Das E-Health-Gesetz

Foto: Fotolia/M. Schuppich
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Am 1. Januar 2016 trat das sogenannte E-Health-Gesetz in Kraft, das „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“. Ein Fahrplan dazu sieht vor, dass bis Mitte 2018 Arztpraxen und Krankenhäuser flächendeckend an eine Telematik-Infrastruktur angeschlossen sein sollen. Mit dem Gesetz soll die Gesundheitsversorgung der Patienten verbessert und ihre Selbstbestimmung gestärkt werden. Damit sind auch juristische Herausforderungen verbunden. Von Christoph Berger

Das E-Health-Gesetz sieht eine schrittweise Einführung der Anwendungen auf der elektronischen Gesundheitskarte vor. In einem ersten Schritt erfolgt die Speicherung administrativer Daten der Versicherten, wie beispielsweise Name, Geburtsdatum und Anschrift sowie Angaben zur Krankenversicherung. Zudem enthält die elektronische Gesundheitskarte ein Lichtbild. Eine Neuerung im Vergleich zur Krankenversichertenkarte ist auch die Angabe zum Geschlecht. Zudem kann die Rückseite der elektronischen Gesundheitskarte für die „Europäische Krankenversichertenkarte“ verwendet werden.

In einem nächsten Schritt ist die Durchführung eines Online-Abgleichs der auf der Gesundheitskarte gespeicherten Versichertenstammdaten mit denen bei der Krankenkasse vorliegenden aktuellen Daten des Versicherten vorgesehen, das sogenannte Versichertenstammdatenmanagement. Zudem sieht das E-Health-Gesetz die Einführung weiterer Anwendungen vor. Laut der bei der Kanzlei Lyck + Pätzold healthcare.recht auf E-Health-Compliance, Pharmarecht und die Digitalisierung des Gesundheitswesens spezialisierten Anwältin Stephanie Lamp gehören dazu beispielsweise Medikationspläne, lebensrettende Notfalldaten, wie zum Beispiel Blutgruppe, chronische Leiden oder Allergien, der elektronische Arztbrief, Videosprechstunden, die elektronische Patientenakte sowie das elektronische Patientenfach. Dabei sind alle medizinischen Anwendungen für die Versicherten freiwillig.

Buchtipp

eHealth in Deutschland, Springer
eHealth in Deutschland, Springer

In dem Buch „eHealth in Deutschland“ wird ein Überblick über Potenziale und Herausforderungen von E-Health im deutschen Kontext gegeben. Dabei werden aus interdisziplinärer Sicht auch die Grundlagen und Voraussetzungen dargestellt, wie zum Beispiel technische Standards, rechtliche Rahmenbedingungen sowie Aspekte in Bezug auf Qualität und Finanzierung von E-Health Anwendungen. Florian Fischer, Alexander Krämer (Hrsg.): e-Health in Deutschland. Springer Vieweg 2016. 59,99 Euro

Für Lamp ist klar, dass mit dem Gesetz der Fortschritt im Gesundheitswesen vorangetrieben wird, der Patientennutzen und Datenschutz stehen dabei im Mittelpunkt. Schließlich werde durch eine sichere digitale Infrastruktur die Gesundheitsversorgung und Selbstbestimmung der Patienten gestärkt. Sie sagt: “Nun ist es die Aufgabe der Ärzte, Krankenkassen sowie der Industrie, diese gesetzlichen Rahmenbedingungen schnellstmöglich im Interesse der Patienten umzusetzen.“

Denn was sich erstmal nach einer vor allem technischen Aufgabe anhört, birgt auch im juristischen Bereich zahlreiche Herausforderungen. Dr. Albrecht Wienke, Fachanwalt für Medizinrecht, sowie seine Kollegin Ines Martenstein von der Kölner Kanzlei Wienke & Becker merken an, dass der Zugriff auf die Daten der Gesundheitskarte nur zum Zwecke der medizinischen Versorgung und nur durch einen engen, gesetzlich festgelegten Personenkreis, insbesondere durch Ärzte und Zahnärzte, erfolgen darf. Sie erklären:

