Schlichten statt Richten

Foto: Fotolia/dulsita
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„Wir können doch über alles reden“ – das klingt gut, gelingt aber in Streitsituationen nicht immer. Helfen kann eine Mediation – das ist eine Methode, um Konflikte zu lösen. Die Ausbildungsmöglichkeiten zum Mediator sind breit gefächert und das neue Mediationsgesetz ermöglicht Anwälten mit Mediationsausbildung neben ihren rein juristischen Aufgaben interessante und sehr abwechslungsreiche Tätigkeiten. Von Meike Nachtwey

Mediation ist ein Verfahren, keine Institution wie ein Schiedsgericht, eine Güteoder Schlichtungsstelle. Sie soll streitenden Parteien helfen, selbst eine Lösung für ihren Konflikt zu finden. Der Mediator ist allparteilich: Er richtet nicht, er urteilt nicht zugunsten des einen oder des anderen, er macht, anders als ein Schlichter, auch keine eigenen Vorschläge; er versucht die Kommunikation der Parteien zu fördern. Unter seiner Leitung sollen die streitenden Personen oder Unternehmen freiwillig eine zufriedenstellende Lösung erarbeiten. Mit dem Verhandlungsergebnis lässt sich dann auch juristisch etwas anfangen: Die Einigung kann, wie ein Urteil, vom Gericht oder Notar „für vollstreckbar erklärt“ werden. Aber eigentlich ist der Sinn einer Mediation, dass man sich ohne Zwangsmittel einigt.

Prof. Dr. jur. Bernd Eckardt, ehemals Richter am Landgericht Köln, ist Wirtschaftsmediator und Mitglied der Kölner Forschungsstelle für Wirtschaftsmediation an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Fachhochschule Köln. Er sieht in einer außergerichtlichen Konfliktlösung, insbesondere durch Mediation, im Vergleich zur traditionellen juristischen Konfliktbearbeitung durch eine gerichtliche Entscheidung eine ganze Reihe an Vorteilen: „Die Beteiligten schätzen die Möglichkeit, Vertraulichkeit zu vereinbaren und damit mediale Kollateralschäden zu vermeiden. Zudem bietet die Mediation den Vorteil, den Konflikt in seiner Gesamtheit zu betrachten. Dies ermöglicht eine eigenverantwortlich erarbeitete gemeinsame Lösung, durch die die Beziehung zwischen den Parteien auch künftig erhalten bleiben kann.“

Das Einsatzgebiet der Mediation ist sehr vielfältig, zum Beispiel im Familienrecht, wenn es um die elterliche Sorge oder um Vermögensverteilungen bei Scheidungen geht. Aber auch bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, Verwaltungsprozessen, Konflikten in Unternehmen, Gruppen und Teams. Von großer Bedeutung werden künftig Mediationen auch bei Streitigkeiten zwischen Unternehmen sein, etwa bei internationalen Wirtschaftskonflikten. Für Andrea Hürfeld, Mediatorin und Konflikt-Coach, ist die Mediation ein Verfahren, das in fast allen Lebens- und Arbeitsbereichen eingesetzt werden kann: „Nahezu jeder Konflikt eignet sich für eine Mediation und zwar präventiv, begleitend, im aktuellen Streit sowie nachgestaltend. Wesentliche Vorteile sind die Zeit- und Kostenersparnis sowie die Zufriedenheit aller Beteiligten.“

Vielen Menschen fällt es schwer, Konflikte auszutragen, ohne sich gegenseitig durch Wörter zu verletzen oder Schuldzuweisungen auszusprechen. Der Sprache kommt dabei eine große Bedeutung zu. Worte können trennen, aber auch verbinden und Türen öffnen. Deshalb arbeiten viele Mediatoren heute mit der Gesprächsstrategie der Gewaltfreien Kommunikation (GfK). Die GfK wurde von dem amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg entwickelt und soll den Kommunikationsfluss, der im Austausch von Informationen und im friedlichen Lösen von Konflikten notwendig ist, erleichtern. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Gefühlen und Bedürfnissen der Streitparteien, um Verständnis bei der anderen Streitpartei hervorzurufen. Gabriele Seils ist Trainerin für gewaltfreie Kommunikation und Autorin des Buches: „Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation“. Für sie ist die GfK ein wunderbares Handwerkszeug: „Da man Konflikte nicht theoretisch lösen kann, kommt man letztendlich nicht drum herum, den Gefühlen und den Bedürfnissen Raum zu geben. Mit einem Konflikt sind immer Emotionen und verschüttete Bedürfnisse verbunden. Sonst wären die Menschen nicht so verhakt miteinander, und mit dieser emotionalen Ebene muss man arbeiten.“ Denn egal ob in Unternehmen, öffentlichen Institutionen, Familien, Partnerschaften, Universitäten, Behörden, Wirtschaftsverbänden oder zwischen verfeindeten Nationen: Das Grundmuster von Konflikten ist aus Rosenbergs Sicht immer gleich: Konflikte entstehen überall dort, wo wichtige menschliche Bedürfnisse unerfüllt sind. Dazu gehören Bedürfnisse wie Zugehörigkeit, Wertschätzung, Sinn, Respekt, Sicherheit oder Harmonie. Hier kommt die GfK zum Zug: Sie soll den Rahmen für gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung schaffen, dadurch können sich häufig neue und ungeahnte Verständigungseffekte und Lösungen eröffnen. Die Aufgabe des Mediators ist es, die mit Konflikten verbundenen Gefühle wie Wut, Frustrationen, Irritationen, Resignation, Angst oder Hilflosigkeit herauszufiltern. Das ist häufig eine große Herausforderung, denn vielen Menschen fällt es schwer, sich ihre Gefühle einzugestehen. Durch die Aufarbeitung verlieren die Gefühle ihre Bedrohlichkeit und geben hilfreiche Informationen über die Dringlichkeit einer Veränderung. Aber auch um welche Interessen und Bedürfnisse es in einer Konfliktsituation geht. Welche Bedürfnisse sind unerfüllt und welche Handlungsschritte müssen entwickelt werden, um zu einer Lösung zu kommen? Gabriele Seils hat in ihrer langjährigen Tätigkeit als GfK-Trainerin mit dieser Gesprächsstrategie viele positive Erfahrungen gemacht: „Wenn beide Konfliktparteien im wirklichen Kontakt mit ihren Bedürfnissen sind, dann bekommt die Situation eine gewisse Leichtigkeit. Dann geht es nicht mehr darum, sich einfach nur durchzusetzen. Dann ist es sogar oft ein Bedürfnis der Streitparteien, dazu beizutragen, etwas an der Situation zu ändern oder den anderen zu unterstützen.“

