Im Abgang abgerundet: Hubertus Meyer-Burckhardt findet philosophische Gedanken zum Thema Karriere
Der gr��te anzunehmende Unfall eines echten Karrieristen? Die K�ndigung. Und dann? Der Morgen danach. Der gro�e Kater. Hubertus Meyer-Burckhardt, Filmproduzent, Moderator der NDR-Talkshow und Professor an der Hamburg Media School, hat einen Roman dar�ber geschrieben, was passiert, wenn das Leben die Richtung �ndert. Beim Katerfr�hst�ck fragt er sich: �Was bleibt von der Person ohne Funktion?� und macht sich seine Gedanken �ber Abenteurer, Karrierepl�ne und seine Wunschbegleitung f�r ein letztes Glas Wein.
Die Fragen stellte Andr� Bo�e.
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Zur Person Hubertus Meyer-Burckhardt
Hubertus Meyer-Burckhardt wurde 1956 in
Kassel geboren. Nach dem Abitur studierte er Geschichte und Philosophie in Berlin und Hamburg, danach ging er an die M�nchener Hochschule f�r Fernsehen und Film, wo er erste Werbespots und kleinere Filme drehte.
Nach einer Anstellung als Filmproduzent in M�nchen wechselte er 1988 als Mitglied der Gesch�ftsf�hrung zur D�sseldorfer Werbeagentur BBDO. Mit der Akzente Film & Fernsehproduktion gr�ndete Meyer-Burckhardt 1992 seine eigene Firma. Kurz danach war er als Moderator der Sendung �Sowieso � Die Sonntagsshow� und der NDR-Talkshow erstmals vor der Kamera zu sehen.
Nach
Vorstandsstationen bei Axel Springer und ProSiebenSat.1 Media wurde er 2006 Gesch�ftsf�hrer der Hamburger Filmproduktionsfirma Polyphon. Parallel dazu ist der zweifache Vater seit 2008 wieder Gastgeber der NDR-Talkshow, besitzt eine Professur an der Hamburg Media School und hat mit �Die K�ndigung� in diesem Jahr seinen ersten Roman ver�ffentlicht.
Weitere Informationen:
www.polyphon.de
Hamburg Media School
Die halbstaatliche Hochschule Hamburg Media School
(HMS) bietet seit 2003 Masterstudieng�nge in den Bereichen Medienmanagement, Journalismus und Film.
Die Dozenten in allen Bereichen sind erfahrene und oft prominente Experten wie �Stromberg�-Erfinder Ralf Husmann, die Publizistin Miriam Meckel oder der Verleger Jakob Augstein, die den Studenten sowohl Fachwissen als auch praktisches Know-how vermitteln.
Hubertus
Meyer-Burckhardt leitet in Hamburg das Filmstudium sowie den Bereich Produktion. Die HMS ist als Public- Private-Partnership organisiert: 30 renommierte Medienunternehmen engagieren sich in Form von Kooperationen, Praktikumspl�tzen oder Stipendien � und nicht zuletzt mit finanzieller Unterst�tzung. Dadurch erhalten die Masterstudenten schon w�hrend des Studiums viele Chancen auf praktische Erfahrungen.
Weitere Informationen:
www.hamburgmediaschool.de
oder bei
Facebook
Herr Meyer-Burckhardt, k�nnen Sie sich noch an Ihren letzten Kater erinnern?
Ja, das war im M�rz, und er f�hrte dazu, dass ich seitdem meinen Alkoholkonsum stark reduziere. Sprich: drei Glas Wein in der Woche. Nicht mehr.
Was ist Ihre Strategie, um einen ordentlichen Kater zu bew�ltigen? Ich habe da keine Strategien. Ich mache auch verkatert das, was ich jeden Tag mache: Ich arbeite. Da ich mit Kollegen eine Firma f�hre, die in vier deutschen St�dten Dependancen besitzt, kann ich es mir nicht leisten, am Morgen danach durchzuh�ngen.
Sie haben im Laufe Ihrer Karriere mit vielen wichtigen Managern zu tun gehabt, mit Aufsichtsr�ten, Vorst�nden, Gesch�ftsf�hrern.
Was glauben Sie, wie hoch ist der Anteil derjenigen, die ihren Job wirklich gerne machen?
Ich glaube, da ist keine Schwarz-Wei�-Antwort m�glich.
Jeder macht seinen Beruf mal gerne, mal nicht so gerne. Und wenn man ihn mal nicht so gerne macht, dann hilft manchmal der Blick aufs Girokonto.
Sprich: Ein gutes Gehalt ist immer eine Motivation. Nicht immer, nein, da haben Sie mich missverstanden. Ich sagte manchmal � n�mlich dann, wenn der Spa� am Beruf mal etwas verloren geht.
Mit Blick auf Hochschulabsolventen, die vor dem Beginn ihrer Karriere stehen: Kennen Sie Strategien, mit deren Hilfe ein Einsteiger herausfinden kann, ob ein Job der richtige f�r ihn sein wird?
