Ni hao China! Hallo China!

Foto: Fotolia/Marc Heiligenstein
Foto: Fotolia/Marc Heiligenstein

Aus der Wohnung im 39. Stockwerk in die U-Bahn und anschließend mit dem Motorrad-Taxi zum Büro in einem der zehn höchsten Wolkenkratzer der Welt: Die Arbeit als Jurist in China gestaltet sich nicht nur bei der Anreise zum Arbeitsplatz aufregend. Die chinaerfahrenen Juristen Christian Atzler und Kai Schlender zeigen, worauf es beim Arbeiten in diesem Boommarkt ankommt und wie ein chinesisches Sprichwort zum „Eisbrecher“ in Verhandlungen werden kann.

Christian Atzler, Foto: Baker & McKenzie
Christian Atzler, Foto: Baker & McKenzie

Christian Atzler ist Partner bei Baker & McKenzie in Frankfurt am Main und berät Mandanten bei internationalen Transaktionen, vor allem mit China-Bezug. Von 2005 bis 2008 war er als deutscher Rechtsanwalt bei Baker & McKenzie in Hongkong und Shanghai tätig. Er studierte Rechtswissenschaften in Passau und an der National Taiwan University in Taipei sowie Chinesisch am Mandarin Training Center in Taipei.

Kai Schlender, Foto: Baker & McKenzie
Kai Schlender, Foto: Baker & McKenzie

Kai Schlender ist – nach Stagen bei Baker & McKenzie in Shanghai und Berlin – wissenschaftlicher Mitarbeiter von Baker & McKenzie in Frankfurt am Main. Zudem ist er Lehrbeauftragter der Sinologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er studierte Rechtswissenschaften, Sinologie und Volkswirtschaftslehre in Berlin und Shanghai.

China hat sich binnen weniger Jahre von einem Markt der Zukunft zum Wachstumsmarkt der Gegenwart entwickelt. Wer diesen Markt näher kennenlernen will, für den ist ein längerer Aufenthalt in China ein Muss. Bereits ein altes chinesisches Sprichwort sagt, dass zehntausende Meilen zu reisen sich nicht durch das Lesen von Zehntausenden Büchern ersetzen lässt. Doch was erwartet einen deutschen Juristen in China, wann bietet sich ein Aufenthalt an, und welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um diesen gewinnbringend zu gestalten? Möglichkeiten für einen Aufenthalt in China bieten sich während des Jura- Studiums und auch danach: im Rahmen eines Praktikums, einer Wahlstation oder während eines Secondments, einem Aufenthalt im chinesischen Büro einer internationalen Kanzlei, nach dem Berufseinstieg.

Wer für eine Zeitlang nach China gehen möchte, sollte gute Kenntnisse der chinesischen Sprache mitbringen. Das zeigt bereits ein Blick auf die tägliche Arbeit in einer internationalen Kanzlei im M&A-Bereich mit Chinabezug. So beraten M&A-Anwälte zum einen ausländische Mandanten bei ihren Aktivitäten in China („China Inbound“), etwa bei der Gründung von Tochtergesellschaften in China, bei Joint Ventures mit chinesischen Partnern oder bei Übernahmen chinesischer Unternehmen durch ausländische Investoren. Zum anderen begleiten sie chinesische Unternehmen rechtlich bei Investitionen und Übernahmen außerhalb des eigenen Landes („China Outbound“) – gemeinsam mit Fachkollegen in den jeweiligen Jurisdiktionen. Überwog in der Vergangenheit vor allem bei internationalen Kanzleien meist das China-Inbound- Geschäft, spielt das Outbound- Geschäft derzeit wegen des anhaltenden Wirtschaftswachstums in der Volksrepublik eine zunehmend stärkere Rolle. Dieser Trend lässt sich auch daran erkennen, dass die Kanzleien aus dem Reich der Mitte es den Unternehmen mittlerweile gleichtun und ebenfalls den Schritt ins Ausland wagen, mit ersten kleineren Dependancen hierzulande.

