Interview mit Prof. Dr. Thomas Weber

Der Entwickler

Prof. Dr. Thomas Weber, Foto: Daimler AG
Prof. Dr. Thomas Weber, Foto: Daimler AG

Im Vorstand von Daimler ist Prof. Dr. Thomas Weber verantwortlich für die Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung. Im Interview erklärt der 59-jährige studierte Maschinenbauer, welche Rolle Nachhaltigkeit für die Mobilität der Zukunft spielt und warum die Branche vor der Aufgabe steht, das Automobil neu zu erfinden. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Prof. Dr. Thomas Weber, geboren 1954 in Scharnhausen bei Stuttgart, stieg bei Daimler als technischer Auszubildender in den Beruf ein. Anschließend studierte er in Stuttgart Maschinenbau und war als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Stuttgart sowie am Fraunhofer-Institut tätig. 1987 promovierte er und kehrte im selben Jahr zu Daimler zurück. Nach Stationen in der Produktionsplanung und in der Vorstandsassistenz leitete er 1994 das Projekt „Neue V-Motorengeneration“ sowie ab 1995 das Motorenwerk Bad Cannstatt. Ab 1999 leitete er das Werk Rastatt, ab 2002 wurde ihm außerdem die Funktion des Sprechers der Geschäftsleitung A-Klasse übertragen. Im Januar 2003 übernahm er im Konzernvorstand die Verantwortung für die konzernweite Forschung und Technologie. Seit Mai 2004 ist er zusätzlich für die Entwicklung von Mercedes-Benz Cars verantwortlich. Heute leitet Thomas Weber im Daimler-Vorstand das integrierte Ressort „Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung“.

Herr Professor Weber, vor wenigen Jahren verkaufte man Autos vor allem über Begriffe wie Sportlichkeit oder Komfort. Welche Rolle spielt heute das Schlagwort Ökologie?
Sicherheit, Komfort und Fahrspaß sind Eigenschaften, die in unserer Fahrzeugentwicklung nach wie vor im Vordergrund stehen. Das Thema Umweltverträglichkeit steht diesen Themen aber in keiner Weise nach. Es ist vielmehr eine Selbstverständlichkeit, die unsere Kunden heute erwarten. Auf das Thema „Alternative Antriebe“ setzt Daimler in der Forschung schon seit den 1970er- Jahren. Ich beschäftige mich damit seit dem Anfang meiner Berufslaufbahn. Wie wertvoll dieses Engagement ist, wurde mir besonders mit Beginn der wichtigen und richtigen Diskussion um den Klimawandel bestätigt.

Ihr Konzern hat sich das Ziel gesetzt, daran zu arbeiten, langfristig das emissionsfreie Fahren zu ermöglichen. Steht damit alles im Zeichen der Elektroautos? Auf welche weitere Antriebsarten setzen Sie?
Die Zukunft liegt zwar definitiv in der Elektrifizierung des Antriebs. Wir sind jedoch überzeugt, dass es künftig nicht die eine Technologie als Königsweg zur nachhaltigen Mobilität geben wird, sondern eben maßgeschneiderte Lösungen für alle Mobilitäts- und Kundenanforderungen. Dazu gehören Hybridantriebe und innovative Verbrennungsmotoren genauso wie emissionsfreie Elektrofahrzeuge mit Batterie- oder Brennstoffzelle. Während batterieelektrische Fahrzeuge ihren Einsatz bei Klein- und Kompaktfahrzeugen im urbanen Umfeld finden werden, eignet sich die Brennstoffzellentechnologie durch hohe Reichweiten und kurze Betankungszeiten auch für den Einsatz in größeren Fahrzeugen. Zudem werden wir mit der nächsten Generation unsere S-Klasse als Plug-in Hybrid zum ersten Drei-Liter-Auto in diesem Segment machen. Was die Antriebe betrifft, stehen wir am Anfang einer neuen Ära. Daher ist man als Unternehmen gut beraten, sich alle Technologieoptionen offenzuhalten.

Vor allem bei jungen und umweltbewussten Leuten in Städten besitzt das Auto längst nicht mehr den Stellenwert wie früher. Hat das Auto ein Imageproblem?
Ich denke nicht. Fakt ist jedoch: Das Mobilitätsverhalten junger Erwachsener hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Zu beachten sind dabei die geänderten Lebenssituationen der jungen Generation. Es gibt mehr Studenten, geringere Einkommen, mehr Singles sowie mehr Menschen, die im urbanen und suburbanen Raum leben. Das Bedürfnis nach uneingeschränkter Mobilität und Flexibilität ist dabei jedoch unverändert stark. Klar ist aber auch, dass sich das Besitz- und Nutzerverhalten verschiebt.