„Um auf die medizinischen Daten der Gesundheitskarte zugreifen zu können, gilt das sogenannte Zwei-Schlüssel-Prinzip: Sowohl der elektronische Heilberufsausweis des Arztes als auch die elektronische Gesundheitskarte des Patienten sind notwendig, um Zugriff auf Daten zu haben. Der Patient stimmt dem Zugriff des Arztes zu, indem er seine Gesundheitskarte in das Kartenlesegerät des Arztes steckt und seine PIN eingibt.“ Eine Ausnahme, so die Anwälte, bestehe bei Notfalldaten und, wenn der Patient dies wünsche, dem Medikationsplan.

Auch Stephanie Lamp sieht im Datenschutz den größten Schwerpunkt für Juristen im Zusammenhang mit dem E-Health-Gesetz. Sie beschreibt folgende zu gehende Gratwanderung: „Dabei dürfen einerseits die Grenzen für die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten nicht zu locker definiert sein, damit unrechtmäßige Eingriffe in Bürgerrechte – speziell in die informationelle Selbstbestimmung – verhindert werden. Andererseits dürfen diese Grenzen aber auch nicht zu eng gezogen werden, damit die wirtschaftlichen Potenziale, die gerade angesichts der demografischen Entwicklung nötig sind, nicht schon im Keim erstickt werden.“ Zudem brauche es einen gesellschaftlichen Konsens für den Umgang mit personenbezogenen Daten, der in einem konsistenten Rechtsrahmen verankert werde.

Als weitere Herausforderungen der Digitalisierung im Gesundheitswesen nennt sie Fragen der Haftung, der Zulässigkeit ärztlicher Berufsausübung und der Vergütung bei grenzüberschreitenden Patienten, Waren und Dienstleistungen. Nicht endgültig geklärt sei beispielsweise auch die Frage, ob der entfernt wohnende Spezialist, der über Telemedizin dem Patienten zugeschaltet wird, zur Hilfe verpflichtet ist und gegebenenfalls möglicher Täter einer unterlassenen Hilfeleistung werden kann. Darüber hinaus würden sich Zulassungs- und Haftungsfragen im Zusammenhang mit interoperablen IT- und Medizintechniksystemen, Regelungsdefizite im Rahmen der Behandlung medizinischer Software als Medizinprodukt, Abgrenzungsfragen zur Haftung für fehlerhafte Software oder Unsicherheiten bei der Einordnung von Wearables, Gesundheits-Apps und weiteren M-Health-Anwendungen ergeben.

Das E-Health-Gesetz

Das Bundesministerium für Gesundheit hat eine Informationsseite im Internet aufgebaut, auf der das Gesetz, die elektronische Gesundheitskarte, wichtige Glossarbegriffe und weitere Informationen zu dem Thema aufbereitet zur Verfügung gestellt werden. www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/e-health-gesetz.html

Und schließlich gebe es noch komplexe Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Umgang berufsrechtlicher Regelungen deutscher (Zahn-)Ärzte mit dem berufsrechtlichen Fernbehandlungsverbot, Abgrenzungsfragen zur Haftung bei Beteiligung mehrerer Leistungserbringer an der (Fern-)Diagnose und (Fern-)Behandlung. Wirtschaftlich seien Grundlagen zur Abrechnungs- und Erstattungsfähigkeit telemedizinischer Leistungen zu klären.

Und welche Möglichkeiten ergeben sich aus dem E-Health-Gesetz und der zunehmenden Digitalisierung für junge Anwälte? Stephanie Lamp sagt: „Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist ein stark wachsender Zukunftsmarkt – auch für Juristen.“ Denn mit dem Markt wachse zunehmend auch die Nachfrage nach Rechtsexperten auf dem Gebiet. Außerdem, so fügt sie an: „Die Rechtsberatung auf dem Gebiet des E-Health wird dabei sowohl von Patienten, Ärzten und Angehörigen medizinischer Berufe, Krankenhausbetreibern, der öffentlichen Verwaltung sowie Life Science Industrie in Anspruch genommen, sodass auch das Beratungsspektrum für Anwälte sehr vielseitig ist.“