Als Anwalt, der im chinesischen Markt aktiv ist, ist es wichtig, die Landessprache gut sprechen und auch lesen zu können. Viele Entscheidungsträger in chinesischen Unternehmen besitzen oft keine ausreichenden Englischkenntnisse, und auch im China- Inbound-Bereich kommt es auf gute chinesische Sprachkenntnisse an, beispielsweise bei Vertragsverhandlungen mit chinesischen Joint-Venture-Partnern oder bei Besprechungen mit chinesischen Behörden. Ein Verständnis chinesischer Texte ist besonders bei Gesetzen und Verordnungen des Landes erforderlich. Denn da sich die chinesische Rechtsordnung permanent ändert, werden nur wenige Gesetze und Verordnungen ins Englische übersetzt. Auch bei Verträgen oder bei der Due Diligence spielt das Leseverständnis eine wichtige Rolle.

Arbeitssprache in internationalen Kanzleien in China ist nichtsdestotrotz regelmäßig Englisch, auch wenn im Kanzleialltag die chinesische Sprache stark an Bedeutung gewinnt. Insofern sind auch fließende Englischkenntnisse ein Muss. Weniger erwartet werden hingegen fundierte Kenntnisse des chinesischen materiellen Rechts. Zu den Herausforderungen eines ausländischen Juristen in China gehört es, sich – auf Basis der Rechtskenntnisse aus der eigenen Jurisdiktion – rasch in die relevanten Bereiche des internationalen und chinesischen Rechts einzuarbeiten. Dass das chinesische Zivilund Wirtschaftsrecht umfassende Entleihungen aus dem deutschen Recht erfahren hat, ist daher gerade für hiesige Juristen ein großer Vorteil. Unserer Erfahrung nach lässt die abstrakte Herangehensweise deutscher Juristen einen bei unbekannten Rechtsproblemen auch in China selten ohne Ansatz dastehen.

Interessant ist, dass in solchen Fällen der Griff in China oft eher zum Telefon statt – wie hier üblich – zur Kommentarliteratur oder zu Gerichtsentscheidungen geht. Das liegt vor allem daran, dass viele Gesetze und Verordnungen stark von der Umsetzung durch die Behörden vor Ort geprägt sind. Es ist üblich, Vorhaben und Projekte vorab mit diesen zu besprechen, um eine Einschätzung zu erhalten, ob diese in der Praxis umgesetzt werden können. Auch das gehört zu den typischen Tätigkeiten eines ausländischen Anwalts in China. Sprichwörter wie das eingangs erwähnte kommen in China zwar seltener vor, als wir es in unserer westlichen Welt vielleicht vermuten. Ein solches Sprichwort kann aber durchaus „Eisbrecher“ bei einer Verhandlungsrunde mit den Behörden werden.

China

Landesinformationen:
Größe: 9,57 Mio. qkm
Einwohner: ca. 1,3 Mrd.
Hauptstadt: Peking
Landessprache: Chinesisch (Mandarin)

Währung:
1 Euro (EUR) = 8,20 Chinesische Renminbi Yuan (CNY)
Stand: 19.8.2014

Flugdauer:
Frankfurt/Main – Shanghai: 12 Stunden
Kosten: ab 600 Euro

Zeitverschiebung:
+ 6 Stunden MEZ (+ 7 Stunden Winterzeit)

Aufenthaltsgenehmigung:
Die Aufenthaltsgenehmigung in Form des Visums ist an den Arbeitsvertrag gekoppelt und wird in der Regel vom Arbeitgeber in China organisiert. Ein Muss ist außerdem eine Registrierung bei den örtlichen Behörden innerhalb von 24 Stunden nach Ankunft.

Kosten für einen Aufenthalt:
2-Zimmer-Wohnung in der Stadtmitte mit günstiger Verkehrsanbindung in Peking oder Shanghai: circa 700 Euro pro Monat.
Mittagessen in einem einfachen Restaurant : circa 6 Euro.