Interview mit Dr. Andreas Dietzel

Der Gelassene

Dr. Andreas Dietzel, Foto: Clifford Chance
Dr. Andreas Dietzel, Foto: Clifford Chance

Andreas Dietzel führt die Geschäfte der deutschen Dependance von Clifford Chance, einer der weltweit größten Wirtschaftskanzleien. Doch von Stress keine Spur: Der gebürtige Badener berichtet mit Ruhe und Witz, wie es ihm gelang, schon nach drei Jahren Partner in der Sozietät zu werden und warum für ihn heitere Gelassenheit eine wichtige Fähigkeit für eine erfolgreiche Karriere ist. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Andreas Dietzel, geboren am 14. Juni 1959 in Lörrach, studierte Rechtswissenschaften in Freiburg und Genf und legte 1991 seine Promotion ab. Seine Zulassung als Rechtsanwalt erhielt er 1988. Dietzel arbeitete zwei Jahre lang in Teilzeit als Anwalt in einer Freiburger Kanzlei für Zivilrecht, bevor er 1990 zu Pünder, Volhard Weber & Axster, später Clifford Chance, wechselte.

Dort ist er seit 1993 Partner. 2002 wurde er Leiter des Bereichs Corporate in Deutschland, und er leitet seit 2010 die globale „Sector Focus Group Industrials“ der Sozietät. Im Oktober 2010 übernahm er die Geschäftsführung der deutschen Clifford Chance Partnerschaftsgesellschaft. Die Arbeitsschwerpunkte des Wirtschaftsjuristen sind die Beratung national und international tätiger Unternehmen, Umstrukturierungen und M&A-Transaktionen.

Herr Dietzel, Sie haben 1990 Ihre Karriere als Anwalt begonnen und sind schon 1993 zum Partner aufgestiegen. Was war Ihre größte Trumpfkarte für diesen schnellen Karriereschritt?
Bevor ich zu Clifford Chance kam, hatte ich bereits zwei Jahre lang parallel zu meiner Dissertation in Teilzeit als Rechtsanwalt in einer kleinen Zivilrechtskanzlei in Freiburg gearbeitet. Ich war also nicht mehr ganz grün hinter den Ohren. Als ich dann bei Pünder, Volhard, Weber & Axster, später Clifford Chance, begann, war gerade die Mauer gefallen. Die Kanzlei hatte zahlreiche große Mandate, und ich hatte das Glück, gleich bei vielen mitarbeiten zu können. Dadurch kam ich mit Kollegen aus diversen Arbeitsbereichen in Kontakt, sodass ich gleich ein weites Netzwerk aufbauen konnte. Außerdem bekam ich die Gelegenheit, ein großes Unternehmen in der Rechtsabteilung zu unterstützen. Das klingt heute banal, war damals aber sehr ungewöhnlich. Meine Trumpfkarten waren sicherlich Flexibilität, Mut und eine besondere Einsatzfreude.

Was ist Ihre Empfehlung für Einsteiger in die Branche: Sollte man dem Ziel, möglichst schnell Partner in einer Kanzlei zu werden, alles unterordnen?
Zunächst einmal: Man sollte niemals alles seinem beruflichen Ziel unterordnen. Wer als Einsteiger das Ziel hat, möglichst schnell Partner in einer größeren Sozietät zu werden, muss sich darauf einstellen, ganz besonderen Anforderungen gerecht zu werden. Er muss viel Zeit investieren und eine ungewöhnlich große Leistungsbereitschaft zeigen.

Gibt es denn attraktive Alternativen zum klassischen Modell der Partnerschaft?
Wir haben bei Clifford Chance vor einigen Jahren den Status des sogenannten Counsel eingeführt. Das sind zum einen Kollegen, die so hochspezialisiert sind, dass sich eine Partnerschaft wirtschaftlich nicht tragen würde. Die gehobene Position des Counsel nehmen aber zum anderen auch erfahrene Associates als Zwischenstation ein – entweder, um von dort aus gezielt die Partnerschaft anzuvisieren, sie als Sprungbrett für eine Karriere bei einer anderen Sozietät zu nutzen oder aber, um in die Rechtsabteilung eines Unternehmens zu wechseln. Gerade dieser Wechsel in die Industrie ist gegenwärtig ein Trend: Viele jüngere Kollegen nutzen ihre Tätigkeit bei Clifford Chance, um gutes Rüstzeug zu bekommen, und verbessern damit ihre Karrierechancen bei Unternehmen.