Generell können sich alle Berufsgruppen zu Mediatoren ausbilden lassen. Häufig sind es Juristen, Psychologen, Soziologen, Theologen oder Wirtschaftswissenschaftler. Prof. Dr. jur. Ricarda Rolf ist Leiterin der Kölner Forschungsstelle für Wirtschaftsmediation an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Fachhochschule Köln. Sie ist der Meinung, dass gerade Juristen für eine Mediationsausbildung prädestiniert sind – für sie sei diese im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen auch gesetzlich anerkannt: „Bei der Mediation geht es allerdings nicht um eine juristische ‚Falllösung‘, sondern um eine bestimmte Methodik zur Konfliktbehandlung. Die Bewältigung von Konflikten und der angemessene Umgang mit widerstreitenden Interessenlagen gehören zu den Kernaufgaben von Juris ten.“ Zwar ist die Aus- und Weiterbildung von Mediatoren nach dem neuen Mediationsgesetz noch nicht umfassend geregelt, aber zumindest gesetzlich weiter abgesichert. So wurden die Anforderungen an Kernkompetenzen eines Mediators präzisiert und die Bezeichnung „zertifizierter Mediator“ in dem Gesetz verankert. Standards für dieses Zertifikat müssen aber erst noch per Rechtsverordnung festgelegt werden. Als Qualitätsmerkmal gelten die Ausbildungsstandards des Bundesverband Mediation e. V. Andrea Hürfeld ist der Überzeugung, dass sich eine Mediationsausbildung sehr positiv auf die Karriere auswirken kann: „Wer möchte nicht eine Führungskraft mit diesen Qualitäten? Will man sich als Mediator selbstständig machen, ist das sicherlich möglich. Allerdings kenne ich persönlich nur Mediatoren, die über zusätzliche Qualifikationen verfügen.“

Wer sich für eine Mediationsausbildung entschließt, sollte über eine empathische Grundhaltung verfügen sowie die Bereitschaft mitbringen, Kommunikationstechniken wie das aktive Zuhören zu lernen. Dazu gehört für Andrea Hürfeld auch die Fähigkeit, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen sowie zu deeskalieren: „Ein Mediator sollte jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit achten und respektieren und mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen, Sorgen und Wünschen ernst nehmen. Er sollte geduldig und positiv sein, Kompliziertes vereinfachen können und den Überblick bewahren.“

Standardwerke

  • Marshall B. Rosenberg und Gabriele Seils: Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Ein Gespräch mit Gabriele Seils.
    Herder Verlag 2004. ISBN 978-3451054471. 8,99 Euro
  • Marshall B. Rosenberg, Arun Gandhi, Vera F. Birkenbihl und Ingrid Holler: Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens.
    Junfermann 2012. ISBN 978-3873874541. 21,90 Euro
  • Monika Oboth und Gabriele Seils: Mediation in Teams und Gruppen: Praxis- und Methodenhandbuch. Konfliktklärung in Gruppen, inspiriert durch die Gewaltfreie Kommunikation.
    Junfermann 2008. ISBN 978-3873875968. 16,90 Euro
  • Christian Bähner, Monika Oboth und Jörg Schmidt: Praxisbox Konfliktklärung in Teams & Gruppen. Praktische Anleitung und Methoden zur Mediation in Gruppen.
    Junfermannsche Verlagsbuchhandlung 2011. ISBN 978-3873876798. 39,90 Euro

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