New Work: Heute wissen, was wir morgen tun

Isabelle Kuerschner, Foto: Privat
Isabelle Kuerschner, Foto: Privat

Dr. Isabelle Kürschner gehört zu den führenden Experten im Bereich New Work. Sie berät Arbeitgeber in den Bereichen Organisationsentwicklung und strategisches Personalmanagement. Als Referentin gewährt sie spannende Einblicke in die Zukunft der Arbeit. Ihr Motto: Wir machen uns die Arbeitswelt, wie sie uns gefällt. In ihrem Gastartikel beantwortet sie fünf Fragen zu New Work.

Unsere Arbeitswelt befindet sich in einem rasanten Wandel. Daher kann keiner exakt vorhersagen, wie wir in 20, 30 oder gar 50 Jahren arbeiten werden. Logischerweise fällt es jedem schwer, heute akribisch vorauszuplanen, wie der eigene Berufsverlauf über die nächsten Jahrzehnte aussehen wird. Die in Vorstellungsgesprächen häufig gestellte Frage „Wo sehen Sie sich in fünf oder zehn Jahren?“ halte ich aus diesem Grunde für ebenso wenig zeitgemäß wie zielführend.

New Work, Bild: Goldegg
New Work, Bild: Goldegg

Isabelle Kürschner: New Work. Wie wir morgen tun, was wir heute wollen. Goldegg 2015. 19,95 Euro

www.isabellekuerschner.com

Worauf es ankommt, ist vielmehr: Wir sollten dem Wandel offen entgegentreten. Uns bewusst darüber werden, dass sich nicht nur die Art und Weise, wie wir arbeiten, sondern auch unsere Einstellung gegenüber der Arbeit an sich verändern wird. Neuem nicht mit Angst, sondern mit Neugier begegnen. Mut haben, Dinge anzupacken und in unserem Sinne mitzugestalten.

Je mehr wir uns über die Zukunft der Arbeit informieren, desto besser können wir uns auf sie vorbereiten. Damit wir rechtzeitig wissen, welche Qualifikationen wir besitzen müssen, welchen Netzwerken wir angehören sollten, auf welchen Plattformen wir uns bewegen können und mit welchen Mitstreitern wir uns verbünden wollen. Wissen ist Macht, und je mehr Kenntnisse wir über die Arbeitswelt der Zukunft haben, desto mächtiger können wir uns ihr stellen. Natürlich gibt es aber auch Fragen, auf die sich heute schon Antworten finden lassen. Diese fünf gehören dazu:

Wen wird New Work überhaupt betreffen?
Bis heute glauben viele, dass die neuen Möglichkeiten in der Arbeitswelt nur einem kleinen Kreis von Auserwählten zugutekommen werden. Doch der Wandel macht vor nichts und niemandem halt. Beispiele gibt es heute schon genug:

Ärzte sitzen Patienten gegenüber, die sich im Internet bereits umfassend selbst diagnostiziert haben. Unter Umständen nehmen ihnen schlaue Uhren oder Armbänder auch Routineaufgaben wie Blutdruck- oder Herzfrequenzmessungen ab, warnen Patienten vor Übergewicht, falscher Ernährung oder zu wenig Bewegung. Lehrer und Professoren müssen online Bewertungen über sich und ihre Leistung ergehen lassen. Rechtsberatung findet nicht mehr zwangsläufig in der Anwaltskanzlei statt, sondern immer häufiger auch im Internet. Sekretäre und Assistenten brauchen heute nicht mehr im Büro nebenan zu sitzen, sondern können uns auch von ihren Schreibtischen in Mumbai, Bangalore oder Sofia aus unterstützen.

Gerade junge Menschen erheben immer häufiger den Anspruch, Reichtum jenseits von materiellem Einkommen anzuhäufen, in Form von Zeit, Freiheit und der Möglichkeit zur Selbstverwirklichung.

Fakt ist: Nahezu jede einzelne Berufsgruppe ist vom Wandel durch die Digitalisierung betroffen, Widerstand ist zwecklos. Das heißt nicht, dass wir alle arbeitslos werden und untergehen. Wir haben sogar gute Chancen, als Gewinner aus dem Prozess hervorzugehen. Aber wir müssen wachsam sein, Möglichkeiten erkennen und auch ergreifen. Je mehr wir darüber in Erfahrung bringen und je besser wir uns darauf vorbereiten, desto größer sind unsere Chancen, in Zukunft zu den heiß begehrten Fachkräften zu gehören.

Werden die Absolventen von Morgen überhaupt noch Arbeit haben? Ganz bestimmt sogar. Zwar besagt eine aktuelle Oxford-Studie, dass in zehn bis zwanzig Jahren 47 Prozent der heutigen beruflichen Tätigkeiten voll automatisiert erledigt werden können. Doch das heißt nicht, dass dies auch der Fall sein muss. Denn was technisch möglich ist, macht in der Praxis nicht immer Sinn oder rechnet sich betriebswirtschaftlich. Maschinen hin oder her, den Bedarf an Fachkräften werden sie nicht decken können, insbesondere im Dienstleistungssektor. Das Arbeitszeitpensum wird Prognosen zufolge eher zu- als abnehmen; so müssen im Jahr 2030 voraussichtlich 13 Milliarden Arbeitsstunden geleistet werden, im Vergleich zu den 11 Milliarden geleisteten Stunden im Jahr 2010.

Was bietet uns die neue Arbeitswelt?
Vor allem eines: mehr Freiheit. Damit eröffnen sich für uns wunderbare Möglichkeiten, unser Arbeitsleben so zu gestalten, wie es uns gefällt. Dazu gehört, dass wir uns nicht nur am Beginn unserer Berufslaufbahn, sondern auch mittendrin oder sogar gegen Ende immer wieder neu entscheiden können, welche Tätigkeiten unseren Erfahrungen und Fähigkeiten entsprechen. Das kommt vielen von uns entgegen. Gerade junge Menschen erheben immer häufiger den Anspruch, Reichtum jenseits von materiellem Einkommen anzuhäufen, in Form von Zeit, Freiheit und der Möglichkeit zur Selbstverwirklichung.

Welche Kompetenzen werden besonders gefragt sein?
Auch wenn noch viel Raum für Gestaltung bleibt, so scheinen einige Vorhersagen sehr plausibel: Tätigkeiten, bei denen soziale Kompetenzen, persönliche Interaktion und Kommunikation benötigt werden, haben wohl die besten Chancen zu überleben. Beratung, Verhandlung und Problemlösung werden auch weiterhin in Menschenhand bleiben, ebenso wie weite Bereiche der Medizin, Pflege und Erziehung. In den Natur- und Ingenieurwissenschaften werden insbesondere diejenigen gefragt sein, die mit kreativer Intelligenz Entwicklungen vorantreiben und Probleme lösen können. Ganz egal, in welchem Berufsfeld wir heute und in Zukunft tätig sind: Gute Chancen auf Beschäftigung haben Personen, die neben ihren Fachkenntnissen auch über innovative und soziale Fähigkeiten verfügen und diese stetig erweitern.

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Das Zukunftsinstitut zeigt auf einer Megatrend-Mal die Facetten der New Work
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