Vielfalt in eigener Sache

Bild: Transmedia Verlag
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Positive Wertschätzung von Verschiedenheit – so lässt sich das Konzept Diversity, seit einigen Jahren fester Bestandteil der Politik vieler Unternehmen, auf den Punkt bringen. Doch was verbirgt sich dahinter, und wie sieht es in Anwaltskanzleien mit der Diversity aus? Von Sascha Kuhn

Nicht nur Arbeitsrechtlern, sondern allen Juristen sollte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein Begriff sein. Nach diesem, treffend oft verkürzt als Antidiskriminierungsgesetz bezeichneten Regelwerk sind Benachteiligungen beispielsweise aufgrund von Geschlecht, Religion oder Alter verboten. Das Konzept der Diversity geht einen entscheidenden Schritt weiter, indem es nicht nur auf die Verhinderung von Diskriminierung, sondern auf die faktische Realisierung von Chancengleichheit abstellt. Dies beginnt bei der Förderung von Teilzeittätigkeit, beinhaltet aber auch die gezielte Unterstützung von Frauen auf dem Weg zur Partnerschaft.

Dabei erfasst Diversity nicht nur die (oft) auf den ersten Blick sichtbaren Persönlichkeitsdimensionen wie das Geschlecht, die ethnische Herkunft, das Alter oder Behinderungen, sondern auch die Dimensionen, die man einem Kollegen oder Bewerber nicht gleich ansieht, zum Beispiel die sexuelle Orientierung und die Religionszugehörigkeit. Chancengleichheit setzt Wertschätzung voraus. Wertschätzung aber setzt auch Sichtbarkeit voraus: Nur wenn ich um die Persönlichkeitsmerkmale meiner Kollegen weiß, kann ich sie wertschätzen.

Ein wichtiger Teil eines Diversity-Programms sind daher Diversity-Groups. In diesen treffen sich etwa Mitarbeiter jüdischen Glaubens oder LGBT-Mitarbeiter (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender), um Fragen beispielsweise der persönlichen Karriereplanung zu besprechen, aber auch, um Sichtbarkeit zu schaffen. Dabei ist es wichtig, dass das Thema durch solche Gruppen nicht als Sonderprogramm für Minderheiten erscheint. Tatsächlich geht Diversity nämlich alle Mitarbeiter an. So gibt es in immer mehr Kanzleien zum Beispiel Straight-Allies-Programme, in denen heterosexuelle Mitarbeiter sich für die Belange von LGBT-Kollegen einsetzen.

Dass Diversity nicht nur ein Modethema, sondern die Kanzleiwelt zukünftig immer stärker prägendes Prinzip ist, ergibt sich nicht nur daraus, dass es das menschlich Richtige ist. Es ist mehr und mehr auch das wirtschaftlich Vernünftige. In Zeiten, in denen viele Unternehmen um den talentiertesten Nachwuchs kämpfen und in denen Mandanten in ihren Panel-Ausschreibungen zunehmend nach der Diversity- Politik und -Wirklichkeit fragen, kann sich hier keine Kanzlei eine Schwäche erlauben.

Bewerber könnten und sollten sich bei der Wahl der zu ihnen passenden Kanzlei auch mit dem Thema auseinandersetzen. Denn eine gesunde Auseinandersetzung mit dem Thema spricht ganz nebenbei auch für ein gesundes Arbeitsklima und für Kollegialität. Organisationen wie Stonewall bewerten die Diversity- Politik auch von Anwaltskanzleien, und spezielle Karrieremessen bieten die Gelegenheit, Kanzleien näher kennenzulernen. Bewerber dort vertretener Kanzleien können sich sicher sein, dass sie allein nach ihrer Qualifikation und ihrem Können fair behandelt werden.