Interview mit Matthias Horx

Ein zu hoher Preis für die Karriere?

Matthias Horx, Foto: Klaus Vyhnalek
Matthias Horx, Foto: Klaus Vyhnalek

(Aus BerufSZiel 1.2011) Frauen sind auf dem Vormarsch – nicht nur in Deutschland. Warum wir im Vergleich zu anderen Ländern jedoch noch zu wenige weibliche Führungskräfte haben, erklärt Zukunftsforscher Matthias Horx. Die Fragen stellte Sabine Olschner.

Sie haben den „Megatrend Frauen“ definiert. Woran machen Sie diesen Trend fest?
Die Entwicklung hat schon in den späten 1970er-Jahren begonnen: Immer mehr Frauen rücken seitdem in Führungspositionen auf, ihr Einkommen steigt. In den verschiedenen Ländern vollzieht sich dieser Wandel unterschiedlich schnell. Deutschland ist hier noch nicht so weit wie manches andere Land, aber auch hier steht der Wandel unmittelbar bevor.

Unternehmen, die Frauen fördern

Auf der Informationsplattform genderdax finden hoch qualifizierte Frauen einen umfassenden Überblick über Beschäftigungsmöglichkeiten bei Unternehmen in Deutschland, die sich aktiv für Frauenkarrieren einsetzen:
www.genderdax.de

Warum steigen immer mehr Frauen beruflich auf?
Grund ist die Bildungsverschiebung: In allen westlichen und zunehmend auch in östlichen Ländern steigen die Bildungspotenziale der Frauen im Vergleich zu den Männern rapide an. In Deutschland sind zum Beispiel mittlerweile 56 Prozent der Abiturienten Frauen. Die Folge ist: Frauen mit einem hohen Bildungsgrad wollen sich beruflich ausprobieren. Und leider landen sie dabei in Deutschland immer noch im Work-Life-Balance-Dilemma, sich zwischen Familie und Karriere entscheiden zu müssen. Das Bild wird sich bei uns erst wandeln, wenn die Anzahl der Frauen, die einen sehr familienzentrierten Lebensentwurf haben, auf unter 40 Prozent fällt. Denn dann entstehen neue gesellschaftliche Mehrheiten, die andere Bedingungen für karrierewillige Mütter schaffen werden.

Wird die Zahl der Frauen im Management in den nächsten Jahren also auch in Deutschland weiter steigen?
Seit einigen Jahren gibt es die Tendenz, dass Unternehmen aktiv nach Frauen suchen oder sogar, wie etwa die Telekom, Frauenquoten einführen. Wir werden um solch eine Quote nicht mehr herumkommen, denn die Frauen werden langsam ungeduldig und fordern ihren Anteil an den Karrieremöglichkeiten. Aber eine einzige Frau in der Führungsriege ändert gar nichts, sie würde nur vermännlichen. Man braucht eine kritische Masse, um die Karrierekultur von innen zu verändern. Ich glaube daher, dass wir in fünf, sechs Jahren Frauenquoten auf der gesamten gesellschaftlichen Ebene haben werden.

Warum ist es derzeit für Frauen noch so schwer, an die Macht zu kommen?
Männer haben eine bestimmte Arbeitskultur etabliert: Man kann bei uns nur Karriere machen, wenn man überdurchschnittlich viel Zeit investiert und sein Privatleben vernachlässigt. In den oberen Etagen der deutschen Unternehmen kann man ohne einen 12-Stunden-Tag keine Karriere machen. Diese Bedingungen wurden vor langer Zeit von Männern gesetzt, weil sie sich nicht um familiäre Angelegenheiten kümmern müssen. Aus diesem Grund schaffen viele Frauen es nicht in höhere Positionen. Im Grunde sind sie aber einfach schlauer, denn sie wollen nicht ihr Privatleben dem Beruf opfern. Wenn sich bei uns also das Zeitbild von Karriere nicht ändert, werden wir immer noch eine Minderheit von Frauen in Führungspositionen haben.

Was müssen junge, karriereorientierte Frauen tun, um den Megatrend ihres Geschlechts nicht zu verpassen?
Ihnen muss klar sein, dass sie für die Karriere derzeit noch einen hohen Preis zahlen müssen, nämlich ihre sozialen und familiären Bindungen aufzugeben. Es wird noch eine ganze Zeit dauern, bis sich das kulturelle Umfeld für sie ändern wird. Viele entscheiden sich aus dem Grund noch gegen die Karriere. Wer es wagen will, sollte sich seinen Arbeitgeber genau anschauen: Es gibt mittlerweile Firmen, die andere Kulturen haben. Wenn die guten, leistungsfähigen Frauen dort hingehen und diese Firmen stärken, wird sich auch bei anderen Unternehmen etwas ändern.