Sie erw�hnen wieder den Begriff der Strategie, das ist mir auch an dieser Stelle zu rational. Was in den Generationen, die nach mir gekommen sind, meiner Meinung nach fehlt, ist ein gewisses Vertrauen auf das Bauchgef�hl. Mir erscheint das, was junge Leute heute tun wollen oder glauben, tun zu m�ssen, viel zu sehr kopfgesteuert.
Wenn Sie sagen, dass die Karriereeinsteiger glauben, etwas tun zu m�ssen: Wer �bt da den Druck aus?
Als ich jung war, besa� der Typus des Abenteurers ein viel gr��eres Prestige. In der Gesellschaft, aber auch in der Peergroup, unter den Freunden und Mitstudenten. Heute erleben wir dagegen eine Renaissance der b�rgerlichen Gesellschaft � mit der Folge, dass die jungen Leute heiraten und schnell Geld verdienen wollen. Wenn ich mich als Mitglied dieser Generation in einer solchen Gesellschaft etablieren m�chte, ist der Zwang, Kompromisse einzugehen, sehr viel gr��er, als wenn ich mir erlaube zu sagen: Ich probiere mal etwas aus � und wenn es schiefgeht, werde ich einen anderen Weg finden. Und ich glaube tats�chlich, dass die Generation
50 plus weniger b�rgerlich und mit mehr Abenteuergeist daherkommt als die Generation 30 minus.
Wie kann denn dieser Abenteuergeist bei der Gestaltung einer Karriere helfen?
Sehen Sie, mich st�rt schon der Begriff der �Gestaltung�. Und weiter, mich st�rt sogar, dass bei der Frage, was man als junger Mensch mit seinem Leben anfangen soll, der Begriff der�Karriere� so zentral steht. Es geht doch wohl zun�chst erst einmal darum, etwas zu finden, das mir Spa� macht.
Wenn sich dann danach eine Karriere einstellt � umso besser.
Wo liegen denn die Ursachen f�r diesen Wandel weg vom Abenteurer hin zum b�rgerlichen Karrieristen?
Das ist sicherlich nicht monokausal, aber ich muss fairerweise hinzuf�gen, dass ich als Einsteiger das Privileg genoss, dass es den Gedanken an Arbeitslosigkeit einfach nicht gab. Wenn ich mich dann wiederum an meinen Abi- Jahrgang Ende der 70er-Jahre erinnere, dann waren da eine Menge Leute, die wie ich auch aus finanziell angespannten Verh�ltnissen kamen. Wir wollten also irgendwo raus. Und wer irgendwo raus will, verf�gt �ber andere Energien, Fantasien und �ber mehr Kreativit�t. Die Hochschulabsolventen heute wachsen zu einem Gro�teil in relativ wohlhabenden Verh�ltnissen auf, und da ist der Stachel, etwas Neues auszuprobieren, sehr viel stumpfer. Anstatt raus zu wollen, w�nschen sich diese Leute, das wirtschaftliche Niveau der Eltern zu halten � was wiederum dazu f�hrt, dass einige V�ter sich so intensiv mit der Karriere ihrer S�hne auseinandersetzen, dass ich ihnen gerne zurufen w�rde: Lasst die doch mal laufen!
Sie haben sich schon zur Uni-Zeit an das Motto gehalten:
�Bildung statt Ausbildung�.
Aber auch das war keine Strategie, um Karriere zu machen, sondern ein Bauchgef�hl. Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter, die in einem Altersheim gearbeitet hat, habe ich in Berlin und Hamburg Geschichte und Philosophie studiert. Zwei F�cher also, die eigentlich nicht zu einem soliden Brot- und Butterjob f�hren � zumal ich weder in die Forschung gehen geschweige denn beamteter Lehrer werden wollte. Aber es entsprach damals meinem Bed�rfnis, zun�chst einmal eine anst�ndige Allgemeinbildung zu bekommen.
Haben Sie einen Ratschlag an die Hochschulabsolventen von heute, wie sie ihrem Bauchgef�hl Geh�r verschaffen und die Abenteuerlust wiederentdecken k�nnen?
Also, jede Generation muss sich schon selber auf den Weg machen. Diese Aufgabe darf man denen, die nichts anderes im Kopf haben, als Karrierestrategien zu entwickeln, nicht auch noch abnehmen. Aufbrechen m�sst Ihr schon selbst! Karl Marx hat den wunderbaren Satz gesagt: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Damit hat er fraglos Recht, aber den Umkehrschluss finde ich noch spannender:
Das Bewusstsein bestimmt das Sein.
Besch�ftigen Sie sich mit dem Thema Work-Life-Balance? Nein, weil ich meinem Bauchgef�hl folgend Berufe aus�ben darf, die mir allesamt sehr viel Spa� machen: Filme produzieren, Professor sein, eine Talkshow moderieren und B�cher schreiben. Ich kenne dieses protestantische Denken nicht, nach dem eine m�hevolle Arbeit nach einem Feierabend verlangt.
Ich wei�, dass ich damit privilegiert bin. Will aber gerne hinzuf�gen, mir dieses Privileg auch erarbeitet zu haben.
