Was macht eigentlich eine Flugleiterin, Frau Dr. Hübner?

Was macht eine Flugleiterin? Foto: Kai-Uwe Wärner
Foto: Kai-Uwe Wärner

Ich bin stellvertretende Flugleiterin eines Forschungssatelliten. „Mein“ Satellit heißt Integral und ist schon seit über zwölf Jahren im All. Ich kümmere mich darum, dass es ihm gut geht – bin sozusagen Satellitendoktor. Von Dr. Jutta Hübner

Zur Person

Dr. Jutta Hübner, 35 Jahre, stellvertretende Flugleiterin des Wissenschaftssatelliten Integral am Europäischen Weltraumkontrollzentrum (ESOC) der Europäischen Weltraumagentur (ESA) in Darmstadt

Ich bin stellvertretende Flugleiterin eines Forschungssatelliten. „Mein“ Satellit heißt Integral und ist schon seit über zwölf Jahren im All. Ich kümmere mich darum, dass es ihm gut geht – bin sozusagen Satellitendoktor. Außerdem bin ich Teil eines Teams, das nächstes Jahr einen neuen Satelliten ins All schießt. Ein Traumjob. Mein Traumjob. Ein Satellit im All, einer in Vorbereitung, keine Minute Langeweile.

Nach meinem Abitur studierte ich Physik in Mainz. Bereits nach den ersten Wochen war mir klar: Das Studium alleine ist mir zu trocken. Ich wollte löten, schrauben, basteln und experimentalphysikalische Fähigkeiten entwickeln. Deshalb habe ich neben dem Studium als Hilfskraft an der Uni gearbeitet. Nach dem vierten Semester bin ich für ein Jahr nach Seattle gegangen, wo ich Neutrinos kennen- und schätzen lernte – winzige Teilchen, die fast mit Lichtgeschwindigkeit durchs Weltall flitzen und sogar die Erde ungehindert durchqueren können. Meine Diplomarbeit schrieb ich deshalb in Berlin über Neutrinos. Ich habe für ein Forschungsprojekt am Südpol neuartige Detektoren entworfen, gebaut und bei tiefen Temperaturen getestet. Für meine Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg habe ich an einer Kamera für das Weltraumteleskop Herschel mitgearbeitet.

Neben meiner Doktorarbeit hatte ich die Gelegenheit, kleine Projekte selber zu initiieren und zu leiten. Das Planen und Organisieren hat mir sehr viel Spaß gemacht, und daher ging mein erster Job in diese Richtung: Projektmanagerin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln. Dort betreute ich 13 Weltraumprojekte, war für das wissenschaftlich-technische Management verantwortlich und habe unter anderem bei Raketen- und Ballonstarts in Nordschweden mitgearbeitet.

2011 bekam ich dann meinen Traumjob bei der ESA im Satellitenkontrollzentrum. ESA ist ein Zusammenschluss aus 21 europäischen Staaten und Kanada, sie koordiniert die europäischen Raumfahrtaktivitäten, führt faszinierende Weltraumprojekte durch und bietet spannende Jobs: Eine italienische Kollegin, Samantha Cristoforetti , ist gerade im Weltall auf der Internationalen Raumstation ISS. Wieder ein anderer Kollege arbeitet gerade an einem Roboter, der von der ISS aus gesteuert wird, und weitere Kollegen haben im November den Landeroboter Philae der Rosetta-Mission auf einem Kometen gelandet.

ESA ist als europäische Organisation natürlich sehr international: Mein Chef zum Beispiel, ein Mathematiker, stammt aus England, und meine anderen Teamkollegen kommen aus Italien, Irland, Frankreich, Spanien und Rumänien. Sie haben die unterschiedlichsten Fächer studiert oder Ausbildungen gemacht.

Mit Leidenschaft bei der Arbeit
Bei Integral bin ich für den Betrieb der wissenschaftlichen Instrumente verantwortlich. Dabei arbeite ich eng mit den Wissenschaftlern aus unterschiedlichen europäischen Instituten zusammen, die die Kameras gebaut haben und jenen, die die Beobachtungen planen. Integral arbeitet im Gammastrahlen-Bereich und erforscht so Objekte wie schwarze Löcher oder Sternexplosionen, genannt Supernova. Außerdem unterstütze ich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung zukünftige Satellitenprojekte. Seit ein paar Monaten bin ich zusätzlich Teil des Teams, das im Sommer für den Start und die Inbetriebnahme des Wettersatelliten MSG-4 verantwortlich ist.

Redaktionstipp

Über Samantha Cristoforetti, die gerade auf der ISS ist, haben wir bereits in der letzten Ausgabe des karriereführer frauen in führungspositionen berichtet.

Das Allerwichtigste in meinem Beruf ist die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen: Nur im Team können wir die Komplexität einer Satellitenmission beherrschen. Mein typischer ALL-Tag hat nur wenige Konstanten, denn neben dem Routinebetrieb sind wir insbesondere für unvorhersehbare Ereignisse und besondere Manöver zuständig. Es ist sehr faszinierend, hier zu arbeiten und täglich Neues zu lernen. Ich freue mich jeden Morgen auf die Arbeit.

Meine Tipps für Berufseinsteiger: Finden Sie heraus, was Sie interessiert, begeistert, fasziniert, wofür Sie Leidenschaft haben oder entwickeln können. Machen Sie das, was Ihnen Spaß macht. Es gehört natürlich auch harte Arbeit und etwas Glück dazu, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist und die richtigen Leute kennenlernt.

Job-Steckbrief Flugleiterin

Voraussetzungen:
Hochschulabschluss in Ingenieurwissenschaft oder Physik, Erfahrung mit Satellitenmissionen oder im Missionsbetrieb, Freude an Arbeit in internationalen und interdisziplinären Teams

Einstiegsmöglichkeiten:
Für Hochschulabsolventen: Direkteinstieg bei der ESA nur als Young Graduate Trainee (YGT)

Gehalt:
Gemäß Gehaltsskala der „Coordinated Organisations“; Einsteigergehalt: Stufe A2/A4

Informationen:
www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany
www.esa.int/careers