Interview mit Mathias Eckert

Der Aufsteiger

Mathias Eckert, Foto: s.Oliver
Mathias Eckert, Foto: s.Oliver

Vor 17 Jahren kam Mathias Eckert als Einsteiger zum Bekleidungshersteller und Franchise-Betreiber s.Oliver. Schritt für Schritt arbeitete er sich nach oben – und ist seit 2012 als Managing Director Teil der fünfköpfigen Geschäftsführung. Worauf es beim Aufstieg ankam und welche Trends die Textilbranche derzeit bestimmen, erzählte er im Interview mit André Boße.

Zur Person

Der heute 42-Jährige startete 1992 seine Ausbildung zum Industriekaufmann in der Textilbranche. Zuvor hatte er den Handel durch Aushilfsjobs zwischen Abitur und Bundeswehrzeit sowie durch ein Praktikum kennengelernt. 1995 kam er dann zu s.Oliver und durchlief im Rhythmus von rund zwei Jahren diverse Stationen im Unternehmen – vom Abteilungsleiter Casual und Selection Men über den Gebietsverkaufsleiter Baden-Württemberg und Vertriebsleiter Wholesale Deutschland bis zum Vertriebsdirektor Global Wholesale. Nach vier Jahren in dieser Position stieg der zweifache Familienvater 2012 zum Managing Director der gesamten Markenwelt des Unternehmens auf und verantwortet den Bereich International Wholesale & Franchise. Dieser umfasst unter anderem die Vertriebsleitung, International Sales Organisation, Koordination der Regional Heads sowie Key Account Wholesale und Key Account Mail Order Department.

Herr Eckert, Sie arbeiten schon seit Ihrem ersten Praktikum in der Einzelhandelsund Textilbranche. Wussten Sie schon als junger Mann, dass diese Branche die richtige für Sie ist?
Wenn ich ganz ehrlich bin, dann hat sich bei mir der Weg erst relativ spät gefestigt. Mit 16 wollte ich noch ganz sicher Architekt werden, und auch nach dem Abitur stand dieser Beruf für mich immer noch an absolut erster Stelle. In der Übergangsphase vor dem Antritt meiner Bundeswehrzeit habe ich dann neben meinem Aushilfsjob im Textileinzelhandel für einige Zeit bei einem renommierten Stricker in meiner schwäbischen Heimat gearbeitet. Hier habe ich die Branche kennen- und lieben gelernt. Vor allem das Thema Vertrieb war sofort meine große Leidenschaft. Nach der Bundeswehr stand also fest: Ich muss in die Textilbranche.

Was war beim Einstieg das wichtigste Sprungbrett?
Die Ausbildung zum Industriekaufmann – und ein Quäntchen Glück. Bei meinem Aushilfsjob im Einzelhandel hatte ich den damaligen Handelsvertreter für s.Oliver in Baden-Württemberg kennengelernt, der mich direkt nach der Ausbildung mit auf die Herrenmodewoche nach Köln genommen hat. Das war natürlich ein Traumstart.

Erinnern Sie sich noch an Know-how, das Sie schon sehr früh in Ihrer Karriere gelernt haben – und das bis heute wichtig ist?
Für mich waren die wichtigsten Aspekte: Offenheit für alles und alle. Sich für nichts zu schade sein. Kontakte knüpfen und pflegen – und sich Menschen suchen, an denen man sich orientieren kann, um damit seine eigene Leistungsfähigkeit auszuloten. Das ist wie im Sport: Wer stets mit einem Besseren spielt, lernt am meisten. Auch wenn sich das zunächst wie eine Niederlage anfühlt: Das sind die echten Gewinne – für den Job und für das Leben.

Welche weiteren Talente und Eigenschaften benötigt man, um zielstrebig den Weg vom Praktikanten und Lehrling bis zum Managing Director eines Konzerns zu gehen?
Abgesehen von dem eben schon erwähnten Quäntchen Glück, das man in so einer Entwicklung auch benötigt, ist es sicher wichtig, Zielstrebigkeit mitzubringen. Man muss an sich und seine Talente glauben – und wenn man die Chance bekommt, sich zu beweisen, dann sollte man sie auch ergreifen. Wichtig ist dabei jedoch, dass man sich nicht überschätzt. Die Folge ist dann oft, dass man einen zu schnellen Schritt macht, und die Gefahr, sich auf dem Weg nach oben zu verbrennen, ist täglich gegeben.

Was ist denn Ihrer Meinung nach der richtige Zeitpunkt für den nächsten Schritt?
Wenn man in seiner aktuellen Position ausreichend bewiesen hat, dass man es kann. Für mich war immer wichtig, dass ich die aktuelle Position und Situation für mich beherrschbar gemacht habe. Nur dann hatte ich genügend eigene Ressourcen, um mich für neue Aufgaben vorzubereiten.