In Ihrem Roman �Die K�ndigung� erz�hlen Sie von einem Top-Manager, dem �berraschend gek�ndigt wird und dessen Welt darauf zusammenbricht. Haben Sie Angst davor, dass die Dinge, die Sie heute machen d�rfen, irgendwann nicht mehr nachgefragt sein k�nnten?
Nein. Man muss nat�rlich sagen, dass jeder Gang, den man im Leben geht, den Misserfolg impliziert. Jede gute Karriere hat Abst�rze und R�ckschl�ge � und man ist ohne Frage gut beraten, sich fr�h damit zu befassen, dass es auch einem selber passieren kann. Aber ich habe in meinem Leben so viele Dinge gemacht � von der Arbeit in Vorst�nden bei Axel Springer und ProSieben �ber die Professur und das Produzieren von Filmen bis hin zum Schreiben von B�chern, dass mir immer etwas einfallen wird. Und zur Not � und das meine ich �brigens ganz ernst � w�rde ich auch einen Pizza-Kurierdienst in Nizza aufmachen. Ich stecke voller Fantasie und voller Tatendrang, klebe aber nicht daran, dass ich das, was ich derzeit mache, immer weitermachen muss.
Was f�r Abst�rze in Ihrer Karriere haben Sie erlebt? Absturz w�re zu viel gesagt. Ein, zwei Misserfolge gab es. Ich glaube, Sie k�nnen Niederlagen nur verkraften, wenn Sie einen Beruf haben, den Sie mit hei�em Herzen erw�hlt haben. Stellen Sie sich vor, Sie verlieren in einem Beruf, den Sie alleine aus Sicherheitserw�gungen ergriffen haben. Sp�testens, wenn Sie die Niederlage realisieren, stellt sich die
Frage: Warum bin ich Rindvieh diesen Weg gegangen?
Sie haben als Student allerhand Nebenjobs ausge�bt:
Taxifahrer, Kellner ...
... und sogar Aushilfskraft am Schlachthof.
Haben Sie bei diesen Jobs etwas gelernt, das Sie bis heute bei sich tragen?
Ich habe dort gelernt � und das ist f�r viele Menschen, die ich beobachte, leider nicht selbstverst�ndlich: Jeder Mensch ist viel wert � und wenn Sie so wollen �kostbar�, v�llig unabh�ngig davon, was er verdient und was f�r eine Karriere er gemacht hat.
Haben Sie Verst�ndnis f�r Top-Manager, die den Kontakt zu Menschen in anderen Sph�ren komplett verlieren?
Ich war ja selber in mehreren Vorst�nden und kann sagen:
Wer den Kontakt verliert, der will ihn auch nicht. Mir tut jeder leid, der ein Leben in einer karrieregepr�gten Plastikwelt f�hrt. Denn wer dort keinen Mangel sp�rt, ist ein armer Mensch.
Der Protagonist Ihres Buches erkennt den Mangel. Genau, deshalb tut er mir auch nicht leid. Er widmet sich seinen Tr�umen. Und wer das tut und daraufhin versucht, sich ein neues Leben zu zimmern, der ist den gr��ten Schritt bereits gegangen.
Muss der, der sich seinen Tr�umen widmet, nicht auch Angst haben, dass die Tr�ume platzen?
Sehen Sie, es gibt zwei Illusionen im Leben: Die eine ist Stillstand, die andere ist Sicherheit. Beides wird es nie geben, und deshalb ist eine deftige Niederlage Teil eines deftigen Lebens. Das kann auch mal komplett gegen die eigenen Interessen laufen. Aber soll ich als Konsequenz daraus ein Leben f�hren, das nur geringe Amplituden kennt?
Das w�re dann Leben light. Eine Bonsaivariante des Lebens. Eine tr�be Vorstellung.
Letzte Frage: Gibt es einen Menschen, den Sie gerne mal angeschwipst erleben m�chten?
Hm. Ich finde angeschwipste Menschen generell nicht wahnsinnig spannend, deswegen deute ich Ihre Frage ein wenig um und �berlege, mit wem ich gerne mal meine aktuelle Wochenration Gl�ser Wein trinken w�rde. (�berlegt) Ich lebe in der sch�nen Situation, dass ich die meisten Menschen, mit denen ich gerne mal einen Wein trinken w�rde, auch tats�chlich anrufen kann. Und die kommen dann auch. (lacht) Aber es gibt eine Unternehmerin, die ich sehr respektiere und die sich zur�ckgezogen hat, die ich gerne einmal kennenlernen
m�chte: Jil Sander. Ich finde es ungeheuer beeindruckend, wie es einer Frau aus Hamburg gelingen konnte, beginnend mit einem kleinen Laden in P�seldorf ein weltumspannendes Modeimperium aufzubauen. Dar�ber w�rde ich mich mit ihr wahnsinnig gerne unterhalten � aber ausdr�cklich auch dann, wenn Frau Sander auf Tee oder Kaffee besteht.
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Im Karrierekochbuch
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