Wie beurteilen Sie diesen Trend?
Ich respektiere die verschiedenen Karrieremodelle. Ich freue mich, wenn jemand sich vornimmt, es bei uns zu schaffen, und viel dafür tut. Ich akzeptiere aber auch, wenn jemand nach einer Zeit sagt, er wolle lieber in die Rechtsabteilung eines Unternehmens wechseln. Zumal ein solcher Kontakt direkt in ein Unternehmen auch für uns sehr hilfreich sein kann.

Sie sind jetzt seit 17 Jahren Partner und seit vergangenem Jahr sogar Managing Partner bei Clifford Chance. Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?
Ich glaube, es ist eine Typfrage, wie man mit seinen Herausforderungen umgeht. Mir gelingt es, Druck mit einer heiteren Gelassenheit zu begegnen. Ich kann mich schnell und gut erholen und habe viele Interessen abseits des Berufes, die ich bewahre und pflege. Zudem trete ich allen Anforderungen immer sehr positiv entgegen. Mein Motto lautet: Ein Tag, an dem man im Büro nicht gelacht hat, ist ein verlorener Tag.

Über was lachen Sie denn im Büro am liebsten?
Über mich selbst. Eine Quelle der Heiterkeit ist aber auch, wenn jemand am Umgang mit der deutschen Sprache scheitert und das zu ungewollter Komik führt.

Wie wichtig ist für Sie die Kommunikation mit einem Mandanten außerhalb der fachlichen Ebene? Ist gekonnter Small Talk eine wichtige Fähigkeit?
Ja, wobei der Rechtsanwalt als Berater eines Unternehmens sehr genau darauf achten muss, welche Kommunikation angemessen ist. Es gibt Vertreter von Mandanten, die es sehr kühl und geschäftsmäßig mögen, anderen ist auch an bunteren Themen gelegen. Darauf reagiert man als Berater – wobei ich den Begriff Small Talk eigentlich nicht mag. Da besteht oft die Gefahr einer oberflächlichen und inhaltslosen Unterhaltung. Ich finde es passender, miteinander ein persönliches Wort zu wechseln. Oder über Themen zu reden, bei denen man weiß, dass das Gegenüber daran ein besonderes Interesse hat.

Über welche Themen sollte auch ein Einsteiger ein wenig Bescheid wissen?
Man sollte etwa bei kulturellen Themen wie Literatur, Oper oder Kunst nicht ganz unwissend sein.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, gab es einen Punkt, an dem Sie weit weg vom Bild einer geradlinigen Laufbahn waren?
Am weitesten weg war ich wohl ganz am Anfang, als ich in Freiburg in einer allgemeinen Zivilrechtskanzlei mitarbeitete. Da habe ich so ziemlich alles gemacht, inklusive Familienrecht. Diese Anstellung macht mich bei Clifford Chance vermutlich zu einem Exoten, denn die meisten Partner und Associates kennen nur das Arbeiten in einer großen Wirtschaftskanzlei. Aber ich möchte diese Zeit auch nicht missen, zumal ich damals als Familienrechtler einige beinahe filmreife Erlebnisse hatte, über die ich heute noch schmunzeln kann.

Ist es für Jura-Absolventen mit dem Karriereziel Großkanzlei sinnvoll, wie Sie zunächst einmal als Anwalt an der Graswurzel Erfahrungen zu sammeln?
Es ist sicher nicht verkehrt, aber nicht zwingend. Was ich jedem Einsteiger in eine Wirtschaftskanzlei raten möchte, ist, sich nicht zu früh so zu positionieren, dass er sich damit einengt. Es ist nicht sinnvoll, sich zu früh auf das Expertentum zu konzentrieren. Man sollte vielmehr darauf achten, immer auch eine Reihe verwandter Spezialgebiete abzudecken.

Zum Unternehmen

Die globale Sozietät Clifford Chance hat ihren Hauptsitz in London und gehört – was die Zahl der beschäftigten Anwälte sowie den Umsatz betrifft – in die Top Ten der weltweit größten Kanzleien. Aktuell arbeiten für Clifford Chance rund 3200 Rechtsberater in 29 Büros in 20 Ländern. Der Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr lag bei 1,353 Milliarden Euro.

In Deutschland betreibt die Sozietät Büros in Düsseldorf, Frankfurt am Main und Berlin und beschäftigt mehr als 350 Volljuristen. Die Schwerpunkte der wirtschaftlichen Rechtsberatung liegen auf den Gebieten Gesellschaftsrecht und M&A, Bankwesen und Kapitalmärkte, Steuern, Immobilien, Prozessführung und Streitbeilegung, Restrukturierung und Insolvenz, Arbeitsrecht, geistiges Eigentum sowie Kartellrecht.

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