Wie hat sich Ihrer Beobachtung nach die Einzelhandels- und Textilbranche seit Ihrem Einstieg Anfang der 90er-Jahre verändert?
Der Handel hat sich in vielen Punkten wesentlich gewandelt. Es ist alles schneller geworden. Gerade die Entwicklung, pro Jahr zwölf Kollektionen zu präsentieren, hat eine unglaubliche Dynamik in unser Business gebracht. Ende der 90er-Jahre kamen dann die „Vertikalen“ wie Zara und Co. massiv auf den europäischen Markt …

… also die Ketten, die sämtliche Geschäftsstufen kontrollieren, vom Design bis zum Verkauf …
… und plötzlich schaute die ganze Branche auf diese Konkurrenz, die zugleich Feind- und Leitbild war. Die Industrie hat dann eigene „Retail Stores“ eröffnet und neue Franchise-Konzepte etabliert. Viele Fachhändler haben sich dagegen aus den großen Metropolen zurückgezogen. Es begann auch die Zeit stärkerer Kooperationen mit den Warenhäusern, um auf diesem Wege neue Verkaufsstellen zu erobern. Eine neue Herausforderung stellt heute das Online-Business dar. Hier liegt für uns die wesentliche Aufgabe darin, den noch vergleichsweise jungen Vertriebskanal harmonisch im Sinne eines Geschäfts mit vielen Kanälen in das heutige Vertriebsumfeld zu integrieren, um nutzbare Schnittstellen zum stationären Handel zu schaffen.

Wie haben sich in diesem Zuge die Erwartungen an Hochschulabsolventen geändert, die in Ihrer Branche einsteigen?
Die Anforderungen haben sich wesentlich im Bereich Internationalität geändert. Wir sind in der Branche mehr denn je gefordert, uns auch im internationalen Geschäft aufzustellen und uns dort zu Hause zu fühlen. Eines jedoch ist immer noch unschlagbar wichtig: Das ist die Praxiserfahrung. Man muss die Branche kennenlernen, und das erreicht man nur, indem man sich in ihr bewegt und in ihr lebt. Dafür ist es auch wichtig, gut vernetzt zu sein und viel zu kommunizieren. Gerade in Gesprächen erfährt man viele Dinge, die für den eigenen Weg sehr wichtig sind. Ich halte es da mit dem, was unser Inhaber Bernd Freier sagt: „Schlaue Freunde sind das Wichtigste.“

Angenommen, Sie hätten einen Tag lang Zeit, um Hochschulabsolventen die Arbeitsrealität Ihrer Branche vor Augen zu führen. Was würden Sie mit dieser Gruppe unternehmen?
Das ist natürlich eine große Herausforderung an einem einzigen Tag. Ich würde die Absolventen morgens in unserem Hauptquartier in Rottendorf empfangen, würde sie durch die einzelnen Abteilungen führen und die einzelnen Abläufe erklären, wie wir unsere Mode vom Designentwurf bis zu den ersten Mustern gestalten. Für einen kleinen Einblick in das Vertriebswesen zum Zeitpunkt der Order, wenn also unsere Stores und Großhandelspartner die neue Kollektionsware bestellen, würden wir in die Showrooms fahren, in denen wir die Waren unseren Kunden präsentieren. Das ist eine wichtige Erfahrung, weil hier deutlich wird, wie die Kunden denken und handeln und wie wir Ware gemeinsam steuern. Am Nachmittag würde ich ein Shoppingcenter in einer Innenstadt besuchen. Die Absolventen sollen spüren, was dort, direkt am Point of Sale, passiert. Am Abend würde ich mit den Absolventen, zwei bis drei Mitarbeitern sowie dem einen oder anderen Kunden gemeinsam Essen gehen, viel erzählen und alle Fragen beantworten.

Zum Unternehmen

Sein erstes Geschäft öffnete der Franke Bernd Freier unter dem Namen „Sir Oliver“ im Jahr 1969 in Würzburg. Aus markenrechtlichen Gründen folgte 1978 die Umbenennung in s.Oliver. Heute betreibt das Unternehmen mit Sitz in Rottendorf im Landkreis Würzburg 262 eigene Stores, die das Unternehmen auf eigene Rechnung führt, 323 Stores mit Partnern (also Franchise-Filialen) sowie im Großhandel 2724 Shops mit eigenem Ladenbau und 3394 Verkaufsflächen innerhalb von Warenhäusern. Der Bekleidungshersteller und Handelskettenbetreiber erwirtschaftete 2011 einen Rekordumsatz in Höhe von 1,48 Milliarden Euro. Der internationale Umsatzanteil liegt bei 27 Prozent. Produziert wird hauptsächlich in Asien sowie in West- und Osteuropa. Internationale Märkte für das Unternehmen sind unter anderem Indien, Frankreich, Italien, Russland oder Schweden. Für s.Oliver sind weltweit 7872 Mitarbeiter tätig, davon in Deutschland 5292 und alleine in der Unternehmenszentrale Rottendorf 1879. Die Geschäftsführung hat fünf Mitglieder, darunter der Gründer und heutige CEO Bernd Freier.