Wie reagieren Sie darauf?
Wir sind nicht mehr nur Automobilhersteller, sondern auch Automobildienstleister. Eine Erfolgsstory ist definitiv car- 2go, mittlerweile das am schnellsten wachsende Unternehmen im Carsharing- Bereich, sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld. Unsere App „moovel“ vernetzt die verschiedensten Mobilitätsangebote und zeigt so den Usern, wie sie am besten von A nach B kommen.

Noch einmal zurück zum Elektroauto: Wie weit sind wir in Deutschland mit dem Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur?
Die Bundesregierung hat das Ziel, Deutschland bis 2020 zum Leitmarkt für Elektromobilität zu machen. Um das zu erreichen, sind noch einige Schritte im Bereich der Infrastruktur zu tun, denn alternative Antriebe benötigen eine alternative Infrastruktur. Das gilt sowohl für Ladestationen für Elektrofahrzeuge mit Batterie als auch für Wasserstofftankstellen für Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle. Neben uns Automobilherstellern stehen dabei auch die Energieversorger, die Mineralölindustrie sowie die Politik in der Pflicht. Die Prämisse für uns alle muss lauten: Jeder sollte einen maximalen Beitrag leisten. Denn der technologische Wandel vom konventionellen Verbrennungsmotor hin zu emissionsfreier Mobilität kann nicht von Einzelnen umgesetzt werden.

Wachstum generiert die Autobranche schon jetzt vor allem in den BRIC-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien und China. Welche Rolle spielt dort das umweltschonende Auto?
Nachhaltigkeit ist kein ausschließlich europäisches Phänomen. Auch in den BRIC-Staaten gewinnt das Thema vor dem Hintergrund der Klimawandeldiskussion immer mehr an Bedeutung. Wir setzen daher künftig auch mit unseren Produkten in den BRIC-Staaten auf neueste Abgastechniken und höchste technologische Standards: Neben unseren BlueEfficiency-Modellen werden künftig sowohl alternative Antriebsvarianten wie Plug-In-Hybride als auch Technologien wie etwa die Start-Stopp-Technik verfügbar sein. Zudem wird unser rein elektrisches Smart-Modell im Laufe des Jahres auch in China eingeführt.

Worauf kommt es an, wenn Einsteiger bei Daimler an einer „grünen Mobilität von morgen“ mitarbeiten möchten?
Das lässt sich in drei Schlagworten zusammenfassen: Begeisterung, Innovationsgeist und Ausdauer. Begeisterung, weil jeder, der etwas schaffen möchte, auch Begeisterung für das Unbekannte aufbringen muss. Innovationsgeist, weil man dafür selbstverständlich auch das entsprechende Know-how mitbringen muss. Und die notwendige Ausdauer, um Hürden zu überwinden und neue, zukunftsorientierte Ideen zu verwirklichen.

Wie wird sich Mobilität 2030 gestalten? Wird der ökologische Aspekt weiterhin eine dominierende Rolle spielen?
Auf jeden Fall, denn unser heutiges Mobilitätsverständnis steht vor einem Paradigmenwechsel. Die Erdölvorkommen sind endlich, der Klimawandel beherrscht die Diskussion, die globalen Bemühungen für den Umweltschutz gewinnen immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig wachsen aber weltweit der Mobilitätsbedarf sowie der Individualverkehr.

Klingt nach einem gewaltigen Dilemma. Was bedeutet das für Sie?
Aus Sicht eines Automobilherstellers bedeutet das nicht weniger, als das Automobil neu zu erfinden. Und da sind wir schon voll dabei. Entscheidend ist dabei, dass der Kunde mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht. Wir setzen dabei auf eine Strategie der Nachhaltigkeit: Einerseits heißt das höchstmögliche Verkehrssicherheit, also unfallfreies Fahren, andererseits perspektivisch das emissionsfreie Fahren. Zudem sehr wichtig: Auch in Zukunft soll Autofahren Spaß machen. Und daran arbeiten wir schon heute.

Zum Unternehmen

Mit den Geschäftsfeldern Mercedes- Benz Cars, Daimler Trucks, Mercedes- Benz Vans, Daimler Buses sowie Daimler Financial Services gehört der Daimler- Konzern zu den größten Anbietern von Premium-Pkw und ist weltweit der größte Hersteller von Nutzfahrzeugen. Der Geschäftsbereich Daimler Financial Services bietet Finanzierung, Leasing, Flottenmanagement, Versicherungen sowie Mobilitätsdienstleistungen an. Daimler vertreibt seine Fahrzeuge und Dienstleistungen in nahezu allen Ländern der Welt und hat Produktionsstätten auf fünf Kontinenten. Das Unternehmen mit seinen 275.000 Mitarbeitern setzte 2012 weltweit rund 2,2 Millionen Fahrzeuge ab. Seit Jahren investiert Daimler in die Entwicklung alternativer Antriebe. Das Ziel: langfristig das emissionsfreie Fahren zu ermöglichen.