Presserecht: Mächtige Kontrollinstanz – Presserechtlerin

Presserecht, Foto: Fotolia/mitrija
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Ist eine Recherche mit versteckter Kamera erlaubt? Wann darf ich mit gravierenden Vorwürfen an die Öffentlichkeit gehen? Darf ich Informationen aus der Privatsphäre veröffentlichen? Antworten auf diese Fragen liefert das Presserecht, ein vielseitiges Rechtsgebiet für Juristen mit sprachlichem Feingefühl und einem ausgeprägten Gerechtigkeitsempfinden. Von Dr. Katrin Neukamm, Juristin, Westdeutscher Rundfunk Köln

Die Wirklichkeit, in der wir leben, ist in großen Teilen medial vermittelt. Der weitaus größte Teil unseres Wissens beruht nicht auf eigener Anschauung und Erkenntnis, sondern auf vermittelten Informationen und Erfahrungen. Ob wir die Arbeit von Politikern verstehen und schätzen, ob und wie wir etwas verändern wollen, hängt auch davon ab, was uns die Medien zeigen. Die Medien sind zudem eine mächtige Kontrollinstanz. Durch intensive Recherche und Veröffentlichung von Texten, Tönen und Bildern informieren sie darüber, was in der Gesellschaft passiert und die Menschen interessiert. Es sollte schon allein deshalb zutreffend sein, was in den Medien geschrieben, gesagt und gezeigt wird. Auch Journalisten sind bei ihrer Arbeit an Recht und Gesetz gebunden. Selbst wenn sie Skandale von hohem gesellschaftlichen Interesse aufdecken, gilt für sie kein Sonderrecht.

„Aber das ist doch wichtig zu wissen!“, ist keine Rechtfertigung dafür, in Geschäftsräume einzudringen oder heimlich ein Gespräch aufzuzeichnen. Rechtliche Fragen stellen sich nicht nur bei der Recherche, sondern auch bei der Veröffentlichung von Informationen in den klassischen Medien beziehungsweise im Internet. Wann und unter welchen Voraussetzungen darf ich über einen Verdacht berichten? Wann darf ich eine Person namentlich benennen? In welcher Form ist es erlaubt, auch verletzende Kritik zu äußern? Und dürfen auch Fotos ohne Einwilligung veröffentlicht werden? Auf alle diese Fragen brauchen Journalisten Antworten, um zu erkennen, ob sie rechtmäßig handeln – oder ihr Verhalten vielleicht sogar strafbar ist. Die rechtliche Einschätzung beruht fast immer auf einer Abwägung im Einzelfall – einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Rechten der Personen oder Unternehmen, über die berichtet wird. Das Programmrecht ist ein Rechtsgebiet, bei dem Juristen den in der Grundrechte-Vorlesung gelernten Grundsatz der praktischen Konkordanz in der täglichen Arbeit mit Leben füllen können. Und das Programmrecht ist nicht alles.

Auch die Beratung von Journalisten über die Reichweite von Auskunftsansprüchen, über die Teilnahme an Veranstaltungen und die Frage, inwieweit sie im Strafverfahren besonders geschützt sind, sind weitere Themen, die zum Presserecht zählen. Rechtsgrundlagen sind neben dem Grundgesetz unterschiedliche Bundesund Landesgesetze sowie eine sich ständig fortentwickelnde, umfangreiche Rechtsprechung. Das Presserecht ist ein faszinierendes Rechtsgebiet für junge Juristen, die Interesse gleichermaßen am Öffentlichen Recht und am Zivilrecht haben, die an der Detailarbeit am Sachverhalt Gefallen finden und die eine hohe Affinität zur Sprache aufweisen. Der Presserechtler muss auch unter Zeitdruck agieren können – der Redaktionsschluss beziehungsweise der geplante Sendetermin eines Beitrags geben häufig eine Frist für die rechtliche Prüfung vor.