich bringen uns bei diesem Thema sehr ein.

Beschreiben Sie bitte unseren Leserinnen und Lesern Ihren Arbeitsalltag.
(lacht) Besser nicht, wir wollen doch motivieren. Aber im Ernst: Es gibt immer mehr Aufgaben, als man erledigen kann. Deshalb braucht man einen strukturierten Arbeitsplan für den Tag. Für mich heißt das: Sehr früh ins Flugzeug zu Meetings mit unseren Klienten oder in eines unserer 33 Büros weltweit. Zwischendurch E-Mails checken und telefonieren. Termindruck und Anforderungen sind hoch. Vorteil: Sie lernen viele Menschen kennen, viele Kulturen. Das ist bereichernd. Nachteil: Sie kennen zwar viele Flughäfen dieser Welt, dann aber nur noch die entsprechenden Einfallstraßen in die Städte und zwei oder drei Bürogebäude. Deshalb ist es wichtig, gelegentlich einige Stunden dranzuhängen, um zu erfahren: Wie funktioniert diese fremde Stadt wirklich? Wie ticken die Menschen, die hier leben? Man muss ganz bewusst immer mal wieder eine Bresche schlagen, egal wie der Terminkalender drückt, damit einem die Fremdbestimmung nicht über den Kopf wächst.

Top-Manager sehen jederzeit frisch aus, auch wenn sie gerade ein stressiges Meeting hinter sich haben. Wie halten Sie sich fit?
Ich kann ganz gut auf kurzen Fahrten oder Flügen schlafen oder einfach mal abtauchen.

Manager haben oft ein bestimmtes Charisma. Was genau macht dieses „gewisse Etwas“ aus?
Es ist meiner Ansicht nach kaum zu lernen. Es entsteht zum Beispiel durch innere Begeisterung für eine Aufgabe, durch Überzeugung. Das spüren andere Menschen. Das strahlt aus.

Verlieren Führungskräfte ab einem gewissen Level ihre Fähigkeit, Kritik anzunehmen?
Die Gefahr ist groß. Es gilt deshalb, dieses Risiko zu erkennen und einen Weg zu finden, damit umzugehen. Hier kommen die eigenen Werte wieder ins Spiel: Wer glaubwürdig und verlässlich ist, wer Offenheit signalisiert, dem vertraut man auch eher seine Meinung an.

Wie halten Sie Kontakt zur „Basis“?
Ich habe ein „Büro der offenen Tür“, in das jeder eintreten kann. Ich bin für alle Kollegen direkt über E-Mail erreichbar und bemühe mich jedenfalls um eine ordentliche Antwort. Ich nutze jede Gelegenheit, um mit unseren Leuten weltweit vor Ort zu reden. Darüber hinaus gibt es Medien, mit denen die Geschäftsführung die Mannschaft darüber informiert, wo das Unternehmen steht.

Bei so viel Alltag: Was macht Burkhard Schwenker in seiner Freizeit?
Lesen. Ich kann nicht einschlafen, ohne eine halbe oder ganze Stunde zuvor gelesen zu haben. Egal, wann ich ins Bett gehe.

Lektüre zurzeit auf dem Nachttisch?
Unter anderem „Die Torheit der Regierenden“ der amerikanischen Historikerin Barbara Tuchman.

Worum geht’s?
Kurz: Warum wählen Entscheider die falsche Lösung, obwohl ihnen bessere Informationen vorlagen oder hätten vorliegen können? Konkret: Warum haben die Trojaner das Pferd in die Stadt geholt, obwohl sie eigentlich hätten wissen müssen, dass damit etwas nicht stimmte?